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Er stand da, mit gespreizten Beinen, auf den Stufen vor dem Tor, blickte hinab auf die Menge, in die blutigen Gesichter, und sein Armstumpf schlug gegen die weiche, unbehaarte Brust, über die sich die Linie der Kugeleinschüsse wie ein blutrotes Band zog. Und er schrie mit einer Donnerstimme, die wie das Gebrüll eines brünftigen Stiers klang: »Ich bin Nicholas Svadin!«

Und in einem grausigen, spöttischen Echo piepsten ihm die zehn Zwergmonstren nach: »Ich bin Nicholas Svadin!«

Heinrich Sturm hing in meinen Armen und starrte auf das Wesen, dessen Sklave er gewesen war, und seine alten Lippen flüsterten fünf Worte, bevor ihm der Kopf auf die Brust sank, bevor er sein Leben aushauchte. Der rote Jim Donegan hörte die fünf Worte und schrie sie in die Welt hinaus.

Auch Svadin hörte sie, und wenn sein Totengesicht Gefühle ausdrücken konnte, so spiegelte es jetzt Angst wider. Die dicken roten Lippen teilten sich zu einem Grinsen des Grauens, über großen gelben Fängen.

»Verbrennt ihn! Feuer ist rein!«

Ich warf mir Heinrich Sturms Leiche über die Schulter und trat zur Seite, wich dem Mob aus, der die Stufen des Palastes stürmte, angeführt von Jim Donegan.

Svadins Spreizfüße trommelten über den Boden der großen Halle, und seine Höllenbrut stolperte ihm nach.

Doch dann holte die Menge sie ein, und ich hörte, wie sich die Fäuste in das weiche Fleisch bohrten, hörte den vielstimmigen Wutschrei des Mobs.

Sie rissen die kleinen Ungeheuer in Stücke, aber sie lebten immer noch. Sie fesselten das Ding, das Svadin gewesen war, und schleppten es in den Hof. Es wand sich, krümmte sich, doch es gelang ihm nicht, sich zu befreien.

Auf einem großen Platz in Budapest errichteten sie einen Scheiterhaufen, und als die Flammen hoch aufloderten, warfen sie Svadin hinein, ihn und seine Höllenbrut. Mit gierigen Augen sahen sie zu, wie das Feuer die Monstren verzehrte. In jedem Menschen steckt ein Tier, wenn er von Furcht und Haß erfüllt ist. Und noch in später Nacht, als Svadin und sein Gezücht längst zu Asche zerfallen waren, rannte der wahnsinnige Mob schreiend durch die Straßen, plünderte, tötete, brandschatzte.

Als Svadin gestorben war, regierten vier Männer die Welt.

Und auch heute regieren vier Männer die Welt – eine Welt, die besser ist als an jenem Tag, wo Svadin sich von seinem Totenbett erhoben hat, eine Welt, die von seiner unmenschlichen Tyrannei befreit ist. Moorehead, Nasuki, Rasmussen und Corregio.

Der rote Jim Donegan und ich und noch etwa hundert andere Männer werden als Helden gefeiert, nur an den alten Heinrich Wilhelm Sturm denkt kaum jemand, und wenn, so widerfährt ihm nicht die Ehre, die ihm gebühren würde. Die Menschen hatten ihn zu lange mit Nicholas Svadin identifiziert, um ihn lieben zu können.

Doch wir haben Sturm viel zu verdanken. Was wir von Svadin und anderen Dingen wissen, hat er im Lauf der Jahre erarbeitet. Langsam, aber unbeirrt hatte er seine Informationen zusammengetragen, in mühevoller Kleinarbeit.

Er hatte Donegan gewisse Dinge erzählt, bevor Svadin mißtrauisch geworden war und den Tod des Amerikaners angeordnet hatte. Es war Heinrich Sturms Barmherzigkeit zu verdanken, daß er keine Kugel und kein Messer in den Bauch bekam – oder noch Schlimmeres erdulden mußte. Während seiner Kontakte mit dem Abschaum der dekadenten europäischen Königshöfe hatte Svadin perverse Neigungen entwickelt, unter anderem eine blutrünstige Lust an Folterqualen.

»Alles, was ich weiß, habe ich von Sturm erfahren«, sagt Donegan. »Der alte Mann war ziemlich schlau, und was er nicht wußte, hat er erraten. Ich glaube, er hat richtig geraten. Zuerst blieb er aus Neugier bei Svadin. Und dann wußte er zuviel, um ungestraft entkommen zu können.

