Выбрать главу

Der Korporal wies auf das Schild.

»Möge Euer Ehren lesen. Der Kerl verheimlicht seine Aktionen nicht. Und wenn ich behaupte, daß wir noch am Leben sind, so nur, weil er es so wollte. Sonst hätte er uns genauso leicht töten können wie an diese Bäume zu fesseln.«

»Was ist denn überhaupt geschehen? Welchen Grund hatten Sie, sich hier aufzuhalten?«

»Ein Befehl des Gefängnisdirektors von Broken Bay.«

»Was!« schrie Armand auf. »Wir selbst sind auf dem Wege zu ihm. Wie sich das trifft!«

Sir Toby war zusammengezuckt. Plötzliche Blässe überzog sein Gesicht, und in schneidendem Ton erwiderte er: »Begleiten Sie uns bis Broken Bay. Dort werden wir die Angelegenheit klären.«

»Wie es Euch gefällt, Euer Ehren«, brummelte weise der Korporal. »Unterwegs kann ich Euch ja den ganzen Vorfall der Reihe nach erzählen.«

Armand unterstützte ihn.

»Er hat recht«, sagte er. »Falls Sir Toby nichts dagegen hat, würde ich meinerseits sehr gern wissen, warum man in Australien Polizisten wie Schutzringe an Bäume bindet. Kommt Ihnen das nicht auch merkwürdig vor, Sir Toby?«

Da der Polizeichef, dem das alles sehr peinlich sein mußte, darauf nichts erwiderte, wertete der alte Korporal dieses Schweigen als Zustimmung und begann langsam und umständlich zu erzählen: »Gestern abend sagte Mr. Goldblow zu mir …«

»Wer ist Mr. Goldblow?«

»Der Gefängnisdirektor von Broken Bay.«

»Ah ja, fahren Sie fort, fahren Sie fort …«

»Also, gestern abend sagte Mr. Goldblow zu mir«, fuhr der Korporal fort, »›Alber‹, so heiße ich, ›Alber‹, so sagte er, ›nehmen Sie sich zehn Männer, und schaffen Sie einen Gefangenen nach Sydney!‹ – ›Zehn Männer!‹ rief ich, ›wo soll ich denn zehn Männer hernehmen?‹ – ›Sie warten bereits vor dem Fort auf Ihre Befehle. Also machen Sie‹, sagte er. ›Aha‹, sagte ich, ›wenn das so ist, werden Sie nicht lange warten müssen. Aber welcher Gefangene soll denn nach Sydney geschafft werden?‹ – ›Der Insasse von Zelle neunzehn.‹ – ›Aha, der wilde Ägypter.‹«

Bei dieser Bemerkung richtete sich Lavarède im Sattel überrascht auf, aber er kam nicht dazu, zu äußern, was er dachte, denn der Korporal stieß einen Schmerzensschrei aus, und mit der Hand zu seinem Bein fahrend, wimmerte er: »Aua! Was soll das?«

Sir Toby hatte ihm einen mächtigen Schlag mit der Reitgerte versetzt, denn er war über das redselige Ungeschick des Beamten mehr als verärgert, der ungewollt die Anwesenheit Niaris in Broken Bay bestätigt und sich nicht mehr hatte zurückhalten können.

»Heißt dieser Ägypter vielleicht Niari?« fragte Lavarède, der anscheinend nichts bemerkt hatte.

Die Frage versetzte den Korporal in höchste Schwierigkeiten, denn er hatte wohl verstanden, daß in bezug auf den Namen des Gefangenen Stillschweigen herrschen mußte. Und so schaute er abwechselnd seinen höchsten Chef und abwechselnd den Fragesteller an und sagte: »Ja, nein …, ich kann es nicht sagen …, vielleicht, das ist nicht unwahrscheinlich …«

Allsmine bemerkte, daß der Journalist nur unzufrieden den Kopf schüttelte, und begriff, daß eine Erklärung unausweichlich war. Scharf wandte er sich an den Korporaclass="underline" »Antworten Sie klar und deutlich!«

Der Beamte riß die Augen auf, so weit er konnte.

Der arme Kerl fand sein Metier zu kompliziert. Der Mund des Polizeichefs befahl ihm zu antworten, seine Peitsche verbot es ihm. Er mußte also gleichzeitig schweigen und sprechen, was, wie jeder weiß, außerordentlich technische Schwierigkeiten bereitet.

