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Fast alle anderen Fotos zeigten ähnliche Szenerien – alle bis auf eines, das Bild eines Blumenfelds. Verwundert drehte Kirth es hin und her. Solche Blumen hatte er noch nie gesehen. Obwohl es nur eine Schwarzweißaufnahme war, erkannte er doch, daß die Blüten ungewöhnlich schön waren – von einer bizarren, überirdischen Schönheit.

Kirth begann in dem Notizbuch zu blättern. Viel war den unvollständigen Aufzeichnungen nicht zu entnehmen, aber doch immerhin etwas.

»Die Venus scheint ein toter Planet zu sein«, las er. »Man kann die Atmosphäre einatmen, aber offenbar existiert auf diesem Planeten nur pflanzliches Leben. Die Blumen, die wie Orchideen aussehen, wachsen überall. Der Boden unter ihnen ist übersät mit ihrem Samen. Ich habe viele Samenkörner eingesammelt…

Ich habe das Juwel in einer der Ruinen gefunden und noch eine andere Entdeckung gemacht. Auf der Venus muß einmal eine intelligente Rasse gelebt haben. Die Ruinen selbst weisen darauf hin. Aber die neblige, feuchte Atmosphäre und der ewige Regen haben vermutlich alle Schriften, die diese Rasse hinterlassen hat, längst zerstört. Zumindest glaubte ich das bis zu diesem Morgen, als ich in einer unterirdischen Kammer ein Basrelief fand, halb im Schlamm vergraben.

Ich brauchte zwei Stunden, um den Schmutz abzuwischen, und auch dann war noch nicht viel zu sehen. Aber die Bilder sind aufschlußreicher, als es irgendwelche Schriftzeichen der alten Venus-Sprache sein könnten. Ich erkenne auf einigen Bildern ganz deutlich den Stein wieder, den ich gefunden habe. Offenbar hat es früher viele solcher künstlich hergestellter Juwelen gegeben. Und vermutlich hatten sie außer ihrem materiellen Wert noch eine andere Bedeutung.

So unglaublich es scheinen mag – es sind Eier. Wenn ich die Basreliefs richtig interpretiere, schlüpfen unter der richtig dosierten Einwirkung von Hitze und Sonnenlicht Lebewesen aus diesen Eiern…«

Kirth fand noch weitere Aufzeichnungen in dem Notizbuch, aber sie waren technischer Natur und interessierten ihn nicht. Nur eine einzige Eintragung war noch wichtig, denn aus ihr ging hervor, daß Arden ein detailliertes Tagebuch geführt hatte. Kirth durchsuchte das ganze Raumschiff, und schließlich fand er das Tagebuch. Aber es war völlig verkohlt, und die Aufzeichnungen waren unleserlich.

Er inspizierte die diversen Behälter. Einige waren leer, andere waren mit Asche gefüllt und verströmten einen unangenehmen Brandgeruch, als er sie öffnete. Anscheinend hatte Arden von seinem Flug durch den Weltraum nichts weiter mitgebracht als das Juwel und die Samenkörner.

Jared Kirth war zwar nicht auf den Kopf gefallen, aber auch nicht intelligent im eigentlichen Sinn des Wortes. Er war auf einer Farm in New England geboren worden und hatte sich mühsam und beharrlich nach oben gekämpft, wobei er stets bestrebt gewesen war, seine Rechte wahrzunehmen. Nun besaß er ein paar Farmen und einen kleinen Dorfladen und konnte sich einmal im Jahr einen kurzen Urlaub leisten.

In diesem Jahr hatten ihn weder seine Frau noch seine Tochter begleitet, als er zum Angeln in die Berge gefahren war. Er war ein hochgewachsener, hagerer, grauhaariger Mann von fünfzig Jahren, mit kalten Augen und schmalen Lippen, die meist verkniffen zusammengepreßt waren, als müsse er sich ständig gegen irgend etwas zur Wehr setzen.

In Anbetracht seines bisherigen Lebensweges und seiner Wesenszüge ist es kaum verwunderlich, daß Kirth sich nun überlegte, wie er seine Entdeckung zu seinem Vorteil nutzen konnte. Er wußte, daß für das Raumschiff kein Finderlohn zu erwarten war, denn man nahm an, daß es im luftlosen Raum verlorengegangen war und nie mehr zur Erde zurückkehren würde. Wenn er irgendwelche Schätze an Bord gefunden hätte, so hätte er sie mit dem Recht des Finders für sich beansprucht. Und da er außer den Samenkörnern und dem Juwel nichts weiter gefunden hatte, steckte er beides in die Tasche und verließ das Wrack.

