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Maxim Gorki

Kinder der Sonne

Drama in vier Aufzügen

Djetji solnza Szeny

1905

Übersetzung aus dem Russischen von Alexander v. Huhn

Personen

Páwel Fjódorowitsch Protássow.

Lísa, dessen Schwester.

Jeléna Nikolájewna, Protássows Gattin

Dimítrij Sergéjewitsch Wágin.

Bóris Nikolájewitsch Tschepurnói.

Melánija, dessen Schwester

Nasár Awdéjewitsch.

Míscha, dessen Sohn.

Jegór, Schlosser.

Awdótja, dessen Frau.

Jákow Tróschin.

Antónowna, Protassows und Lisas frühere Kinderfrau.

Fíma | Dienstmädchen.

Lúscha |

Román, Portier.

Ein Arzt.

Erster Aufzug

Ein altes, herrschaftliches Haus; großes, halbdunkles Zimmer. Links in der Wand ein Fenster und eine Tür, die auf eine Veranda führt. In der Ecke zur linken Seite des Zimmers führt eine Treppe in das obere Stockwerk, wo Lisa wohnt. Im Hintergrunde sieht man durch einen Türbogen in das Speisezimmer. Aus der rechten Ecke des Zimmers mündet eine Tür in das Zimmer Jelenas. Bücherschränke, schwere, altertümliche Möbel, auf den Tischen Bücher in wertvollen Ausgaben. Auf einem der Bücherschränke eine weiße Büste. Am Fenster links ein großer runder Tisch, vor dem Protassow sitzt, in einer Broschüre blättert und dabei auf eine kleine Spirituslampe blickt, über der irgendeine Flüssigkeit kocht. Auf der Terrasse unter dem Fenster macht sich Roman zu schaffen, wobei er dumpf und eintönig ein Lied singt. Durch diesen Gesang fühlt sich Protassow belästigt.

Protassow:  Hören Sie mal, Portier!

Roman  durchs Fenster:  Was soll's?

Protassow:  Wie wäre es, wenn sie fortgingen … ja?

Roman:  Wohin?

Protassow:  Na, überhaupt … Sie stören mich …

Roman:  Der Wirt hat's befohlen … Du mußt das ausbessern, hat er gesagt.

Antonowna  tritt aus dem Speisezimmer heraus:  Der Schmutzfink … hierher mußt du damit kommen?

Protassow:  Schweig, Alte!

Antonowna:  Hast wohl nicht Platz genug in deinen Zimmern?

Protassow:  Bitte, geh nicht hinein; ich hab dort alles vollgedampft.

Antonowna:  Und hier machst du alles voll Kohlendunst … Laß mich wenigstens die Tür öffnen.

Protassow  eifrig:  Nicht nötig, nicht nötig! Ach du … Alte! … Ich habe dich doch nicht darum gebeten … Sag du dem Portier, daß er fortgehen soll … er brummt immer so vor sich hin.

Antonowna  zum Fenster hin:  Was treibst du dich hier herum? Mach, daß du fortkommst!

Roman:  Warum? … Der Wirt hat's befohlen …

Antonowna:  Schon gut, kannst es auch später machen …

Roman:  Na, meinetwegen … Entfernt sich brummend.

Antonowna  mürrisch:  Ersticken wirst du noch eines schönen Tages! … Und dabei heißt es, wir haben die Cholera hier … Du willst ein Generalssohn sein, und womit beschäftigst du dich! Nur unangenehme Gerüche verbreitest du!

Protassow:  Warte nur, Alte! … Ich werde auch noch einmal General! …

Antonowna:  Du? - Du kommst noch mal auf die Landstraße. Das ganze Haus hast du mit deiner Chemie und deiner Physiognomik verstänkert.

Protassow:  Nicht mit der Physiognomik, sondern mit der Physik … Im übrigen laß mich gefälligst in Ruhe …

Antonowna:  Da … Jegor ist gekommen …

Protassow:  Ruf ihn her …

Antonowna:  Väterchen, sprich du doch mit dem Lumpen und frage ihn, was er anstellt. Warum er gestern seine Frau bis aufs Blut geprügelt hat?

Protassow:  Gut … ich werde mit ihm sprechen … Lisa steigt, ohne gehört zu werden, die Treppe herab, bleibt vor dem Schrank stehen und öffnet ihn geräuschlos.

Antonowna:  Sag ihm: Du Jegor, du kriegst es mit mir zu tun, wenn …

Protassow:  Ich werde ihm schon bange machen, da kannst du ganz unbesorgt sein, aber jetzt geh! …

Antonowna:  Streng muß man sein. Du sprichst mit allen diesen Leuten, als wären sie Herrschaften …

Protassow:  Genug, Alte! … Ist Jelena zu Hause?