Also begann er erneut, wie er glaubte, diesmal eindeutiger: »Ja … Nein … Vielleicht … Ich kann es nicht leugnen.«

Toby sah ein, daß er ihm zu Hilfe kommen mußte. Deshalb unterbrach er ihn: »Dieser Gentleman und ich sind genau deswegen unterwegs, um uns zu versichern, daß der ägyptische Gefangene in Broken Bay inhaftiert ist. Ich selbst weiß nichts von der Existenz dieses Gefangenen, und da Sie ihn zu kennen scheinen, so wäre es sehr freundlich, wenn Sie uns etwas mehr über ihn erzählten.«

Der Korporal stieß einen Seufzer aus. Zumindest der Befehl war klar! Also begann er zögernd: »Diese Nummer neunzehn trug, so glaube ich, tatsächlich den Namen Niari. Wie ich schon sagte, sollte ich ihn nach Sydney bringen. Wir brachen gegen Mitternacht auf. Zunächst ging alles gut. Aber als wir den Wald erreichten, in dem wir uns jetzt befinden, stolperten die beiden Männer, die an der Spitze gingen, über ein Seil, das quer über den Weg gespannt war. Bevor wir uns noch über den Zwischenfall klar waren, stürzte sich eine Bande von Dämonen auf uns, entwaffnete uns und band uns mit den Rücken an die Bäume – so wie Sie uns gefunden haben. Alle trugen sie grüne Masken vor dem Gesicht. Einer, der ihr Anführer sein mußte, sagte zu mir: ›Du wirst Meister Allsmine‹, Pardon, Euer Ehren, ich wiederhole nur seine Worte, ›sagen, daß wir Niari befreit haben und darauf warten, daß wir auch jene noch befreien, die er in der Ehe und im Grab gefangenhält.‹ Dann sind sie verschwunden, und wir haben eine fürchterliche Nacht verbracht.«

Sir Toby war kreidebleich geworden. Die Worte, die der Abgesandte des Korsaren gesagt hatte, jagten ihm einen Kälteschauer über den Rücken. Er entsann sich des geheimnisvollen Tribunals, vor dem er aussagen mußte. Und er verstand die Anspielung auf die Ehe und das Grab: Das waren seine Frau Joan, und das war ihr Kind – Maudlin Green.

Wollte der Korsar gar die Tote von den Lebenden erwecken – die Lebende aus seiner – Tobys – Macht befreien?

So unwahrscheinlich ihm dies auch vorkommen mochte, er hatte nicht mehr dasselbe ungebrochene Vertrauen in die Zukunft wie noch vor kurzem. Nach längerem Schweigen gab er schließlich den Befehl zum Aufbruch. Ohne sich um die neugierige, fragende Miene Lavarèdes zu scheren, behielt er absolutes Schweigen bei; weniger aus Vorsicht, sondern weil er Gedanken nachhing, die ihn frösteln ließen.

Triplex führte ihn an der Nase herum und jagte ihm gleichzeitig Angst ein. Und beides war wohldurchdacht. Er war schon soweit, daß ihm jeder unbescholtene Passant verdächtig vorkam. Es fehlte nicht viel, und er hätte am liebsten die ganze Bevölkerung des Landes unter der Anklage der Komplizenschaft verhaftet. Denn der unsichtbare Feind mußte zahlreiche Helfer haben, sonst wäre er nicht immer wieder den Nachforschungen der Polizei entwischt.

In der Paramata Street entließ Sir Toby seine Eskorte und schüttelte zerstreut Armands Hand. Allein betrat er das Haus.

Eine vage Furcht ließ ihn den Schritt zum Appartement seiner Frau richten. Hatte gar Joan das Haus schon verlassen, wie der drohende Satz des Korsaren zu besagen schien? Lautlos schlich er bis zu der Zimmertür. Einen Augenblick blieb er stehen, um zu lauschen.

Seltsam! Stimmen drangen an sein Ohr. Irgend jemand war bei ihr, vielleicht ein Abgesandter von Triplex. Er riß die Tür auf.

Joan war allein, sie kniete auf dem Teppich, stammelte etwas Unverständliches, das von Tränen erstickt wurde, und preßte ein Stück Papier an ihre Lippen.

Beim Anblick ihres Mannes versuchte sie das Papier verschwinden zu lassen; doch Allsmine war mit einem Satz bei ihr, packte entschlossen ihr Handgelenk und drehte es um. Die Finger ließen den Zettel los. Der Polizeichef nahm ihn an sich, faltete ihn auseinander und las:

Mutter. Das Verbrechen hat uns voneinander getrennt. Aber Gerechtigkeit wacht. Sie wird Rache nehmen. Glaube, was Deine Maudlin schreibt, die so glücklich ist, Dir endlich mitteilen zu können, daß sie am Leben ist.

Unsagbarer Zorn bemächtigte sich Sir Tobys. Er zerriß die Nachricht in lauter kleine Fetzen. Dann fielen seine Blicke auf das Bild mit den Zügen des kleinen Mädchens, vor dem Joan so oft geweint hatte. Er riß es von der Wand, schmiß es zu Boden und trampelte darauf herum. Erst als von der Malerei nichts mehr zu sehen war, wurde er sich seiner Raserei bewußt, mit der er sich ja selbst anklagte. Ruhiger geworden schaute er zu seiner Frau.