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Wänden des Zimmers herunter - eine Notleiter lag griffbereit unterm Bett - und im Handumdrehen war alles hergerichtet. Nach einer Woche intensiven Übens bewältigten wir die ganze Arbeit vom Ausruf „Morris" über das aufgehängte Bild bis zur Verwischung sämtlicher Spuren in knapp zweieinhalb Minuten. An einem Samstag kündigte uns Onkel Morris nun seinen Besuch an. Da er erst am Nachmittag kommen wollte, hatten wir genügend Zeit zur Vorbereitung. Wir beschlossen, das Beste aus der Sache herauszuholen. Ich stellte rechts und links in schrägem Winkel zum Gemälde zwei Scheinwerfer auf, die ich mit rotem, grünem und gelbem Cellophanpapier verkleidete. Meine Frau besteckte den Goldrahmen mit erlesenen Blumen und Blüten. Und als wir dann noch das Scheinwerferlicht einschalteten, konnten wir feststellen, daß kein Grauen diesem hier gleichkäme. Pünktlich um fünf Uhr ging die Türglocke. Während meine Frau sich anschickte, Onkel Morris liebevoll zu empfangen, richtete ich den einen Scheinwerfer auf die weidenden Ziegen und den anderen auf die waschenden Mütter. Dann öffnete sich die Tür. Dr. Perlmutter, einer der wichtigsten Männer im Ministerium für Kultur, trat mit seiner Frau ein.

Dr. Perlmutter gehört zur geistigen Elite unseres Landes. Sein Geschmack ist geradezu sprichwörtlich. Seine Frau leitet eine bekannte Bildergalerie. Und diese beiden kamen jetzt herein. Einige Sekunden blieb alles still. Dann sah es aus, als würde Dr. Perlmutter in Ohnmacht fallen. Ich sagte fast tonlos: „Was für eine freudige Überraschung, bitte nehmen Sie Platz. " Dr. Perlmutter, immer noch leise schwankend, hatte seine Brille abgenommen und rieb an den Gläsern. Ich dachte mir: Die verdammten Blumen. Wenn wenigstens diese verdammten Blumen nicht auf dem gotischbarocken Goldrahmen wären. „Eine sehr hübsche Wohnung haben Sie", murmelte Frau Dr. Perlmutter. „Und so hübsche... hm... Gemälde... " Ich fühlte deutlich, wie die Schüler hinter meinem Rücken Tänze aufführten. Im übrigen vergingen die nächsten Minuten in angespannter Reglosigkeit. Die Augen unserer Gäste waren starr auf das Bild gerichtet. Schließlich gelang es meiner tapferen Frau, den einen der beiden Scheinwerfer auszuschalten. Dr. Perlmutter klagte über Kopfschmerzen und verlangte ein Glas Wasser. Als meine tapfere Frau mit dem Glas Wasser aus der Küche zurückkam, schmuggelte sie mir einen kleinen Zettel mit einer Nachricht zu. Der Text lautete: „Ephraim, mach was!" ,

Entschuldigen Sie, daß wir so plötzlich bei Ihnen eindringen", sagte Frau Dr. Perlmutter mit belegter Stimme. „Aber mein Mann wollte mit Ihnen über eine Vortragsreise sprechen. " „Ja?" jauchzte ich. „Wann?"

„Keine Eile", sagte Dr. Perlmutter und erhob sich. „Die Angelegenheit ist nicht mehr so dringend. "

Es war klar, daß ich jetzt mit einer Erklärung herausrücken mußte, sonst würden uns die Perlmutters und ihre Freunde auf ewig verstoßen. Meine kleine tapfere Frau kam mir zu Hilfe: „Sie wundern sich wahrscheinlich, wie dieses Bild hergekommen ist?" flüsterte sie. Beide Perlmutters, schon an der Türe, drehten sich um: „Ja?" In diesem Augenblick kam Onkel Morris. Wir stellten ihn unseren Gästen vor und bemerkten mit großer Freude, daß sie an ihm Gefallen fanden.

„Sie wollten uns etwas über dieses... hm... über dieses Ding erzählen", mahnte Frau Dr. Perlmutter meine Frau. „Ephraim", sagte diese. „Ephraim. Bitte. "

Ich ließ meinen Blick in die Runde wandern: vom verzweifelten Gesicht meiner Frau und den versteinerten Gesichtern der Perlmutters über die Kinder im Schatten der Windmühle bis zu dem stolzgeschwellt strahlenden Onkel Morris.

