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»Stasi, CIA – eine Räuberpistole so recht nach Ihrem Geschmack, stimmt’s?«

»Auf gut Deutsch, Sie vermissen die Beweise. Kommen wir zunächst zur Stasi, nicht gerade fantasievoll, wenn es um die Kreation von Decknamen geht. Ich nehme an, Sie wissen, auf was ich anspiele, Genosse Kolberg. Um es kurz zu machen, Krokowski und ich waren so frei, einen Blick in Ihre Personalakte zu werfen. Stimmt, Oelßner, so was tut man natürlich nicht, aber da der Zweck nun einmal die Mittel heiligt, muss ich Sie bitten, über dieses fluchwürdige Vergehen hinwegzusehen. Da stehen wir also, können nicht anders und durchforsten Ihre Akte. Und was sehen unsere müden Augen? Unser allseits geschätzter Vorgesetzter stammt nicht, wie ursprünglich angenommen, aus Hannover, sondern wurde anno 28 im … Sie verstehen, worauf ich hinaus will, oder? … Genau, im beschaulichen Städtchen Kolberg in Hinterpommern geboren, von wo aus es ihn unter ungeklärten Umständen in den Westen verschlug. Würde mich nicht wundern, wenn dies nach der Gründung des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates der Fall gewesen wäre, völlig legal und mit freundlicher Unterstützung des VEB Horch, Guck und Greif. Was die Gründe für Ihre berufliche Veränderung angeht, kann man zwar nur spekulieren. Fest steht indes, dass Sie für die CIA tätig gewesen sind. Und zwar nicht erst seit gestern Nachmittag. Oder wollen Sie etwa behaupten, dass der Anruf, den Sie gestern Abend kurz vor halb neun von Ihrem Apparat aus getätigt haben, nicht an das BOB gerichtet war? Sie sehen, Oelßner, Krokowski und ich haben unsere Hausaufgaben gemacht, weder Kosten, noch Mühen und schon gar nicht die Recherche bei der zuständigen Dame von der Fernmeldebehörde gescheut, damit wir etwas gegen Sie in die Hand bekommen. Stichhaltige Beweise sozusagen. Damit Ihnen die Lust auf jedwede Sperenzchen von vornherein vergeht.«

»Und was haben Sie jetzt vor, Sydow? Mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen?«

»Wenn ich ehrlich bin, hätte ich große Lust dazu!«, konterte Sydow, urplötzlich wie verwandelt, und sprang mit hochroter Miene auf. »Etwas anderes haben Sie auch nicht verdient. Da ich Ihrer Dienste aber noch bedarf, werde ich davon absehen, von meinem Schießprügel Gebrauch zu machen.«

»Dienste? Wie darf ich das verstehen?«

»Kein Wunder, dass Sie so dämlich aus der Wäsche gucken«, spottete Sydow, durchmaß den Raum und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. »An Ihrer Stelle würde mir der Hintern jetzt auch auf Grundeis gehen. Zumal Sie sich hier in Berlin nirgendwo mehr blicken lassen können. Es sei denn, Sie haben vor, mit einer Schlinge um den Hals rumzulaufen. Schöne Aussichten, was? Aber keine Sorge. Als wahre Menschenfreunde haben mein Freund Krokowski und ich uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie werden Ihre helle Freunde daran haben, das kann ich Ihnen versprechen.«

»Rache an einem Wehrlosen – keine Kunst.«

Sydow krümmte sich vor Lachen. »Da haben Sie recht, Oelßner. Was das betrifft, sind Ihre Ex-Kollegen in der Normannenstraße wesentlich einfallsreicher als wir.«

Kreidebleich im Gesicht, wirbelte Oelßner herum, öffnete den Mund und starrte seinen Gegenspieler mit angsterfüllter Miene an.

Sydow ließ ihn jedoch nicht zu Wort kommen. »Normannenstraße«, wiederholte er, »Sie haben richtig gehört. Ich muss nicht extra betonen, dass die Rückkehr in Ihre angestammte Heimat die einzige Chance für Sie ist, Ihren Kopf zu retten. Und für Ihre Mitstreiter natürlich auch.«

»Das … das können Sie doch nicht machen.«

»Und ob ich das kann. Aber keine Angst. Was mich betrifft, werden die dortigen Genossen nichts von Ihrer Nebenbeschäftigung erfahren. Ist mir egal, welchen Bären Sie denen aufbinden. Apropos Bär, Oelßner. Selbstverständlich ist der Polizeipräsident über die geplante Aktion im Bilde und würde Sie und die übrigen Genossen lieber heute als morgen loswerden. Kann ich verstehen. Ganz schön peinlich, wenn herauskäme, wer sich im Lauf der Jahre so alles bei der Kripo getummelt hat.«

