Schwiegermama trippelte zum Fenster und lugte vorsichtig hinaus. „Doktor Zelmanowitsch ist draußen", flüsterte sie. „Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs. Mit Frau" Wir erstarrten vor Schreck und Verlegenheit. Was sollten wir nur tun? Doktor Zelmanowitsch besucht uns durchschnittlich einmal in fünf Jahren. Er hat Anspruch darauf, gebührend empfangen zu werden. Aber wo nur? Abermals faßte sich die beste Ehefrau von allen als erste: „Rasch hinaus mit dem Zeug! Mama wird mir helfen. Du hältst den Besuch so lange im Vorraum fest. " Ich ging zur Tür, öffnete und begrüßte den Obersten Richter und seine Frau herzlich und ausdauernd. Dann zeigte ich ihm einige Stilmöbel in unserem Vorzimmer. Ich redete möglichst laut, um die Geräusche des Wäschetransports vom Wohnzimmer ins Nebenzimmer zu übertönen.
Nach einer Weile äußerte Frau Zelmanowitsch den Wunsch, sich hinzusetzen.
Zum Glück hörte ich kurz darauf das vereinbarte Hustensignal meiner Frau, so daß ich die Gäste ins Wohnzimmer führen konnte. Wir nahmen in dem halbwegs aufgeräumten Raum Platz. Während meine Schwiegermutter sich erkundigte, ob Tee, Kaffee oder Kakao gewünscht werde, flüsterte mir meine Frau zu: Sie hätte die Wäsche im Nebenzimmer verstaut, natürlich ohne sie auszu-winden. Wir unterhielten uns eine Weile, aber es wollte keine rechte Stimmung aufkommen. Bald herrschte Stille, die plötzlich von einem sonderbaren Geräusch unterbrochen wurde. Wie sich herausstellte, war es Frau Zelmanowitsch, die mit den Zähnen klapperte. „Es ist ein w-w-wenig kühl in diesem Zimmer", brachte sie mühsam hervor und stand auf. Auf den unteren Partien ihres Kleides war ein großer dunkler Fleck zu sehen.
Auch die übrigen Insassen des Zimmers zitterten vor Kälte. Ich selbst machte keine Ausnahme.
„Der Feuchtigkeitsgehalt Ihres Hauses scheint sehr groß zu sein", bemerkte Doktor Zelmanowitsch und nieste mehrmals. Während ich noch versuchte, ihm zu widersprechen, geschah etwas Fürchterliches:
Aus dem Nebenzimmer rieselte Wasser unter der Tür durch. Zuerst nur fadendünn, dann immer breiter, bis es sich als kleines Bächlein über den Teppich ergoß.
Doktor Zelmanowitsch stand auf, um sich zu verabschieden. Seine Frau hatte sich ja schon früher erhoben. „Bleiben Sie doch noch ein Weilchen", stotterte die beste Ehefrau von allen und watete zur Tür, um unsere Gäste aufzuhalten. Aber sie ließen sich nicht. Sie gingen. Sie gingen ohne Gruß. Und sie werden in den nächsten Jahren wohl kaum wiederkommen. Wir Zurückgebliebenen versuchten, das Wasser aufzuhalten. Das gelang uns. Aber wie sollten wir es beseitigen? Da kam mir ein rettender Gedanke. Ich holte die Wäschestücke aus dem Nebenzimmer, tränkte sie mit dem Wasser und trug die vollgesogenen Stücke in den Garten. Dort hängte ich sie auf, obwohl es ständig weiterregnete. Früher oder später muß die Sonne ja wieder scheinen. Dann wird die Wäsche trocknen. Und dann nehmen wir sie herunter und verbrennen sie.
„Sag Schalom!"
