Выбрать главу

»Es käme also eher jemand in Betracht, der zum Personal des Hauses gehört?«

»Das schiene mir wahrscheinlicher.«

»Letztlich unerheblich. Wir werden morgen weitersehen.«

Mit diesen Worten verabschiedete er Lavarède, der die Tür hinter sich zuschnappen ließ. Hätte er jedoch die Idee gehabt, durchs Schlüsselloch zu schauen, als die Tür ins Schloß gefallen war, dann wäre er über die Haltung Allsmines wohl mehr als erstaunt gewesen.

Der Beamte, der seinen Zorn bisher gezügelt hatte, ließ diesem nun freien Lauf. Wütend trommelte er mit den Fäusten auf dem Schreibtisch herum; seine Augen funkelten, und aus seinem Mund kamen röchelnde Laute, die von kurzen, abgehackten Beschimpfungen unterbrochen waren: »Dieser Silly … Kein Zweifel …, steckt mittendrin … Genieß nur deine letzten Tage, Kleiner …« Und etwas ruhiger fügte er hinzu: »Bald habe ich dich und deine Komplizen dazu. Das ist ein Duell auf Leben und Tod. Wer sind die Leute, die mein Leben kennen? Das muß ich rauskriegen, dann kann ich sie stumm machen. Dove ist sehr geschickt …, er wird Silly überwachen. Heute, spätestens morgen habe ich das Ende des Knäuels in Händen. Und wenn ich es habe, dann finde ich auch das andere Ende.« Plötzlich schlug er mit der Faust wieder wütend auf den Schreibtisch und brüllte: »Und dieser Gimpel von einem Franzosen, der sich einbildet, ich würde ihm Niari rausrücken … Ha! Ich werde doch nicht die Interessen Englands in Ägypten aufs Spiel setzen. Dieser Rotweinschlucker! Morgen gibt es keinen Niari mehr in Broken Bay. Ich werde ihn woandershin verlegen.«

Mit einer ungeduldigen Bewegung drückte er auf einen Knopf. Fast augenblicklich öffnete sich die Tür, und James Pack erschien.

»Sie?« rief Sir Toby überrascht. »Ich dachte, Sie seien im Bett.«

Der Sekretär schüttelte den Kopf.

»Dort war ich auch, aber dann kam mir der Gedanke, daß Sie mich nach den Ereignissen der vorhergehenden Nacht vielleicht doch brauchten. Ein Dampfbad und eine Massage haben mir zehn Stunden Schlaf ersetzt, und nun bin ich frisch für Ihre Befehle.«

»Sie haben weise gehandelt«, erwiderte Sir Toby, »denn ich brauche Sie tatsächlich. Triplex ist wieder zugange, er hat Mr. Lavarède davon in Kenntnis gesetzt, daß der Ägypter Niari in Broken Bay inhaftiert ist.«

»Nicht möglich!« James Pack tat erstaunt.

»Doch, doch; der Beweis ist ja, daß Mr. Lavarède eben von mir weggegangen ist.«

»Sie haben geleugnet?«

»Völlig. Ich habe diesem Weltenbummler sogar vorgeschlagen, morgen mit mir nach Broken Bay zu kommen und sich selbst zu überzeugen …«

James murmelte: »Nicht möglich …, begreife ich nicht.« Dann schlug er sich vor die Stirn. »Oh, ich bitte um Verzeihung«, sagte er laut. »Sie wollen den Gefangenen verlegen lassen.«

»In das Gefängnis von Sydney, jawohl.«

Allsmine nahm ein Schriftstück vom Schreibtisch.

»Hier ist die Order. Bringen Sie sie ins Zentralbüro der Polizei, damit man den Gefängnisdirektor von Broken Bay durch einen Boten informiert, daß er Niari dem Gefängnis von Sydney überstellen soll.«

»Geschieht sofort«, antwortete der Bucklige, wobei seine Augen blitzten, was allerdings Allsmine nicht auffiel. Dann verließ er das Büro seines Chefs.

Gewissenhaft erledigte er seinen Auftrag. Danach schlenderte er, die Hände in den Taschen seiner Hose, wieder zur Paramata Street zurück. Plötzlich glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Auf dem zu dieser Stunde wenig belebten Kai entdeckte er zwei Spaziergänger, die unzweifelhaft seinen Weg kreuzen würden. Der eine war Silly, der noch zerstreuter und in sich gekehrter schien als üblich. Der andere, der dem Burschen in fünfzig Schritt Abstand folgte, schien ein Arbeiter zu sein.

Der Einfältige trottete auf James Pack zu, erkannte ihn und kam auf ihn zu.

»Guten Tag, Mr. Pack.«

»Tag, Kleiner.«

Der Arbeiter war vor einem Schiff stehengeblieben, das beladen wurde.

