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Edmond Hamilton

Kinder der Sonne

Alles im alten Haus schien genauso zu sein wie damals, bevor er hinaus ins All ging.

Unglaublich, dachte Hugh Kellard, in der Vorhalle stehend und die stille, sonnenhelle Umgebung betrachtend, wie wenig sich verändert hatte. Das Leben war jetzt nicht mehr da, all die Leute und Stimmen, das Kommen und Gehen, als sein Großvater noch lebte und er zu Besuch gekommen war. Aber das lag lange Zeit zurück, und er war überrascht, daß so viel unberührt geblieben war.

Wie eine Reise in die Vergangenheit, dachte Kellard, an diesen Ort der Erde zurückzukehren.

Er war müde, körperlich und geistig und seelisch, und er blieb eine Weile lang stehen, einfach vor sich hinstarrend. Der Bevollmächtigte, der sich um die alte Liegenschaft kümmerte, hatte ihn eingelassen, war dann weggegangen, und im ganzen Haus war jetzt kein Geräusch zu hören. Er betrat das Wohnzimmer, wo der Schreibtisch seines Großvaters noch immer vor einem Fenster stand und blickte hinaus. Das Fenster ging nach Norden, wo sich vor ihm Küstenkliffe die Morro Bay entlang zum Big Sur erstreckten. Der Pazifik schäumte und brauste um die riesigen Felsbrocken unter den Kliffen, und die Hügel dahinter, düster jetzt mit einem Anflug von Herbst, bahnten sich mit breiten Schultern einen Weg nach Osten. Alles sah so einsam aus wie immer: kein Haus in Sicht außer diesem grauen, verwitterten Haus, das seit über hundert Jahren der Seebrise und dem Seenebel die Stirn bot.

Kellard ging in die Vorhalle zurück. An ihren Wänden hingen noch immer die kunstvoll gerahmten Familienfotos, die sein Großvater hartnäckig an ihrem Platz gelassen hatte: sein Urgroßvater, eine Großtante und all die andern, zurück bis in die finsteren Ecken. Sie waren noch da, nichts im Haus war angerührt worden, wie es sein Großvater gewünscht hatte. Behaltet das alte Haus, hatte er gesagt. Irgendein Mitglied der Familie wird eines Tages zurückkehren.

Der alte Mann hatte recht gehabt, dachte er. Einer der Familie war wirklich zurückgekommen, einer, der so weit hinausgezogen war wie vielleicht kein anderer auf Erden.

„Aber das ist endgültig vorbei“, sagte er sich. „Hier bin ich nun, und hier werde ich bleiben. Schluß mit dem All.“

* * *

Er begann durch die Räume zu wandern, öffnete Fenster, um Licht und Luft hereinzulassen. Die Einrichtungsgegenstände waren abgenutzt und altmodisch, aber nicht verstaubt. Der Bevollmächtigte hatte darauf geachtet, daß nichts Schaden litt.

Kellard wählte sich eines der großen Schlafzimmer im ersten Stock aus und brachte dann Decken und Kisten und Gepäck vom Wagen herein. Er ging in einen Raum und schaltete das Kraftwerk ein, wobei er sich erinnerte, wie sehr sein Großvater dagegen gewesen war und wie sehr er dem Werk mißtraut hatte, wie eigensinnig er sich geweigert hatte, eines anzuschaffen, bis die elektrischen Drähte alle verschwunden gewesen waren und es keine andere Möglichkeit gegeben hatte, Energie zu bekommen.

Er überprüfte die Heizanlage und die Kühlkammer, schob Schachteln mit Nahrungsmitteln in die letztere, sah sich dann um und überlegte, was als nächstes zu tun sei.

Im stillen Haus stehend, fragte er sich plötzlich, ob es nicht dumm von ihm gewesen war, alles aufzugeben und zurück zur Erde, zurück an diesen Ort zu kommen.

Nein, dachte er heftig. Merkur war der Schluß. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Schwamm drüber.

Rasch ging er aus dem Haus und machte einen Spaziergang. Schon nach kurzer Zeit war der schwere Druck in seinem Kopf, die schwermütige Stimmung zurückgegangen und das neu entdeckte Interesse an den alten Dingen um ihn herum erwacht.

