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»Die Sache ist notiert«, meldeten die Reporter zufrieden. »Kommen wir nun zu unserem dritten Grund, der mehr von allgemeinem Interesse ist. Wollen Sie uns bitte Ihre Eindrücke über das Hängen schildern?«

Bei diesem Ansinnen konnte Sir Toby nur schreien: »Schert euch zum Teufel!«

Aber die Vertreter der New Sydney Review und des Instantaneous waren kaum die Leute, einer solchen Aufforderung zu folgen. Zuvorkommend erklärten sie: »Nehmen Sie sich ruhig Zeit zum Überlegen, wir werden uns gedulden. Die Frage berührt ein weites Spektrum menschlicher Erfahrung, ja, ich wage zu behaupten, sie ist sogar von philosophischem Interesse. Ihre Gedanken dazu sind vollkommen authentisch. Denn wie es scheint, hatte in der Geschichte ein Gehenkter noch nie soviel Muße, über seine Impressionen zti reflektieren.«

Und da sich Allsmine in seiner ohnmächtigen Wut mit einem hartnäckigen Schweigen am besten zu wappnen glaubte, zog einer der Reporter aus seiner Tasche ein ledernes Zigarrenetui, bot erst seinem Kollegen eine Havanna an und nahm sich dann selbst eine. Friedlich pafften beide vor sich hin.

Wie groß auch immer seine Wut sein mochte, der Polizeichef begriff, daß er kapitulieren mußte.

»Meine Herren!« rief er.

Die beiden kamen sofort näher.

»Sie wünschen, Sir?«

»Auf Ihre Frage zu antworten. Aber beim Schwanze Satans, beeilen Sie sich, ich kann bald nicht mehr.«

Es war der Angestellte des Instantaneous, der die folgende Frage stellte: »Als Sie sich henken sahen, Sir, pardon – hängen, wie waren da Ihre Gedanken?«

»Unangenehm.«

»Kann ich mir denken. Aber was ich meine: Wurde Ihr Intellekt von Angst gelähmt?«

»Nein, ich war mir bewußt, daß mein Leben nicht in Gefahr war.«

Die Journalisten nickten.

»Das geht ja auch aus dem Schreiben des Korsaren hervor. Dieser Seeräuber scheint ein ehrlicher Mann zu sein«, sagten die beiden Zeitungsmänner.

Nichts war empörender für den Gehenkten als das Loblied, das diese beiden Grünschnäbel auf seinen Feind sangen. Sofort vergaß er seine erzwungene Gelassenheit und brüllte: »Er ist ein elender Schuft!«

»Pardon«, unterbrach ihn der Reporter, der die erste Frage gestellt hatte. »Er behauptet, Sie nicht Ihrer Existenz berauben zu wollen, Sie sagen das gleiche. Also ist er doch ehrlich.«

»Er ist ein Verbrecher, der zu allem fähig ist!« schrie Toby außer sich vor Wut.

»Gehen Sie, gehen Sie, Sir, ein bißchen mehr Höflichkeit. Wir können doch derart ausfallende Bemerkungen über einen ehrlichen Korsaren, der sich sogar die Mühe macht, die Presse zu informieren, nicht abdrucken.«

Allsmine biß sich auf die Lippen, um seine lästigen Frager nicht auch noch mit Beschimpfungen zu überschütten.

»Im übrigen«, so schloß der Reporter, »sind wir auch schon so gut wie am Ende unseres Gesprächs. Eine letzte Frage noch: Ist die Polizei dem rätselhaften Triplex auf der Spur?«

Man hätte wirklich vermuten können, der Frager wählte mit Absicht nur solche Fragen, die den Gehenkten am meisten in Rage bringen würden. Dennoch gab sich letzterer, dessen Glieder erbärmlich schmerzten, damit zufrieden, nur mit röchelnder Stimme zu antworten: »Nein. Bisher haben wir noch keine Hinweise.«

Als dieser Satz notiert war, ließen die Reporter Block und Stift verschwinden und wandten sich artig an Allsmine: »Wir sind Ihnen überaus verpflichtet für Ihr Entgegenkommen. Jetzt aber werden wir uns zum Parkgärtner begeben und ihn mit einer Leiter herschicken, damit Sie heruntersteigen können …«

»Nein, nein«, fiel ihnen Allsmine ins Wort. »Zu viele Leute haben mich schon gesehen; ich könnte den Anblick der Gartenarbeiter nicht ertragen.«

»Sie wünschen, daß wir die Leiter selbst herbeischaffen?«

»Wenn Sie das tun würden?«

»Wir werden es. Kommen Sie, lieber Kollege. Wir helfen Sir Toby auf den Boden der Tatsachen herab. Und dann gilt unsere Wette.«

Bald waren die jungen Reporter Allsmines Blicken auf einem Seitenpfad entschwunden …

Man kann sicher sein, daß der wider Willen Interviewte auf ihr Haupt alle Flüche angelsächsischer Deftigkeit prasseln ließ. Denn nun spürte er überall Schmerzen. In seinen abgeschnürten Gliedern stockte das Blut. Vor seinen Augen tanzten Sterne und Kreise. Die Minuten schienen ihm lang wie Jahrhunderte.

