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Aber der Bursche wies sie sanft zurück.

»Sie sind gut wie die Dame dort unten, aber Silly will nicht. Er lebt frei wie die Känguruhs in der Wüste. Er kann sich nicht daran gewöhnen, in einem Haus zu wohnen. Doch er wird sich an Sie erinnern. Es gibt Dinge, an die sich Silly immer erinnert.«

Vor soviel Hartnäckigkeit gaben die Damen auf. Gegen zehn Uhr machte sich der Kleine, nachdem er sich an exzellentem Tee, Sandwichs, Eiern im Glas und Obst gütlich getan hatte, wieder auf den Weg zum Hafen. Herzlich drückte er Armands Hand, hauchte einen Kuß auf Auretts und Lotias Fingerspitzen und verließ das Appartement, ohne daß unsere drei Reisenden versucht hätten, ihn zurückzuhalten.

»Das ist ein wilder Vogel«, sagte Lotia bei seinem Weggang, »der Käfig würde ihn umbringen.«

Lavarède und seine Begleiterinnen beschlossen, einen Stadtbummel zu machen, als ein unerwarteter Vorfall ihren Entschluß änderte.

Als Armand die Taschen seiner Jacke nach seinem Zigarrenetui durchsuchte, hielt er plötzlich einen mehrfach gefalteten Zettel in Händen. Er betrachtete ihn und rief: »Ha! Eine neue Epistel meines geheimnisvollen Korrespondenten!«

Mit diesen Worten präsentierte er seiner Frau die Botschaft, auf deren Rückseite eine Inschrift keinerlei Zweifel ließ, für wen sie bestimmt war: »Monsieur Armand Lavarède, französischer Journalist.«

»Dieselbe Schrift!« rief Aurett.

»In der Tat«, bestätigte Lotia. »Mein Gott, die erste Botschaft hat so gute Resultate gehabt, daß wir der zweiten nicht mißtrauen werden. Lesen Sie, Monsieur Lavarède, lesen Sie, ich bitte Sie.«

Die zierliche Ägypterin sprach aus, was alle dachten. Und so beeilte sich der Pariser, folgendes zu Gehör zu bringen:

Gentleman,

Sie wünschen Ihren ehrenwerten Cousin Robert Lavarède wiederzusehen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo er sich befindet, aber ich möchte die Unruhe der jungen Dame besänftigen, die ihn liebt. Er ist nicht in Gefahr und arbeitet daran, ihr endlich seinen Namen, der nicht mehr entehrt sein wird, anzutragen. Sie können ihm dabei tatkräftig helfen. Sie waren glücklich genug, Sir Toby aus einer peinlichen Situation herauszuhelfen; er wird sich Ihnen erkenntlich zeigen müssen. Bitten Sie ihn, den Ägypter Niari aus dem Verlies freizulassen, in dem er schmachtet – aus Broken Bay. Auf diesem Wege werden Sie einen Zeugen gewinnen, der überaus nützlich sein kann.

Ihr ergebener Korsar Triplex

Die Reisenden ergingen sich in Ausrufen des Erstaunens. Diese rätselhafte Korrespondenz mit einem Unbekannten grenzte schon ans Phantastische, denn durch welche geheimen Mittel auch immer – dieser Mann war stets über ihre geheimsten Gedanken informiert.

Aber weshalb interessierte sich diese Person für den Erfolg ihrer Nachforschungen? Welche Verbindung kettete sie an diesen Korsaren, von dem alle Welt sprach, den freilich noch nie jemand gesehen hatte?

Die Fragezeichen häuften sich, die Warum hörten nicht auf, ohne daß ihnen das entsprechende Weil folgte.

Als erster fand Armand seine Kaltblütigkeit wieder.

»Meine lieben Freundinnen«, sagte er zu seinen Begleiterinnen, »eine Sache scheint mir sonnenklar. Monsieur Triplex gehört zu unseren Freunden, jedenfalls handelt er zumindest dementsprechend. Als ich mich an seine erste Nachricht hielt, habe ich mir Verdienste um das Wohlergehen des obersten Pazifikpolizisten erworben. Es ist also nur folgerichtig, wenn ich seiner neuerlichen Einladung nachkomme. Seid ihr auch dieser Meinung?«

»Oh, ich könnte mir nichts sehnlicher wünschen!« rief Lotia schwärmerisch, und ihr Teint rötete sich bei dem Gedanken, ihren Geliebten am Leben und seine Existenz nicht bedroht zu wissen. Die Augen niederschlagend, fügte sie hinzu: »Ich bitte um Pardon, vor Mistreß Aurett so gesprochen zu haben, aber ihr werdet zweifellos verstehen, daß der Gedanke …, das Gefühl …«

Sie stammelte und verlor den Faden ihres Gedankens. Aurett kam ihr mit ihrem freundlichen Lächeln zu Hilfe.