»Und wo ist der Haken? Sie machen das doch nicht ohne Grund.«

Anstelle einer Antwort, auf die sein Widersacher mit versteinertem Gesichtsausdruck wartete, wandte sich Sydow nach rechts, wo sich ein mit Akten, juristischen Handbüchern und Zeitschriften vollgestopftes Regal befand, trat ganz nahe an einen Leitzordner heran und sagte: »Mikro aus, Kroko.« Und dann, mit ein paar Sekunden Verspätung: »Was es jetzt zu besprechen gibt, geht nur mich und Herrn Oelßner etwas an.«

32

Hyannis Port, Massachusetts

| 03.10 h Ortszeit (09.10 h Berliner Zeit)

Eine Minute Dauerklingeln. Schriller, als man es sich überhaupt vorstellen konnte. Stille. Eine weitere Minute, vorsichtig geschätzt. Abermalige Stille, begleitet von infernalischem Schädelbrummen. Und dann, quasi als Zugabe, das Ganze noch einmal von vorn. Ausgerechnet jetzt, ein paar Sekunden nach dem Einschlafen, wo er doch gehofft hatte, in Ruhe seinen Rausch ausschlafen zu können.

Mit einem Wort – die perfekte Tortur.

Verkatert wie noch nie, ächzte Andy Peterson, stellvertretender Stabschef des Präsidenten der USA, wie unter Schmerzen auf, begrub seinen Brummschädel unter dem Kissen und nahm sich vor, das Läuten des Telefons zu ignorieren. Dies schlug jedoch fehl, zum einen, weil der unbekannte Anrufer nicht aufgab, zum anderen, weil es sich bei dem trinkfesten Sohn eines schwedischen Vaters und einer Lettin aus Riga um einen der loyalsten Weggefährten Kennedys handelte. Der Gedanke, er werde gebraucht, ließ ihm keine Ruhe, und so wälzte sich der sechs Fuß und fünf Inch große und 112 Kilo schwere Hüne auf den Bauch, hechelte wie ein Marathonläufer und machte den Versuch, nach dem Hörer zu greifen. Bis er ihn endlich zu fassen bekam, verstrich eine volle Minute, genug Zeit, um sich und seinen ausgeprägten Hang zu harten Drinks gleich mehrfach zu verfluchen.

Doch dann, nach mehreren vergeblichen Versuchen, hatte er es endlich geschafft. »Ja?«, krächzte Andris alias Andy Peterson, die Augen zugepresst und so benommen, als ob er von Cassius Clay persönlich ausgeknockt worden wäre. »Was … was zum Henker ist denn eigentlich los?«

Zu mehr war das baltische Kraftpaket nicht imstande, aller Trinkfestigkeit zum Trotz.

»Guten Morgen, Andris. Na, gut geschlafen?«

Den Hörer am Ohr und einen Geschmack im Mund, von dem ihm noch schlechter wurde, als dies ohnehin der Fall war, rang Peterson nach Worten, kam jedoch über ein unartikuliertes Lallen nicht hinaus. Die Stimme kam ihm bekannt vor, zumindest so weit, dass er den Gedanken an etwas Dringliches oder die Aufgaben, die mit seiner Funktion als Chefkoordinator und Berater des Präsidenten zusammenhingen, getrost beiseiteschieben konnte. Wider Erwarten trug deren Klang jedoch nicht zu seiner Beruhigung bei, sondern sorgte für das genaue Gegenteil. Gerade eben noch halb in Trance, schlug Peterson die Decke zurück, ließ die Beine über die Bettkante gleiten und richtete sich langsam auf, begleitet von der trügerischen Hoffnung, Opfer von Halluzinationen oder Hirngespinsten geworden zu sein.

Doch weit gefehlt. Da war etwas an dieser Stimme, das ihn aufhorchen ließ, etwas, das die Nachwirkungen der Zechtour, welche er und ein paar Agenten vom Secret Service durch die Bars, Hafenkneipen und den Jachtclub von Hyannis Port unternommen hatten, auf ein Mindestmaß reduzierte. »Geht so«, murmelte Andy Peterson, kurz nach Kriegsende aus seiner Heimat geflüchtetes Mitglied einer lettischen Untergrundorganisation, welche nach der Vertreibung der deutschen Besatzer und der Eroberung Rigas durch die Rote Armee ins Fadenkreuz des sowjetischen NKWD geraten und ohne Rücksicht auf den Blutzoll, den sie geleistet hatte, zerschlagen worden war. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«