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Es oblag Lord Steam in seiner Eigenschaft als Präsident, als erster das Schweigen zu brechen.

»Hm, hm, glauben Sie nicht«, fragte er, »daß dieses Schriftstück das Werk eines Irren ist?«

»Das denken wir auch«, versicherten Helix und Torpedo.

»All right! Sie vermuten also genauso wie ich, daß wir es als bedeutungslos ansehen sollten?«

»Jawohl, Sir.«

»Darüber hinaus datiert dieser Brief vom 11. Mai. Wir haben inzwischen den 14. August. Die drei Monate, von denen der Briefschreiber spricht, sind verstrichen.«

»In der Tat!«

Zufrieden schrieb der Präsident mit blauer Tinte quer über das Blatt den in solchen Fällen üblichen Satz: »Nach einstimmiger Meinung der Anwesenden als gegenstandslos zu betrachten.« Er hatte diesen Satz eben vollendet und wollte ihn dick unterstreichen, als Simmy, der Bote, erneut die Tür aufriß und den Raum betrat. Auf seinem Samtkissen lagen mehrere Papiere.

»Kabelgramme«, sagte er bloß.

Er legte drei Depeschen auf den Tisch und zog sich zurück.

Die Mienen der Anwesenden drückten Erstaunen aus. Zum zweitenmal war die Sitzung unterbrochen worden – ein Ereignis, das in den Annalen der Kommission B bisher beispiellos war.

Sie vergaßen ihr britisches Phlegma und streckten alle drei die Hand nach den Depeschen aus. Jeder nahm sich eine, überflog sie und fuhr erschreckt auf. Aus den Mündern der drei Gentlemen erklang der gleiche Ausruf: »Ohhh!«

»Doch nicht völlig verrückt, dieser Triplex«, murmelte Lord Steam.

»Nein, nicht völlig«, bestätigten Helix und Torpedo und nickten.

Überrascht schaute der Präsident die beiden an. Wie konnten sie ihm denn beipflichten, da doch nur er allein mit eigenen Augen das Kabelgramm gelesen hatte. Doch da bemerkte er in den Händen der beiden ebenfalls Papier und schlug sich vor die Stirn.

»Depesche in dreifacher Ausfertigung, verstehe.«

»Zweifellos.«

»Drei …, also höchste Dringlichkeitsstufe.«

»Datiert von gestern, 13. August.«

»Exakt.«

»Aufgegeben in Wickham, Provinz Queensland, Australien.«

»Sie irren sich«, unterbrach Baronet Helix. »Die Depesche kommt aus Essington in Britisch-Kolumbien, Kanada.«

»Was? Was sagen Sie?« rief der Präsident erstaunt.

Aber da fiel Sir Torpedo ein: »Ich sage, Sie irren sich beide. Der Absender ist Singapur.«

»Sehen Sie doch selbst … Wickham.«

»Und da: Essington.«

»Singapur ist deutlich zu erkennen.«

Die drei Männer hatten sich erhoben. Sie schwenkten aufgeregt und verwirrt die Kabelgramme.

»Verstehen Sie das?« stotterte der Präsident.

Die anderen schienen entnervt.

»Ich weiß nicht.«

»Es ist doch unmöglich, daß sich ein Mensch am selben Tag zur selben Zeit an drei Orten befinden kann, die meilenweit voneinander entfernt liegen.«

»Faktisch unmöglich.«

»Dennoch sind die Depeschen offiziell.«

»Sie enthalten präzise Tatsachen.«

»Ruhe, meine verehrten Kollegen, Ruhe, versuchen wir in dem Durcheinander klaren Kopf zu behalten …«

Und der Präsident nahm die Papiere, die die Kommission derart verwirrten, an sich und sagte mit fester Stimme: »Ich werde sie noch einmal laut vorlesen.«

Er setzte sich in seinen Sessel und las: »Erstes Kabeclass="underline" ›Wickham, Queensland, 13. August – Garnison abwesend wegen Manöver – Banditen haben Fort Wickham gesprengt – Auf den Trümmern Karte gefunden mit folgender Aufschrift: Triplex, Korsar (seit dem 11.)‹.«

Nach kurzer Zeit griff Lord Steam zu dem zweiten Papier.

»Zweites Kabeclass="underline" ›Essington, Dominion, 13. August – Garnison abwesend wegen Jagd – Banditen haben Fort Essington gesprengt – Auf Ruinen Karte gefunden mit Aufschrift: Triplex, Korsar (seit dem 11.)‹.«

Nach einer neuerlichen Pause las Sir Torpedo das letzte Kabel vor.

