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6 Uhr 30.

Leonard hat das letzte Stückchen von seinem Wolkenkratzer verzehrt, hat keine Lust mehr, mit Schiffen zu werfen, und langweilt sich. Als die Panzerwagen die East 79th Street herabrumpeln und ihre Geschütze richten, als die SAC- Bomben aus dem geheimen Waffenlager geholt werden, richtet sich das Baby auf und watet ins Meer hinaus.

6 Uhr 34.

Das Baby hat das tiefe Wasser erreicht. SAC-Flieger berichten, daß Leonard glücklich auf den Wellen dahintreibt. Er geht nicht unter, weil er so fett ist. Zum Frühstück hat er einen Wal verzehrt.

Dr. Freibourg trifft am Schauplatz des Geschehens ein. »Ich habe das Gegenmittel gefunden, und ich habe auch eine ausreichende Dosis zur Verfügung.«

»Es wäre immer noch zu wenig«, sagt Dilys Freibourg, »und es ist auch zu spät.«

»Aber unser Baby…«

»Er ist kein Baby mehr. Begriffe wie Alter und Zeit spielen in seinem Fall keine Rolle.«

Die Polizeichefs diskutieren über verschiedene Möglichkeiten.

»Wir sollten uns um ihn kümmern.«

»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte Mrs. Freibourg.

Der Oberste Befehlshaber sieht die Mutter und dann seine Untergebenen an. »Jetzt ist er ohnehin schon in internationalen Gewässern.«

Die Beamten wechseln erleichterte Blicke.

»Dann ist das ja nicht mehr unser Problem.«

Dr. Freibourg blickt schuldbewußt aufs Meer hinaus. »Ich frage mich nur, was aus ihm werden wird.«

»Wohin immer er auch geht, mein Herz wird mit ihm gehen«, sagt seine Frau. »Aber ich habe Angst, daß das viele Salzwasser seiner Haut schaden wird.«

DIE SCHÖNHEIT UND DIE BESTIE

von Henry Kuttner

Jared Kirth entdeckte den Meteor, als er unter den Fichten lag und zu den Sternen aufblickte. Er war schläfrig, und der Schlafsack, der seinen schlanken Körper umhüllte, war weich und warm.

Kirth war sehr zufrieden mit sich selbst. Zum Abendessen hatte er sich eine Forelle gefangen, und er hatte noch eine Woche Ferien. Und so lag er reglos unter den Fichten, beobachtete den Nachthimmel, und der Meteor glitt in einem weißglühenden Bogen durch die Atmosphäre.

Aber bevor er aus Kirths Blickfeld verschwand, schien sich der schimmernde Himmelskörper zu drehen. Das war seltsam – und noch seltsamer war die Form des Dings: ein langgestrecktes Ei. Kirth erinnerte sich vage, daß Meteore manchmal wertvolle Erze enthalten, und er prägte sich die Stelle ein, wo der flammende Blitz hinter einem Bergrücken verschwunden war. Am nächsten Morgen packte er seine Anglerausrüstung zusammen und machte sich auf den Weg in jene Richtung.

Nach einer Stunde fand er das Wrack des Raumschiffs. Es lag zwischen hohen Fichten, ein zerbrochener Riese. Infolge der Hitzeentwicklung bei der Luftreibung war der Rumpf an vielen Stellen geschmolzen.

Kirths schmale Lippen preßten sich zusammen, als er auf das Raumschiff blickte. Er erinnerte sich, daß vor zwei Monaten ein Mann namens Jay Arden die Erde verlassen hatte und zum ersten interplanetarischen Flug aufgebrochen war.

Arden war im Weltraum verschwunden. Das hatten die Zeitungen berichtet. Aber nun war sein Raumschiff offensichtlich zur Erde zurückgekehrt. Kirths mageres, von grauen Bartstoppeln bedecktes Gesicht verzerrte sich vor Aufregung, als er in die Senke hinablief, in der das Wrack lag. Er ging um das Raumschiff herum, stolperte über Felsbrocken und fluchte ein paarmal, bis er die Einstiegsluke fand. Das Metall ringsum war geschmolzen, und er konnte die Luke nicht öffnen. Die graue Masse widerstand auch seinen Axthieben. Kirths Neugier wuchs.

Er begann das Wrack genauer zu inspizieren. Die Sonne, die nun über der östlichen Bergkette aufging, enthüllte ihm einen Faktor, den er bisher übersehen hatte. Das Raumschiff hatte auch Fenster, runde Oberlichter, die durch den Schmelzvorgang so verformt waren, daß sie nun genauso undurchsichtig waren wie das graue Metall. Aber sie waren unverkennbar aus Glas oder aus einem ähnlichen Material.