Es ist ein schönes Bild", brachte ich krächzend hervor. „Es hat Atmosphäre... einen meisterhaften Pinselstrich... viel Sonne... Wir haben es von unserem Onkel hier geschenkt bekommen. " , Sie sind Sammler?" fragte Frau Dr. Perlmutter. „Sie sammeln -" „Nein, solche Sachen nicht", unterbrach Onkel Morris sie und lächelte abwehrend. „Aber die Jugend von heute - seid nicht bös, wenn ich offen bin, Kinder -, die Jugend von heute bevorzugt solche monströsen Dinger. "

„Nicht unbedingt", sagte ich mit einer Stimme, deren plötzliche Härte und Entschlossenheit mich selbst überraschte. Aber jetzt gab es kein Halten mehr. Schon hatte ich die Schere in meinen Händen. „Wir haben auch für Bilder kleineren Formats etwas übrig", meinte ich noch. Dann setzte ich die Schere am linken Flußufer an. Dieses, drei Kühe und ein Stückchen Himmel waren das erste Opfer. Als nächstes schnitt ich den Kahn und zwei Geiger aus. Dann die Windmühle. Dann ging es durcheinander. Mit heiserem Gurgeln stürzte ich mich auf das Fischernetz und stülpte es über den Priester. Die waschenden Mütter mischten sich unter die Kinder. An der Küste Amerikas herrschte Mondfinsternis.

Als ich von meiner Arbeit aufsah, waren wir allein in der Wohnung. Gut so. Und eine Viertelstunde später besaßen wir zwei-unddreißig Bilder in handlichem Format. Wir werden bald eine Galerie im Zentrum der Stadt eröffnen.

Auf dem Trockenen

An jenem denkwürdigen Montag wachten wir früh auf, schauten aus dem Fenster und riefen wie aus einem Mund: „Endlich!" Der Himmel erstrahlte in klarem, wolkenlosem Blau. Schnell sprangen die beste Ehefrau von allen und ihre Mutter aus den Betten. Sie stürzten zum Wäschekorb, in dem sich die Schmutzwäsche vieler Monate angesammelt hatte, vieler verregneter Monate. Die ganze Zeit mußten wir die Wäsche ungewaschen liegen lassen, da wir sie nicht zum Trocknen aufhängen konnten. Damit war es nun endlich vorbei. Meine Frau und die Schwiegermutter machten sich fröhlich singend an die Arbeit. Und schon nach wenigen Stunden konnten wir eine riesige Menge frisch gewaschener Wäsche in den Garten bringen, wo wir sie an Leinen, Stricken, Drähten und Kabeln zum Trocknen aufhängten. Als wir gerade damit fertig waren, begann es zu regnen. Wie war das nur möglich? Noch vor wenigen Minuten ließ sich nicht die kleinste Wolke blicken - und jetzt regnete es. Es regnete nicht nur, es goß, es schüttete, und alle dunklen Wolken des Himmels sammelten sich genau über unserem Haus. Hastig rafften wir die Wäsche wieder zusammen, rannten mit den einzelnen Bündeln in die Wohnung und legten sie in die Badewanne. Dort mußten wir bald eine Leiter zu Hilfe nehmen, denn der Wäscheberg reichte bis zur Decke. Als wir damit fertig waren, griffen wir erschöpft nach der Zeitung.

Die Wettervorhersage lautete: „In den Morgenstunden zeitweilig Bewölkung, die sich gegen Mittag aufklärt. " Damit stand für uns fest, daß Sturm und Regen mindestens drei Tage lang anhalten würden.

Wir hatten uns nicht getäuscht. Draußen fiel eintönig der Regen weiter, drinnen begann die Wäsche in der Badewanne zu gären. Am Abend roch es im ganzen Haus modrig. Da und dort tauchten an den Wänden die ersten grünlichen Schimmelpilze auf. „So geht es nicht weiter" erklärte die beste Ehefrau von allen. „Die Wäsche muß getrocknet werden, bevor sie völlig kaputt geht. " Wir zogen eine Drahtschnur durch das Wohnzimmer. Sie reichte vom Griff des rechten Fensters die Wand entlang zur Schlafzimmertür, schwang sich von dort zum Kronleuchter, glitt abwärts und über einige Gemälde zum venezianischen Wandspiegel, umging die Sitzgarnitur, wandte sich scharf nach links und endete am gegenüberliegenden

Fenster. An einigen Stellen hingen die dicht nebeneinander aufgereihten Wäschestücke so tief herab, daß wir uns nur noch kriechend fortbewegen konnten. Dabei mußten wir sorgfältig darauf achten, die aufgestellten Hitzespender nicht umzustoßen (Karbidlampen, Spirituskocher auf mittlerer Flamme und so weiter). Diese sollten das Trocknen beschleunigen. Ungefähr um vier Uhr nachmittags wurde das Haus von einem dumpfen Knall erschüttert. Im Wohnzimmer bot sich uns ein chaotisches Bild: Die Drahtschnur war gerissen, und die ganze Wäsche lag auf dem Boden. Zum Glück war sie noch naß genug, um die Lampen und Kocher zu löschen. Die beste Ehefrau von allen sagte nur: „Das werden wir gleich haben. " Wir hatten es zwar nicht gleich, aber immerhin nach zwei Stunden. Mit vereinten Kräften verteilten wir die Wäschestücke über sämtliche Tische, Stühle, Fensterbretter und Lampen. Erst als auf dem Fußboden wieder Platz war, brachen wir zusammen. Kaum lagen wir, läutete es an der Haustür.