Es muß irgendwelche Lebenskeime geben. Das hat Sturm behauptet. Vor vielen Jahren lebte ein Schwede namens Arrhenius. Er glaubte, daß das Leben von Planet zu Planet wandert, in Form von Keimen, die so klein sind, daß das Licht sie durch den Weltraum stoßen kann. Er erklärte, daß dieser Keimstaub von Farnen, Moosen und Pilzen stammt, und winzige Dinge wie Bakterien können auf diese Weise von einer Welt zur anderen reisen. Und er nahm auch an, daß es Keime reinen Lebens gibt, die da draußen im Raum zwischen den Sternen umherfliegen. Und wann immer sie auf einen Planeten fallen, entsteht dort Leben.

Sturm hat behauptet, daß dies auch hier auf der Erde geschehen sei. Drei Keime sind auf unsere Welt gefallen – innerhalb kurzer Zeit. Einer fiel ins Meer, und daraus entwickelte sich jenes Meereswesen, das hauptsächlich aus einem Komplex von Molekülen bestand, aus Molekülen kolloidalen Wassers und Salzen aus dem Meeresschleim, in den jener Keim eindrang. Es konnte wachsen, indem es sich von Meereswasser ernährte, aber es brauchte auch Salze, um seinem Verfall entgegenzuwirken, brauchte organische Lebensmittel. Deshalb griff es die Städte an, wo es genug zu fressen fand.

Der zweite Keim fiel auf Quarz, vielleicht auf irgendeine Art von kolloidalem Gelee, wie man es manchmal in hartem Gestein findet. Jener Quarz war von Goldadern durchzogen, und jener seltsame Brei, den ich damals sah, war das Ding, das sich aus dem zweiten Keim entwickelt hat. Die Indianer glaubten, einer ihrer alten Götter sei zu neuem Leben erwacht, der Gott des Goldes und des Kristalls. Svadin tötete ihn mittels einer Radiumverbindung, die er entdeckt hatte.

Der dritte Keim fiel auf Svadin und erweckte ihn zu seinem zweiten Leben. Er war kein richtiger Mensch, aber er sah wie ein Mensch aus. Er hatte Erinnerungen an sein erstes Leben, ähnliche Charakterzüge wie früher, aber mit der Zeit wurden alle Ähnlichkeiten von anderen Dingen verdrängt.

Er erwachte zum Leben – aber um am Leben zu bleiben, mußte er anders werden als die anderen Menschen. In seinen Adern hatte er kein Blut, sondern eine Einbalsamierungsflüssigkeit. Er hatte Wachs auf der Haut, verwendete auch noch andere Hilfsmittel und mußte sie immer wieder erneuern, so wie wir Nahrung zu uns nehmen, um unsere Zellen zu erneuern. Wenn er sich veränderte, so geschah das auf die gleiche Weise, wie Tote sich verändern. Aber er konnte schärfer und logischer denken als alle Lebenden zusammen. Er mußte lernen, wie ein Mensch sich benimmt, und er hatte ein paar willige Lehrer, die ihm das Gute genauso beibrachten wie das Schlechte.

Jene anderen beiden Dinge wuchsen, als sie sich ernährten, und so wuchs auch Svadin, aber er war komplexer gebaut als das Ding aus dem Meer und der goldene Gott. Während sie wuchsen, vermehrte er sich, wie die einfachsten Lebewesen, die sich fortpflanzen, indem sie sich verdoppeln. Er war wie eine Hydra, wie eine Pflanze – aber er war kein Mensch. Vielleicht hast du es auch bemerkt. Ein paar von diesen Monstren, die entstanden waren, nachdem er seinen Arm in Rio verloren hatte, hatten auch nur einen Arm. In gewisser Weise waren sie alle Svadin. Du weißt ja, daß sie sich an jenem Tag vor dem Tor des Palastes auch .Svadin’ nannten, nachdem er geschrien hatte: ,Ich bin Svadin!’»

Schweiß perlte auf Donegans gebräuntem Gesicht, als er sich an jenen schrecklichen Tag erinnerte, und ich sah die Vision, die wohl auch vor seinem geistigen Auge stand – zehn Miniatur-Svadins, die wuchsen und sich vermehrten, wie Svadin es getan hatte, die Erde mit einer grausigen Rasse bevölkerten, die das Menschengeschlecht verspottete…

Donegan griff nach der Flasche, die neben seinem Ellbogen stand.

»Die Natur und das Universum – überall fliegen Keime umher, aus denen Leben entsteht. Vielleicht ist so etwas, wie wir es eben erlebt haben, schon einmal auf Erden passiert. Vielleicht wird es wieder passieren. Vielleicht sind unser menschliches Leben und alle anderen irdischen Lebensformen auf diese Weise entstanden, vor vielen Millionen Jahren. Vielleicht war die Welt früher von Monstern bewohnt, die einander töteten, so wie Svadin das Ding aus dem Meer und den goldenen Gott getötet hat.