Die Sache begann damit, daß mein Töchterchen Renana, unsere Jüngste, besonders eilfertig den Stuhl für mich zurechtrückte, kaum daß ich an den Tisch getreten war. Als nächstes erkundigte sich mein Sohn Amir, ob ich vielleicht möchte, daß er meinen Wagen wäscht. Und schließlich überraschte mich die beste Ehefrau von allen mit der Mitteilung, daß ich in letzter Zeit ein paar wirklich hervorragende Geschichten geschrieben hätte. „Nützt alles nichts", sagte ich. „Ihr bekommt keinen Papagei. " Des Übels Wurzel war, daß unser Nachbar Felix Seelig eines Tages einen Papagei nach Hause gebracht hatte, über den meine Familie in helle Begeisterung geriet. Angeblich konnte er mehrere Sprachen sprechen, konnte lachen - ein glucksendes Lachen, so ähnlich wie Graf Dracula, es ist zu komisch, Pappi -und konnte sogar „rrrr" machen wie eine richtige Weckeruhr.., „Das mit der Weckeruhr stimmt", nickte Felix Seelig, als er mir vor ein paar Tagen begegnete, schwarze Ringe unter den Augen von den vielen schlaflosen Nächten. „Wollen Sie ihn kaufen?" Ich wollte nicht, denn gestern, nach einem gemeinsamen Angriff aller meiner Lieben, hatte ich Zlobniks Tierhandlung aufgesucht und ein Prachtexemplar mit graugrünem Federkleid erworben. „Unter einer Bedingung", warnte ich den alten Zlobnik. „Das Vieh kann reden, soviel es will - aber wehe, wenn es läutet. Ich wünsche in meinem Haus keine Alarmvorrichtungen. " Zlobnik gab mir sein Ehrenwort, daß unser Papagei sich wie ein menschliches Wesen benehmen und lediglich reden würde. „Diese grauen Afrikaner sind die gescheitesten von allen", behauptete er. „Da hat mir neulich ein Polizist, mit dem ich befreundet bin, eine Geschichte erzählt, hören Sie zu. Plötzlich geht bei ihm auf der Wachstube das Telefon, er hebt ab, und der Anrufer meldet, daß soeben eine große Katze in sein Zimmer gekommen ist. Sagt mein Freund:, Na wenn schon. Das ist doch kein Grund, die Polizei anzurufen. ' Sagt die Stimme:, Für mich schon. Hier spricht der Papagei. ' Gut, was?"
Nachdem Zlobnik zu Ende gelacht hatte, gab er mir noch einige Ratschläge für die Behandlung des Papageis. Der Papagei, so schärfte er mir ein, sei ungern allein, liebe den Kontakt mit Menschen und lasse sich gern verwöhnen. Ich sollte ihm zuerst beibringen, sich auf meine Finger zu setzen, und erst dann mit dem
Sprechunterricht beginnen. Jeder Erfolg sei mit einer Erdnuß zu belohnen, empfahl Zlobnik. „Aber geben Sie acht, daß er Ihnen mit dem Schnabel nicht zu nahe kommt, der kleine Fresser!" schloß er wohlgelaunt.
Ich übernehme seine Erziehung", erbot sich mein Sohn Amir. "in spätestens einer Woche begrüßt er jeden Besucher mit einem lauten Schalom, verlaßt euch auf mich. " Gleich am nächsten Tag setzte sich Amir vor den Käfig, steckte den Finger hinein, schrie auf, weil der Papagei nach ihm gehackt hatte, zog den Finger wieder heraus und begann die erste Lektion:
Sag Schalom! Sag Schalom! Sag Schalom! Sag Schalom! Sag Schalom!... "
Wegen Platzmangel kann ich nicht den vollständigen Text des Unterrichts wiedergeben. Jedenfalls war es Amir, der nachher die Erdnüsse aß. Der Papagei hatte ihn aus glasigen Augen angestarrt, stumm wie der Goldfisch in Zlobniks Tierhandlung, und dabei blieb er. Unsere Besucher hörten von ihm weder ein Schalom noch sonst etwas. „Er ist heute nicht in der richtigen Laune", murmelten wir verlegen.
Drei Wochen lang hielt Amir durch. Wir unterstützten ihn mit Erdnüssen und Bananen, wir versuchten abwechselnd durch freundlichen Zuspruch und bittere Vorwürfe auf den Vogel einzuwirken, wir baten und schimpften, wir kitzelten ihn und kratzten ihn - ohne Erfolg. Allmählich begannen wir uns damit abzufinden, daß uns der alte Gauner Zlobnik einen taubstummen Papagei verkauft hatte.
Und dann, an jenem unvergeßlichen Morgen, als mich ein wichtiger Anruf aus dem Ausland erreichte, erklang es plötzlich laut und klar hinter mir: »Sag! Sag! Sagsagsag!... " Ich konnte kein Wort verstehen. Immer, wenn ich fragte: „Wer... « kam vom Papagei: „Sag! Sag! Sagsagsag!... " Immerhin stand jetzt fest, daß er belehrbar war, daß er sich abrichten ließ, daß er reden konnte. Amir schwor, dem verdammten Vogel das Schalom-Sagen beizubringen, oder er würde ihm alle graugrünen Federn ausreißen. Er baute in den Käfig ein Tonband ein, das dem widerspenstigen Insassen ununterbrochen das selbe Wort vorsagte: „Schalom... Schalom... Schalom... "