Das Geräusch von Schritten brachte ihn wieder zu sich.

»Da sind sie ja schon«, murmelte er.

Mitnichten. Der Mann, der das Rondell betrat, war ihm völlig unbekannt. Es war Armand Lavarède, der sich zu früher Stunde aus dem Bett bemüht hatte und zu dem in dem anonymen Schreiben angegebenen Treffen kam.

Der Pariser blieb beim Anblick des Galgens verblüfft stehen. Überrascht las er das Schild auf Sir Tobys Brust und murmelte: »Sir Toby Allsmine. Mein Gott! Daß die Engländer exzentrisch sind, wußte ich ja, aber nicht, bis zu welchem Grade.«

Natürlich machte diese Bemerkung den Gehenkten wieder wütend, und als sich Armand mit tiefer Verbeugung vorstellte: »Lavarède, Pariser Journalist«, nuschelte er nur unwillig: »Gehen Sie zum Teufel, Sie kommen zu spät.«

Gelassen zog der Franzose seine Uhr.

»Bitte tausendmal um Entschuldigung. Aber es ist genau sechs Uhr.«

Und wie um seine Worte zu bestätigen, schlugen die Uhren der Stadt sechs Uhr.

»Hören Sie selbst …«, fuhr er fort.

Doch Allsmine schnitt ihm das Wort ab.

»Darum handelt es sich nicht. Ich bin Opfer eines dummen Streiches geworden und rechnete mit Ihrem Kommen, bevor mein Mißgeschick in aller Munde wäre.«

»Nichts einfacher als das.«

»Zu spät. Ich sagte es schon. Zwei Reporter waren vor Ihnen da. Sie werden mich losknüpfen, aber sie werden einen sensationellen Artikel veröffentlichen.«

Lavarède lächelte.

»Bah, einen Artikel! Den kann man dementieren. Das ist Sache der Regierung.«

»Zweifellos, zweifellos«, pflichtete Allsmine bei. »Einen Artikel kann man leugnen, aber verflixt, es gibt da noch etwas anderes …«

»Etwas anderes?«

»Fotos.«

»Ich verstehe nicht.«

»Unsere Reporter haben Fotoapparate. Kurz, jeder hat eine belichtete Platte bei sich …«

»… die Sie am liebsten vernichten würden?«

»Natürlich … Aber kein Wort, da kommen sie.«

Die Vertreter der New Sydney Review und des Instantaneous betraten die Lichtung mit einer langen Doppelleiter, die sie dann gewissenhaft unter dem Galgen aufbauten.

Lavarède stellte sich vor und sagte: »Ich bin ein französischer Kollege und beglückwünsche mich genauso wie Sie zu dem ungewöhnlichen Vorfall des heutigen Morgens.«

»Ein Kollege!« riefen die Australier erfreut. »Also können wir Ihnen die Aufgabe überlassen, den Herrn Polizeichef loszuhaken. Wir müssen zu unseren Zeitungen. Sie verstehen, es geht um eine Wette …«

Armand schüttelte den Kopf.

»Zu meinem Bedauern kann ich Ihnen diesen Dienst nicht erweisen. Da ich in diesem Land ein Fremder bin, entspricht es elementarster Gepflogenheit, mich nicht in die inneren Angelegenheiten von Gerechtigkeit und Banditentum zu mischen.«

»Richtig«, erwiderten die Australier, »sehr korrekt!«

Dann klopften sie sich gegenseitig auf die Schulter.

»Die Wette muß noch ruhen. Die Leiter ist doppelt. Jeder steigt auf einer Seite hoch, und wenn Mr. Allsmine abgehängt ist, haben wir unsere Wettfreiheit wieder.«

»All right.«

Mit diesen Worten gingen die beiden zu je einer Seite der Leiter und stellten einen Fuß auf die erste Sprosse.

»Einen Augenblick, meine Herren!« rief da Lavarède.