»Entschuldigen Sie sich nicht, Lotia«, sagte sie. »Sie wissen, ich würde nicht anders denken. Als ich weiland meinen Mann bei seiner kurzweiligen Reise um die ganze Welt begleitete, habe ich am eigenen Leib erfahren, daß man mehrere Kilometer in den Beinen haben muß, um einen Lavarède endlich vor den Traualtar zu kriegen. Das ist eine Familie von Wandervögeln.«

»Ohne jedoch fliegen zu können«, sagte der Journalist.

»Pardon, denken Sie an den Zwischenfall mit dem Fesselballon, liebster Gatte?« Und entschieden fügte sie hinzu: »Nun, Monsieur Ehemann, Sie werden gebeten, sich unverzüglich zu dem Monsieur Obersten Dingsbums der Polizei zu begeben und ihm Triplex’ Gesuch zu präsentieren.«

Ohne weiteres Zögern machte sich Lavarède auf den Weg in die Paramata Street.

Der Wächter vor Sir Tobys Tür hatte am Morgen Armand in Begleitung seines Meisters gesehen und ließ ersteren ohne pförtnerische Umständlichkeit eintreten, er begnügte sich mir damit, sein Kommen mittels einer elektrischen Klingel anzuzeigen. Wenig später führte ein Dienstbote den Besucher in ein kleines, dem Schreibbüro benachbartes Zimmer, in dem Allsmine arbeitete.

Beim Eintritt des Franzosen erhob sich der Polizeichef lebhaft und schüttelte Armand die Hand.

»Entzückt, Sie zu sehen, Mr. Lavarède, ich bitte Sie, nehmen Sie Platz. Ich rechnete nicht damit, Sie innerhalb so kurzer Zeit schon wiederzusehen.«

»Ich hätte auch nicht gewagt, Sie zu stören«, entgegnete der Journalist, »wenn der Grund nicht so ernst wäre.«

»Und dieser Grund wäre?«

»Nehmen Sie ihn selbst zur Kenntnis.«

Mit diesen Worten reichte er seinem Gegenüber den Brief von Korsar Triplex.

Toby las ihn langsam, zweifellos wollte er sich Zeit zum Überlegen lassen, denn sein Gegner warf ihm da einen schweren Brocken zu, der schwierig zu verdauen war – das heißt, er mußte eine glaubwürdige Antwort für Lavarède finden. Mit gespielter Offenheit erklärte er dann: »Bei meiner Ehre, Verehrtester, ich muß Ihnen gestehen, daß Ihr Korrespondent besser unterrichtet ist als ich – vorausgesetzt, die Information stimmt. Aber ich will nichts unversucht lassen, Sie zufriedenzustellen. Ich schlage Ihnen folgendes vor. Kommen Sie morgen früh gegen acht Uhr zu mir. Ich werde mit gesattelten Pferden auf Sie warten, und wir werden uns gemeinsam nach Fort Broken Bay begeben, ein einfacher Spazierritt von etwa zwanzig Kilometern. Wir werden uns die Gefangenen zeigen lassen, und wenn dieser Niari, für den Sie sich interessieren, unter einem anderen Namen zufällig infolge eines Deliktes, das von einem meiner Untergebenen verfolgt wurde, dort inhaftiert sein sollte, so verpflichte ich mich, ihn unverzüglich in Ihre Hände zu geben.«

Der Ton des Polizisten war so überzeugend, sein Gesichtsausdruck so wohlwollend, daß Lavarède auf die falsche Freundlichkeit hereinfiel. Er dankte ihm wärmstens für die versprochene Hilfe und zog sich dann diskret zurück, nicht ohne zuvor noch versichert zu haben, am nächsten Morgen pünktlich zu sein. Er hatte schon den Türgriff in der Hand, als ihn Allsmine zurückhielt.

»Apropos«, sagte er, »haben Sie keinen Verdacht, wer Ihnen dieses Schreiben zugesteckt hat, das mir die Ehre Ihres Besuches beschert?«

»Meiner Treu, nein. Ich habe es in der Tasche meiner Weste gefunden.«

»Sie hatten diese Weste heute morgen an?«

»Nein, nein. Warten Sie, ich bin mit dem kleinen Silly zu mir gegangen …«

Bei der Erwähnung dieses Namens lief ein Zucken über Tobys Gesicht.

»Silly«, wiederholte er.

»Oh!« sagte der Pariser unbefangen, »das Kind kann man kaum beschuldigen, denn es rechnete gar nicht damit, ins Hotel zu kommen. Ich selbst habe ihn aus Mitleid zu einem guten Frühstück eingeladen.«