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»Nun lass dich mal richtig knuddeln, du Süßer!« Er krault mich hinter den Ohren, ich drehe den Kopf und schlecke ihm blitzschnell übers Gesicht. Daniel lacht.

»Mann, das ist ja eine Freude unter den Dackeln. Herkules, ich habe dich vermisst. Vielleicht sollte ich mir auch so ein kleines Kerlchen wie dich anschaffen, aber ich befürchte, dann bekomme ich Probleme mit Aurora. Sie ist nämlich nicht das, was man gemeinhin als Hundefreundin bezeichnen könnte.«

Nein, so habe ich sie auch nicht in Erinnerung. Und leider beantwortet das auch gleich meine dringendste Frage, nämlich, ob Daniel tatsächlich noch mit dieser Schreckschraube zusammen ist. Ist er offensichtlich. Auweia. Dabei hätte ich ihm doch sehr eine nettere Frau gegönnt. Gut, die netteste ist nun vergeben, aber ein paar andere laufen bestimmt noch frei herum.

Daniel setzt mich wieder ab, dann geht er nochmal zu seiner Tasche im Flur und kramt einen Zettel heraus.

»So, Herr Lemke hat mich in einem Apartmenthaus ganz in der Nähe untergebracht. Lauter kleine Wohnungen, im Internet sah es sehr nett aus. Da werde ich die nächsten sechs Wochen wohnen. Mal sehen, wo genau das ist.« Er studiert den Zettel. »Ach, eigentlich genau neben dem Park, wie praktisch!«

»Soll ich dir ein Taxi rufen?«

»Gerne. Ich will nur schnell auspacken und mich vielleicht ein Stündchen aufs Ohr legen. Ich bin ein bisschen müde.«

Tatsächlich sieht Daniel geschafft aus: Seine blonden Locken stehen kreuz und quer vom Kopf ab, und seine großen, dunklen Augen haben noch dunklere Ringe darunter.

»Klar, mach das. Ich gebe dir einen Werkstattschlüssel, dann kannst du einfach wiederkommen, wenn du so weit bist.«

»Danke, Carolin. Es ist ein schönes Gefühl, wieder einen Schlüssel zu haben.«

Als Daniel gegangen ist, macht sich Carolin an ihrer eigenen Werkbank zu schaffen. Sie nimmt eine der fast fertigen Geigen und hält sie ins Licht, dreht sie hin und her und schnappt sich ein Stück Schleifpapier. In diesem Moment klingelt es an der Tür. Caro legt die Geige wieder zur Seite.

»Was denkst du, wer das ist, Herkules? Nina vielleicht? Könnte sein, oder? Erwarten tue ich jedenfalls niemanden.«

Richtig geraten: Es ist wirklich Nina, die vor der Tür steht. Ohne groß Hallo zu sagen, stürmt sie gleich in die Werkstatt.

»Na, wo ist Daniel? Ich wollte ihn doch gleich mal begrüßen. «

»Den hast du knapp verpasst. Er ist eben in sein Hotel gefahren. War ein bisschen geschafft.«

»Ach schade.« Nina klingt enttäuscht.

»Aber ich denke mal, dass er später wiederkommt. Soll ich ihm einen Zettel hinlegen, dass er sich bei dir melden soll? Deine Sehnsucht scheint ja groß zu sein.«

»Was heißt hier Sehnsucht? Ich habe ihn einfach ganz lange nicht mehr gesehen und mich deshalb schon auf ihn gefreut. Ich dachte, wir könnten vielleicht einen Kaffee zusammen trinken.«

»Tja, ich fände einen Kaffee auch nicht schlecht. Oder bekomme ich den bei dir nur, wenn ich Daniel mitbringe?«

Nina schüttelt den Kopf und macht dabei ein Geräusch, das wie TSSS klingt. »Ich habe mir übrigens eine neue Kaffeemaschine gekauft und kann dir gleich einen sehr leckeren Latte Macchiato anbieten.«

»Klingt super! Dann mal los!«

Bevor wir Ninas Wohnung entern können, gilt es allerdings noch ein Hindernis zu überwinden: Auf ihrer Fußmatte liegt ein ziemlich großer Blumenstrauß, der herrlich frisch duftet. Mir ist natürlich sofort klar, wer den da hingelegt hat: der Nachbar? Das ist doch der gleiche Trick wie mit dem anderen Päckchen, der Box mit diesen Ohropax. Lustige Gewohnheiten hat der Herr. Fast wie eine Katze. Bei Herrn Beck habe ich das zwar noch nie beobachtet, aber die Katzen im Schloss legten tatsächlich auch gerne Sachen auf die Fußmatte vom Seiteneingang zur Küche. Meist waren das tote Mäuse, manchmal auch ein kleines Vögelchen, das sie erjagt hatten. Emilia war darüber nicht besonders begeistert, hat aber nie geschimpft, weil es die Katzen nur gut gemeint hätten.