Sein Weg führte ihn über die Straße, vorbei an verwahrlosten Stallungen und sanft ansteigende Weiden hinauf, wo sein Großvater einst die edlen Pferde gehalten hatte, die er züchtete. Dann wurde der Hang steiler, er war zwischen den Föhren drinnen, den würzigen Geruch von Harz in tiefen Zügen einatmend. Diesen Geruch hatte er nie vergessen, und einmal war ihm ein entfernt ähnlicher Geruch begegnet, weit weg von der Erde…

Denk nicht mehr daran, Kellard

Die Bäume nahmen ihn auf, und er wanderte über einen Boden, der gesprenkelt war von Sonnenlicht und Schatten. Ein Reh huschte durch die Föhren vor ihm, und Wachteln schreckten beinahe unter seinen Füßen auf. Er erinnerte sich an eine Waldung mit größeren Föhren weiter oben, und an einen alten Mann, der mit einem Jungen zu diesen Bäumen hinaufwanderte. Wie lange lag das schon zurück? Er war fünfzehn gewesen — und war jetzt zweiunddreißig. Vor siebzehn Jahren also. Aber er glaubte, den Platz noch finden zu können.

Er fand ihn. Die großen Föhren waren noch da, denn man brauchte heutzutage kaum noch Holz. Die dunklen Riesen standen in würdevollem Abstand voneinander, und er setzte sich nieder und lehnte sich mit dem Rücken an den wuchtigen Stamm der größten.

Seltsam, dachte er. Als ich ein Junge war, hier saß und von der Zukunft träumte und was ich unternehmen würde, stellte ich mir nie vor, daß einige Dinge unverändert bleiben würden. Meinen Träumen nach hätte die Welt irgendwie rätselhaft verwandelt werden sollen — das war aber nicht der Fall. Dieser Baum stand da, als die ersten Menschen am Mond landeten, am Mars, auf der Venus und den anderen Planeten, aber das wußte er nicht, deswegen veränderte er sich nicht.

* * *

Kellard blieb lange so sitzen, noch immer sehr müde, wie in einem Trancezustand. Er saß und hörte das ferne, unruhige Gemurmel der See, bis die Strahlen der untergehenden Sonne seine Augen blendeten. Da stand er auf und stieg wieder hinunter zum Haus. Er wärmte sich ein Essen, setzte sich dann auf die Veranda vor dem Haus und beobachtete die Sonne, die zur riesigen, goldenen Fläche des Pazifik hinuntersank. Er dachte an den kleinen Fleck nahe der Sonne, den er jetzt nicht sehen konnte, an die kleine Welt und die eigenartige Stelle darauf, an der Morse und Binetti gestorben waren.

Das Telefon läutete.

Kellard rührte sich nicht, und es läutete immer wieder.

Macht nur weiter und läutet euch zu Tode, dachte er. Ihr bekommt mich nicht zurück. Ich sagte es euch. Ich bin fertig damit.

Das Läuten hörte auf. Die Sonne ging unter, und die Dunkelheit brach herein mit unzähligen flimmernden Sternen, und es war kein Laut zu hören außer den grollenden Stimmen, die vom Meer hereindrangen. Kellard starrte vor sich hin und trank.

Er stand auf, als der Nebel aufzukommen begann. Er ging hinein und drehte das Licht an und blickte dann auf die Gesichter, die ihn aus der langen Reihe gerahmter Fotografien anstarrten.

Er hob die Flasche hoch, wie zur Begrüßung.

„Wie ihr seht, Kellards, ist euer verlorener Sohn — oder Urenkel — aus dem Weltall zurückgekehrt.“

Er trank ihnen feierlich zu und blieb weiter stehen, um die vergilbten Gesichter zu betrachten.

„Ihr wart glücklich — wißt ihr das? Damals, zu eurer Zeit, gab es noch Hoffnung und Träume, die Straße der Menschheit würde weiterführen von Triumph zu Triumph, für immer. Aber diese Straße war eine Sackgasse — von Anfang an, auch wenn ich der einzige bin, der es weiß.“

Die Gesichter blickten unverändert zurück, aber er sah Vorwurf in ihren unentwegten Blicken, ihren Zügen.

„Tut mir leid“, sagte Kellard. „Ihr hattet eure eigenen Sorgen, ich weiß. Ich entschuldige mich, Kellards. Ich bin sehr müde und ein wenig betrunken, und ich werde zu Bett gehen.“

* * *

Am nächsten Morgen bereitete er sich eben seinen Kaffee, als der altmodische Klopfer an der Haustür anschlug. Eine gewisse Spannung bemächtigte sich Kellards. Er hatte erwartet, daß sie jemand schicken würden.