Der Junge deutete mit einer Kopfbewegung nach ihm und flüsterte James Pack zu: »Der Kerl beschattet mich.«

»Sicher Befehl von Allsmine«, erwiderte James. »Was ich befürchtet habe, ist eingetreten. Die Briefe im Centennial-Park-Hotel, die Haare unter der Kapuze … Er hat Verdacht geschöpft. Silly, du mußt noch heute abend verschwinden.«

»Ich werde auch verschwinden. Aber wegen dieser Klette ist es mir unmöglich, sie zu warnen.«

»Ich werde sie statt deiner warnen.«

»Danke, James …«

Der Junge seufzte, seine Augen wurden plötzlich feucht.

»Es wird mir nicht leichtfallen ohne Sie.«

»Mir auch, Silly. Aber ich hoffe, daß unsere Beweise bald ausreichen werden.«

»Bald«, wiederholte der Junge und lachte hinter tränenfeuchten Augen. »Sie hoffen demnach, James …«

»Ja, Silly.«

»Und dann bleiben wir zusammen?«

Bei dieser Frage überflog ein schmerzlicher Zug das Gesicht des Sekretärs, und seine Stimme klang ernst, als er erwiderte: »Das hängt vom Willen eines anderen ab, dem du und ich gehorchen müssen.«

Silly nickte, und James Pack sagte: »Also, Silly, mach’s gut und gib die Hoffnung nicht auf. Und denk an heute abend, ich werde sie benachrichtigen.«

Mit einem Abschiedsgruß setzte der Bursche seinen Weg fort. Und auch der Arbeiter riß sich von der interessanten Betrachtung der Frachtverladung los und setzte seinen Weg ebenfalls fort. Als er an Pack vorüberging, grüßte er ihn mit einem unmerklichen Nicken. Der Bucklige tat es ihm gleich und murmelte im Weitergehen vor sich hin: »Der gute Dove von der Brigade F. Diese Polizisten können sich eben nur als Polizisten verkleiden.«

Mit dieser durch nichts zu widerlegenden Behauptung schlenderte er gemächlich weiter. Dennoch hielt er, als er an der äußersten Ecke des Hafenbeckens angekommen war, inne und schaute angeekelt auf das trübe, brackige Wasser. Dann verschränkte er dreimal die Hände im Nacken, streckte sich und gähnte.

Danach kehrte er in Allsmines Domizil zurück. Der übrige Tag verging mit der eintönigen Beschäftigung, die ein Polizist eben so hat.

Es wurde Abend.

James Pack packte seine Sachen zusammen und wollte gehen, aber er verspürte eine ungewohnte Trägheit. Vielleicht war es die Müdigkeit? Denn die vorhergehende Nacht war aufregend gewesen, und der menschliche Körper, so widerstandsfähig er auch sein mag, bedarf ausreichender Nachtruhe.

Er verabschiedete sich gerade von Sir Toby, als Dove eintrat.

»Was Neues?« fragte der Polizeichef.

»Der Junge hat sich für die Nacht ein Boot gemietet.«

»Ein Boot?«

»Ja, er hat erklärt, er wolle nachts außerhalb des Hafens fischen, in der Nähe der Jackson-Spitze.«

»Er wird doch nicht spitzgekriegt haben, daß Sie ihn überwachen, Dove?«

»Da könnt ich bei meiner Polizistenehre drauf schwören.«

»Und was sagen Sie zu dem Ort?«

»Daß er mit seinen Komplizen Verbindung aufnimmt.«

Sir Toby rieb sich die Hände, dann klopfte er Pack freundschaftlich auf die Schulter.

»Wir werden auch diese Nacht nicht schlafen, Mr. Pack. Ich lade Sie ein, bei mir zu essen. Und Sie, Dove, lassen die große Zollschaluppe klarmachen, komplette Besatzung, und erwarten uns Punkt acht Uhr am Pier dreiundzwanzig von Farm-Cove.«

»Aber was ist denn passiert?« fragte der Sekretär mit einem verblüfften Gesichtsausdruck, wie er verblüffter nicht gespielt sein konnte.

»Das werden Sie sehen, wenn es soweit ist. Bis dahin denken wir nur ans Essen.«

Und während sich Dove entfernte, betraten die beiden Männer das Speisezimmer. Mrs. Allsmine saß schon an ihrem Platz. Sie zeigte keinerlei Erstaunen, als ihr Mann ihr mitteilte, daß James ihr Gast sei. Der Sekretär bemerkte, daß sie gerötete Augen hatte. Der Polizeichef hatte dieselbe Beobachtung gemacht und bemerkte in wenig galantem Ton: »Was ist mit Ihren Augen, Joan? Haben Sie geweint?«