Antonowna:  Noch nicht. Sie ist nach dem Frühstück zu Wagin gegangen und hat sich nicht wieder sehen lassen … Paß mal auf, du wirst noch deine Frau verträumen …

Protassow:  Laß diese dummen Redensarten, Alte, sonst werd ich böse.

Lisa:  Alte, du störst Pawel bei der Arbeit …

Protassow:  Ach, du bist hier; nun, was gibt's?

Lisa:  Nichts …

Antonowna:  Lisonjka, du mußt jetzt deine Milch trinken.

Lisa:  Ich weiß es …

Antonowna:  Was Jelena Nikolajewna betrifft, so muß ich doch sagen, ich an ihrer Stelle hätte längst mit einem anderen angebändelt … Die Frau wird von dir vernachlässigt, das ist ganz klar … Den Brei hast du gegessen, die Schale wirfst du nun fort … Kinder sind auch keine da, wie soll eine Frau noch Freude am Leben haben?! Nun, daß sie und …

Protassow:  Alte! … Ich fange an, böse zu werden … Hinaus! So ein … Waschweib!

Antonowna:  Nun, nun! Nur nicht gleich so wild … vergiß den Jegor nicht! Entfernt sich.  Lisonjka, die Milch steht im Speisezimmer … Hast du deine Tropfen genommen?

Lisa:  Ja, ja!

Antonowna:  Nun gut … Geht ins Speisezimmer.

Protassow  ihr nachblickend:  Merkwürdige Alte! Unsterblich wie die Dummheit … und ebenso lästig … Wie steht's mit deiner Gesundheit, Lisa?

Lisa:  Gut.

Protassow:  Das ist ja herrlich! Trällernd.  Das ist herrlich … das ist schön …

Lisa:  Weißt du, recht hat die Alte doch.

Protassow:  Das bezweifle ich. Die Alten haben selten recht … Die Wahrheit ist bei den Kindern … Sieh mal, Lisa: , hier habe ich gewöhnliche Hefe …

Lisa:  Die Alte hat recht, wenn sie sagt, daß du dich zu wenig um Jelena kümmerst …

Protassow  betrübt, milde:  Wie ihr mich immer stört, du und die alte! Ist Jelena denn stumm? Sie könnte es mir doch selbst sagen … wenn ich irgendwie … wenn ich irgendwie … wenn irgendwas … nicht so ist, wie es sein sollte … und … überhaupt … aber sie schweigt ja! …Um was handelt es sich? Was ist los? Aus dem Speisezimmer tritt Jegor ins Zimmer. Er ist ein wenig angetrunken.  Ah, da ist ja Jegor. Guten Tag, Jegor!

Jegor:  Wünsch Ihnen gute Gesundheit!

Protassow:  Ich will Ihnen sagen, um was es sich handelt, Jegor. Es muß ein kleiner Tiegel angefertigt werden … mit einem starken, kegelförmigen Deckel. Oben muß eine kreisförmige Öffnung angebracht werden, aus der eine Röhre emporsteigt … verstehen Sie?

Jegor:  Ich verstehe. Das kann man schon machen.

Protassow:  Ich habe hier eine Zeichnung … wo ist sie gleich? Kommen Sie, bitte, mal her … Geht mit Jegor ins Speisezimmer. An der Verandatür klopft Tschepurnoi. Lisa öffnet die Tür.

Tschepurnoi:  Ah, zu Hause? Guten Tag!

Lisa:  Guten Tag …

Tschepurnoi  rümpft die Nase:  Auch der Kollege ist zu Hause, wie ich an diesem Geruch merke …

Lisa:  Woher kommen sie?

Tschepurnoi:  Ich komme von der Praxis. Dem Hündchen der Frau des Kameralhofdirektors hat das Dienstmädchen das Schwänzchen zwischen die Tür geklemmt, und so habe ich denn den Hundeschwanz verbinden müssen, Dafür habe ich drei Goldfüchse erhalten, hier sind sie! Ich wollte Ihnen schon Bonbons kaufen, aber es fiel mir ein: vielleicht ist es nicht ganz schicklich, Ihnen Süßigkeiten für Hundegeld zu kaufen, und - da ließ ich's bleiben.

Lisa:  Und Sie haben recht daran getan … Nehmen Sie Platz …

Tschepurnoi:  Übrigens herrscht hier ein Geruch - von sehr zweifelhafter Annehmlichkeit. Es kocht schon, Kollege!