Da das Raumschiff in einer unbewohnten Wildnis abgestürzt war, würde man es nicht so bald finden. Kirth hatte auch Ardens Notizbuch mitgenommen, um es bei passender Gelegenheit zu vernichten. Obwohl er skeptisch war, dachte er immer wieder an Ardens Behauptung, das Juwel sei ein Ei. Für einen Mann, der mehrere Farmen besaß, ergab sich daraus nur eine einzige Schlußfolgerung: Wenn man das Ei ausbrütete, konnte man vielleicht ein interessantes Ergebnis erzielen – möglicherweise sogar einen gewissen Profit.

Kirth beschloß seine Ferien vorzeitig zu beenden. Zwei Tage später kam er zu Hause an. Aber dort blieb er nicht, sondern er übersiedelte auf eine seiner Farmen, und diesmal nahm er Frau und Tochter mit.

Hitze und Sonnenlicht… Ein elektrisch erwärmter Brutkasten ohne Deckel war die logische Lösung. Nachts bestrahlte Kirth das Ei mit einer Sonnenlampe. Geduldig wartete er.

Sicher stellte auch das Ei an sich einen gewissen Wert dar. Vielleicht hätte er es teuer an irgendeinen Juwelier verkaufen können. Aber er hatte andere und, wie er glaubte, bessere Pläne. Die Samenkörner von der Venus hatte er bereits gesät.

Und in dem seltsamen Juwel begann sich fremdes Leben zu regen. Hitze erwärmte das Ei – eine Hitze, die auf der düsteren, verregneten Venus nicht mehr existierte. Sonnenenergie wirkte auf das Juwel ein, im Verein mit kosmischen und anderen Strahlen, die seit Äonen keinen Zugang mehr zur Venus gefunden hatten, weil ihnen eine Wolkenschicht den Weg versperrt hatte. Und diese geballten Energien bahnten sich einen Weg in das Herz des Juwels und setzten dort gewisse Kräfte in Bewegung. Leben entstand – verbunden mit einem dumpfen Bewußtsein.

Und da lag der Besucher aus einer anderen Welt auf dem schmutzigen Stroh eines Brutkastens. Vor unbekannten Zeitaltern war er geschaffen worden, zu einem bestimmten Zweck. War vernichtet worden – und nun ins Leben zurückgekehrt.

Kirth sah zu, wie das sonderbare Wesen aus dem Ei schlüpfte. Zu Mittag stand er vor dem Brutkasten, nagte an seiner alten Pfeife, kratzte sich die grauen Stoppeln am Kinn. Seine Tochter hatte sich zu ihm gesellt, ein mageres Mädchen von dreizehn Jahren mit fahler Haut und blondem Haar.

»Das ist kein Ei, Pa«, sagte sie mit ihrer hohen, nasalen Stimme. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß da irgendwas rauskommt.«

»Sei still! Geh mir nicht auf die Nerven. Ich… He! Schau doch! Da!«

Das Juwel lag flammend hell auf dem Stroh. Durstig schien es das Sonnenlicht aufzusaugen. Der schleierartige Schein, der es seit einiger Zeit umgab, pulsierte, wurde schwächer, pulsierte noch einmal – dann wurde er größer, immer größer und heller, bildete eine dichte Wolke, die das Ei verbarg. Ein leises, klirrendes Geräusch erklang, kaum vernehmbar.

Der graue Nebel löste sich auf. Das Ei war verschwunden. An seiner Stelle lag eine graue, bebende Kugel im Stroh.

»Das ist kein Huhn«, sagte das Mädchen und riß die Augen auf. »Pa…« Sie brach ab, denn plötzlich war ihre Kehle wie zugeschnürt vor Angst.

»Sei still!« sagte Kirth noch einmal. Er bückte sich und tippte das graue Ding vorsichtig mit einem Finger an. Es schien sich auseinanderzuringeln, und dann saß ein winziges Wesen im Stroh, das wie eine Eidechse aussah. Es öffnete das kleine Maul, um die warme Luft tief einzuatmen.

»Verdammt will ich sein«, sagte Kirth langsam. »Eine schäbige kleine Eidechse.« Er hatte ein Gefühl, als läge ihm ein Bleiklumpen im Magen. Das Juwel hätte er zu einem guten Preis verkaufen können. Aber was sollte er mit diesem Vieh anfangen? Wer würde sich dafür interessieren?

Es sah immerhin recht sonderbar aus, wie ein Miniatur-Känguruh. So eine Eidechse hatte Kirth noch nie gesehen. Nun, vielleicht konnte er das Tierchen doch verkaufen.