Es war kein gewöhnliches Glas. Es zerbrach nicht unter Kirths Axthieben. Aber ein kleiner Splitter löste sich, und Kirth hämmerte weiterhin auf das undurchsichtige Material ein, bis ein kleines Loch entstanden war. Dämpfe entwichen aus dem Loch, übelriechende Dämpfe. Kirth trat ein paar Schritte zurück und wartete.

Dann nahm er seine Arbeit wieder auf. Aus irgendeinem Grund ließ sich das Glas nun leichter zerbrechen. Es dauerte nicht lange, bis Kirth ein Loch hineingeschlagen hatte, das so groß war, daß er seinen schmalen Körper hindurchzwängen konnte. Als er im Inneren des Raumschiffs angelangt war, zog er seine kleine Taschenlampe aus dem Hosenbund und ließ den Lichtstrahl umherwandern.

Das Schiff hatte nur einen einzigen Innenraum, der sich in einem chaotischen Zustand befand. Zahllose Wrackteile lagen auf dem Boden verstreut. Aber die stinkenden Dämpfe waren entwichen, und nirgends waren Anzeichen einer Gefahr zu erkennen.

So sah also ein Raumschiff von innen aus. Kirth erkannte den Raum nach den Zeitungsfotos wieder, die er vor ein paar Monaten gesehen hatte. Ende 1982 war das Schiff neu und vollkommen gewesen, ein schöner Vogel aus glänzendem Metall. Und nun war es ein häßliches Wrack. Die Kontrollvorrichtungen waren hoffnungslos zerstört. Metalleimer und Kanister lagen auf dem Boden umher, die abgebrochenen Haken an den Wänden verrieten, wo sie gehangen hatten. Und zwischen all den Trümmern lag auch die Leiche Jay Ardens.

Kirth nahm eine sinnlose Untersuchung des Mannes vor. Arden war tot. Seine Haut war blau verfärbt, das Genick gebrochen. Rings um die Leiche lagen ein paar in Zellstoff gewickelte Päckchen verstreut, die offenbar aus einem zerbrochenen Kanister gefallen waren. Kirth wickelte eines der Päckchen aus und hielt einen durchsichtigen Umschlag in der Hand, in dem kleine schwarze Gegenstände steckten, kleiner als Erbsen. Sie sahen wie Samenkörner aus.

Aus einer von Ardens Taschen sah ein Notizbuch hervor. Als Kirth es herauszog, fiel gleichzeitig ein Päckchen auf den Boden. Kirth zögerte, dann legte er das Notizbuch beiseite und öffnete das Paket.

Etwas fiel in seine flache Hand, und sein Atem stockte.

Es war ein Edelstein. Oval, groß wie ein Ei. Im Licht der Taschenlampe funkelte das Juwel strahlend hell. An sich hatte es keine Farbe, und doch schien es alle Regenbogenfarben in sich zu vereinen. Sicher war es so kostbar, daß viele Männer ihr Leben dafür wagen würden. Es war unbeschreiblich schön – und es war nicht von dieser Welt.

Endlich gelang es Kirth, seinen Blick von dem funkelnden Ei loszureißen.

Er schlug das Notizbuch auf. Das Licht war schwach, und so ging er zu der zerbrochenen Luke. Arden hatte offenbar kein richtiges Tagebuch geführt, sondern sich nur kurze Notizen gemacht. Kirth stellte fest, daß ein paar Seiten herausgerissen waren. Als er das Büchlein hin und her drehte, fielen ein paar Fotos heraus. Aufgeregt hob er sie auf und betrachtete sie.

Die Schnappschüsse waren unscharf, aber gewisse Einzelheiten waren deutlich zu erkennen. Ein Foto zeigte einen dicken Barren mit abgerundeten Enden, der sich weiß vor einem schwarzen Hintergrund abzeichnete. Das war ein Bild des Planeten Venus, in einem fernen Teil des Weltraums aufgenommen, was Kirth allerdings nicht wußte. Er sah sich die anderen Fotos an.

Ruinen, grotesk geformt, fremdartig in ihren Konturen, Steinformationen vor einem dunklen Hintergrund. Doch ein Gegenstand war unverkennbar – das Raumschiff. Kirth blinzelte verwirrt.

Denn das große Schiff wirkte zwergenhaft klein neben den gigantischen Ruinen. Die monströsen Steingebilde, Überreste einer fremden alten Stadt, waren höher als der Tempel von Karnak. So unscharf die Fotos auch waren, sie gaben Kirth doch eine ungefähre Vorstellung von der gewaltigen Größe der Strukturen. Er stellte auch fest, daß die Bauten nicht mit irdischen zu vergleichen waren. Nirgends schien es Treppen zu geben, nur geneigte Flächen. Außerdem fiel ihm eine gewisse Grobschlächtigkeit in der Bauweise auf. Keine künstlerische Absicht war zu erkennen, wie sie sogar in den frühesten ägyptischen Bauwerken so deutlich spürbar ist.