Nina guckt zwar nicht so angewidert, wie es Emilia bei den Mäusen tat, besonders begeistert scheint sie aber auch nicht zu sein. Sie seufzt und hebt die Blumen auf.

Caro guckt neugierig. »Aha. Ein heimlicher Verehrer?«

Nina schüttelt den Kopf. »Heimlich trifft es nicht ganz.«

»Dein Nachbar, oder?«

»Ja«, antwortet Nina knapp.

Carolin lacht. »Siehste, ich hab’s dir ja gleich gesagt.«

»Warte mal kurz, bin gleich wieder da.« Nina dreht sich um und geht die Treppe nach oben. Caro und ich bleiben derweil unten stehen. Wir können hören, dass Nina bei Alexander klingelt, er öffnet die Tür.

»Hallo, Alex. Hör mal, das ist ja nett gemeint mit den Blumen – aber wie ich dir schon sagte: Ich will mich nicht weiter mit dir treffen. Also bemüh dich bitte nicht mehr. Und die …« Es raschelt laut, vermutlich das Papier, in das die Blumenstiele eingeschlagen sind, »… die möchte ich auch nicht behalten. Vielleicht kannst du sie deiner Mutter schenken.«

Alex scheint gar nichts zu sagen, Ninas Schuhe klappern auf dem Weg nach unten, oben wird die Tür wieder geschlossen.

»Wow, Nina, das war schon sehr direkt!«

Nina erwidert nichts, stattdessen schließt sie Caro und mir die Tür auf und schiebt uns in ihre Wohnung. Als sie die Tür hinter uns zugemacht hat, atmet sie tief durch.

»Mann, Alexander ist echt niedlich, aber er kommt mir vor wie ein Kind. Die letzten zwei Tage hat er mich jedes Mal, wenn er mich gesehen hat, um ein Date gebeten. Den Zahn musste ich ihm gerade mal endgültig ziehen.«

»Ja, das dürfte dir gelungen sein. Schade um die Blumen. Die waren wirklich schön. Der Mann hat offensichtlich Geschmack.«

Mittlerweile hat sich auch Herr Beck aus seinem Körbchen erhoben und steht neben uns. Er sieht noch ein wenig verschlafen aus. »Sag mal, Freund, wovon reden die beiden Damen?«

»Die Kurzversion? Der Typ von der Party hatte Blumen für Nina vor eure Tür gelegt. Die hat sie ihm aber gerade wieder in die Hand gedrückt.«

»Aha.« Herr Beck scheint ungerührt. So, als hätte er in diesem Fall auch nichts anderes erwartet.

»Findest du das gar nicht komisch? Ich meine, auf der Party sah es doch so aus, als hätte sie ihn sehr, sehr gerne.«

»Findest du? Ich hatte eher den Eindruck, Nina war nur auf der Suche nach Spaß.«

Hä? Wie meint der Kater denn das jetzt? Wieso Spaß? Ich dachte, beim Küssen geht’s den Menschen um Liebe. Und beim Sex sowieso. Genauso hat mir Beck das mal erklärt – dass Sex und Liebe bei den Menschen irgendwie zusammengehören. Ich fand das Konzept zwar nicht sofort einleuchtend, aber nicht alles beim Menschen lässt sich logisch erklären. Muss es ja auch nicht. Jedenfalls hatte Carolin ja auch deswegen mit ihrem gruseligen Freund Thomas Schluss gemacht: weil Beck und ich ihr beweisen konnten, dass er Sex mit einer anderen Frau hatte. Das nennt man Betrug, und es verträgt sich nur sehr schlecht mit der menschlichen Liebe.

»Aber du selbst hast mir doch erklärt, dass diese ganze Sache mit Küssen und so weiter bei den Menschen mit Liebe zu tun hat. Und dann müsste sich Nina doch über Blumen von Alexander freuen. Was meinst du denn jetzt mit nur Spaß

Herr Beck sieht mich an, als sei ich heute besonders schwer von Begriff, und atmet schwer. Das ist eigentlich eine Frechheit, denn immerhin war er es, der mich erst auf die Idee gebracht hat, dass es den Menschen bei der Paarung um die Liebe geht.

»Also, es ist wie folgt«, beginnt Beck zu erklären und spricht dabei so langsam, als habe er es mit einem Schwachsinnigen zu tun, »oft ist das Küssen wirklich ein Zeichen von Liebe. ABER – es muss nicht immer so sein. Menschen küssen sich auch, weil es Spaß macht. Und insbesondere, wenn sie sich eigentlich nicht kennen, geht es oft nur um den Spaß. Man kann ja eigentlich niemanden lieben, den man nicht kennt. Mit Sex ist es dann genauso.«