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»Das habe ich, mein Freund, aber kümmern Sie sich nicht weiter darum, ich werde es in Ihrer Gegenwart nicht tun.«

»Na, na!« entgegnete Toby. »Es ist zwar schön, sich zu erinnern, doch traurige Erinnerungen müssen auch mal ein Ende haben. Ich könnte wetten, daß Sie sich wieder vor dem Bild Ihrer kleinen Tochter ausgeweint haben. Wenn das so weitergeht, werde ich das Bild entfernen müssen.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist es nicht.«

»Was dann?«

»Dieses Kind, das wir gestern gesehen haben …«

»Silly?«

»Ja. Er muß wiederkommen. Es wäre mir sehr angenehm, ihn wiederzusehen. Daran wird man ihn doch wohl nicht hindern?«

Ein spöttisches Lächeln huschte über Sir Tobys Gesicht.

»Aha, es ist der Bengel, der Sie beschäftigt. Ich wundere mich über eine so plötzliche Sympathie; aber wenn Sie ihn zu sehen wünschen, so werde ich Ihnen das Vergnügen gern machen. Morgen steht es Ihnen frei, ihn nach Belieben zu mustern, und er wird sich nicht wieder entfernen.«

Fragend betrachtete sie ihren Mann und versuchte, hinter den versteckten Sinn seiner Worte zu kommen, doch er fügte jovial hinzu: »Sie haben sehr wohl verstanden, was ich gesagt habe. Fragen Sie nicht weiter. Ich hüte mein Geheimnis. Und jetzt genug lamentiert, alles bereit zur Freude! Puff over!«

»Ja. Puff over!« wiederholte James in seltsamem Ton. »Puff over!«

Er verbeugte sich vor Joan Allsmine.

»Entschuldigen Sie, Madam, wenn ich mir herausnehme, etwas zu bemerken. Aber ich denke genauso wie Mr. Allsmine, daß die Freude die Trauer verjagen wird.«

Sie betrachtete ihn erstaunt. Obwohl sie Pack schon lange kannte, war es das erstemal, daß er außerhalb des Dienstes das Wort an sie richtete. Es war das erstemal, daß sie glaubte, in seinen Worten ein Mitgefühl über ihr Schicksal herauszuhören.

Sie lächelte Pack zu und sagte: »Nun gut, wenn Sie meinen. Puff over!«

Sir Toby schien von dieser Bereitschaft, fröhlich zu sein, schier entzückt. Sie speisten, und dann verabschiedeten sich die beiden Männer von Lady Allsmine. In warmes Zeug gehüllt, verließen sie das Haus und strebten den Kais von Farm-Cove zu.

An der Treppe zum Pier 23 blieben sie stehen und spähten aufs Wasser. Sie meinten die dunklen Umrisse eines Bootes zu erkennen. In diesem Augenblick ertönte es von unten: »Sind Sie das, Euer Ehren?«

»Dove ist auf seinem Posten«, murmelte der oberste Polizeiherr. Und dann rief er: »Ich bin es, Dove. Ist alles bereit?«

»Ja, Euer Ehren.«

»Dann laßt uns einsteigen.«

Der Polizeichef und sein Sekretär stiegen die steilen Stufen hinab, sprangen in das bereitliegende Boot und setzten sich auf die hintere Sitzbank. Sechs Männer saßen an den Riemen; aber es war eine seltsame Besatzung, denn jeder trug einen Karabiner. Die Waffen wurden unter den Bänken verstaut. Dann legte Dove die Hand an die Mütze und fragte: »Was haben Euer Ehren für Befehle?«

»Wir rudern entlang den Kais, dann der Küste, aber so, daß wir im Schatten bleiben. Noch ist der Mond zu hell für uns.«

»Sehr wohl. Übrigens kenne ich an der Jackson-Spitze eine Reihe von kleinen Buchten, wo man sich gut verstecken kann, ohne daß man uns bemerkt.«

»Also los dann.«

»Legt ab!« kommandierte Dove.

Und von den sechs Rudern bewegt, glitt das Boot leicht übers Wasser, eine gekräuselte silbrige Spur im Kielwasser zurücklassend.

Sir Toby hatte recht. Der Himmel war klar und der Mond voll. Das Boot blieb im Schatten der Kais und bewegte sich schemengleich über die Wasseroberfläche. Niemand sprach. Allein das Eintauchen der Ruderblätter war zu vernehmen.