»Drittes Kabeclass="underline" ›Singapur, Niederlassung von Malakka, 13. August – Garnison abwesend wegen Überwachung der Fischereigebiete – Banditen haben Posten Herlang in Brand gesteckt – Auf verkohlten Trümmern mit Malaiendolch befestigte Karte gefunden: Triplex, Korsar (seit dem 11.)‹.«

Langsam legte der Präsident die letzte Depesche zu den übrigen, kreuzte die Arme vor der Brust und fragte: »Was sollen wir tun?«

Die anderen hoben die Arme zur Zimmerdecke.

»Was sollen wir tun? Das frag ich mich auch.«

»Außerordentlich delikat«, ließ sich Lord Steam vernehmen.

»Ganz außerordentlich.«

»Wir können nichts tun.«

»Das ist wahr.«

»Trotzdem müssen wir etwas tun.«

»Das ist nicht nur wahr, das ist sogar unsere Pflicht.«

»Also …, was tun?«

Die Engländer betrachteten sich finster wie drei Auguren.

Plötzlich zuckte es über Sir Torpedos sanguinisches Gesicht.

»Es gibt jemanden, der auf dem laufenden ist.«

»Wer denn?« fragten die anderen verblüfft.

»Sir Toby Allsmine, der in dem Brief erwähnt wird.«

»Das ist richtig.«

»Geben wir ihm Anweisungen. Er ist zweimal im Spiel. Als Angeklagter dieses allgegenwärtigen Korsaren und dann als Oberster Chef der Pazifikpolizei.«

Die Kommission war beruhigt. Torpedo hatte recht. Die Admiralität konnte ihre Zeit nicht damit vergeuden, das Rätsel zu erahnen – das war die Pflicht des verantwortlichen Beamten für das Wohlergehen der britischen Besitzungen auf den Antipoden.

Und ohne Verzug wurden Brief und Depeschen in einen Umschlag gesteckt und an Sir Allsmine geschickt, natürlich mit dem formellen Hinweis, den Abenteurer, der gewagt hatte, Hand an die britische Flagge zu legen, tot oder lebendig dingfest zu machen.

Zweites Kapitel

Der Chef der Pazifikpolizei

»Hallo, hallo! Zentrale der Polizei von Sydney?«

…!

»Wer ist am Telefon?«

…!

»Ah ja, Mr. Mathewby, Chef der fünften Sektion. Hier ein Befehl von Sir Toby Allsmine. Sie begeben sich nach Little Rock zum Haus Sonder und beschlagnahmen die Folman-Prismengläser und nehmen Folman selbst fest. Haben Sie verstanden?«

…!

»Gut. Auf Wiederhören.«

Und damit legte der Sprecher den Hörer auf. Er war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, mittelgroß und von angenehmer Erscheinung, obwohl sein Rückgrat eine ausgeprägte Krümmung aufwies, die alle schlecht erzogenen Leute dazu verführte, Mr. James Pack, den persönlichen Sekretär von Sir Toby Allsmine, als »Buckligen« zu bezeichnen. Dabei waren die Gesichtszüge von James so einnehmend, die blauen Augen so strahlend und zärtlich, sein Schnurrbart und sein Haar so seidenweich, daß die jungen Damen von Sydney äußerst gern mit der unschuldigsten Freimütigkeit angelsächsischer Convenance bemerkten: »Wollen Sie mich heiraten?«

Und der so Angesprochene antwortete auf derlei Anerbieten stets: »Ich bin entzückt, aber die Zeit ist noch nicht gekommen.«

Und in der Tat, in der weiten, mit Glas überdachten Halle, die zum besonderen Domizil von Sir Allsmine gehörte, hatte der junge Mann inmitten von Telefonen, Telegrafen, Fernschreibern und akustischen Trichtern, die die Wände bedeckten und den Raum mit der Polizeizentrale verbanden, darüber hinaus jedoch auch mit der Welt, kaum Muße, ans Heiraten zu denken.

Den ganzen Tag über und manchmal auch nachts stand er in Verbindung mit den über die Küsten des Pazifischen Ozeans verteilten Agenten, empfing Berichte, übermittelte Instruktionen, wachte über das perfekte Funktionieren des komplizierten Räderwerks, das in diesem Teil der Welt – wie in den übrigen auch – die Überlegenheit Englands sicherte.