Bald hatten sie die Hafeneinfahrt erreicht und gelangten in die offne See. Hier war die Dünung stärker, und sie kamen schneller voran. Im Norden zeichnete sich etwa zwei Meilen vor ihnen die felsige Linie der Jackson-Spitze ab. Bis dorthin mußten sie eine Wasserfläche überqueren, die vom Mondlicht hell beschienen wurde, doch störte das Allsmine wenig, denn wenn Silly fischte, so geschah das sicher jenseits der Felsenspitze; und da sein Boot nirgends auszumachen war, war es so gut wie sicher, daß er jene nicht sehen konnte, die sein Vorhaben überwachten.

In einer Viertelstunde befand sich die Schaluppe im Schatten des felsigen Ufers und folgte dieser Linie bis zum Ende der ins Wasser hineinragenden Felsenhalbinsel. Je mehr sie sich dem Ziel näherten, desto langsamer tauchten die Ruderer die Riemen ins Wasser. Wie Dove angekündigt hatte, verlief hier der Küstenstreifen als eine felsige Linie. Unaufhörlich von den langen Wellen des Pazifiks ausgehöhlt, war dieser Felsen zerklüftet und gespalten und bildete eine Reihe von Vorsprüngen und kleinen Buchten. Ein Mann saß vorn im Boot und gab die Richtung an, denn wie leicht konnten sie auf ein Felsenriff auflaufen.

Immer weiter stießen sie vor, bis das Boot die äußerste Spitze erreicht hatte. Plötzlich hoben sich mit einem Ruck die Ruder in die Höhe.

»Was ist?« fragte Sir Toby.

Ein Matrose antwortete: »Die fragliche Sache. Quer vor uns.«

Der Direktor blickte in die angegebene Richtung und nahm in einer Entfernung von knapp zweihundert Metern ein Boot wahr, das sich schwarz von den silbrigen Fluten des im Mondlicht spiegelnden Wassers abhob. In ihm saß ein Mensch, und er hatte keine Schwierigkeit, diesen zu erkennen. Das war der schwachsinnige Silly, der sich allem Anschein nach der beruhigenden Beschäftigung des Angelns hingab.

Die Schaluppe befand sich im schattigen Dunkel eines Felsenriffs, das wie ein Posten die Klippen bewachte. Ein Anker wurde herabgelassen. Nun brauchte man nichts weiter, als abzuwarten.

Es wurde eine lange Wache. Ohne zu ahnen, daß spähende Augen jede seiner Bewegungen verfolgten, widmete sich Silly seinem Zeitvertreib. Zeitvertreib ist nicht das richtige Wort, eher müßte man Broterwerb sagen, denn schon oft hatte sich der Bursche von der Beute seines Fanges ernährt. Von Zeit zu Zeit riß er die Angel aus dem Wasser, an der etwas silbrig Glänzendes zappelte. Dann warf er die Beute ins Heck seines Bootes; das Aufklatschen des Fischleibes tönte bis zu den Polizisten; dann befestigte der Junge einen neuen Köder an seiner Angel und widmete sich wieder der geduldigen Aufgabe.

Das ging sechs Stunden so.

Von dieser bisher ergebnislosen Beobachtung eingeschläfert, feuchteten Allsmine und Pack ihre Kehle hin und wieder mit Whisky an, den sie mitgenommen hatten. Die bauchige Metallflasche machte auch bei den Matrosen ihre Runde.

Währenddessen verfolgte der Mond am Himmel seine Bahn. Unmerklich wanderten die Felsschatten und erreichten bald die Stelle, an der Silly »arbeitete«. Schließlich hatte der dunkle Streifen das Boot völlig eingehüllt, so daß Boot und Bursche unsichtbar wurden. Eine halbe Stunde dauerte das etwa, dann war der Schatten weitergewandert und gab den Blick auf das Boot wieder frei.

»Beim Schweife Satans«, brummelte Allsmine, nachdem er die Stelle lange betrachtet hatte. »Ich sehe zwar das Boot, aber wo ist der Insasse?«

»Er wird sich im Boot zum Schlafen ausgestreckt haben«, erwiderte Pack. »Es passiert oft, daß ihn Schiffer so angetroffen haben.«

»Es gibt wirklich mehr Glück als Verstand für die Schwachsinnigen«, bemerkte Sir Toby. »Ein normaler Mensch würde gewiß Opfer eines Unfalls, wenn er derartig unvorsichtig wäre.«

Die Schaluppe war zu weit entfernt, als daß Silly diese Beobachtung hätte bemerken können, er blieb weiter unsichtbar. Und die Wache ging weiter.

Im Osten dämmerte es bereits. Allmählich machte der Chef der Polizei seinem Ärger Luft. Wieder hatte er eine ganze Nacht ohne Resultat zugebracht. Er war erzürnt. Sollte Korsar Triplex auch diesmal wieder die Lacher auf seiner Seite haben?