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Joan hatte sich nicht gerührt.

Ihr Gesicht hatte nacheinander Überraschung, Zweifel, Abscheu, dann eine unverständliche Freude gezeigt.

»Ich bitte Sie um Verzeihung«, begann der Polizeichef, »vor Wut habe ich die Beherrschung verloren.«

Sie machte eine unbewußte Bewegung.

»Doch, doch, ich habe mich vergessen. Aber wenn ich sehe, daß sogar mein eigenes Haus von meinen Feinden nicht verschont wird …«

»Feinde«, sagte sie sanft. »Wieso meinen Sie das? Ich könnte jemand nicht als Feind betrachten, der mir meine Tochter zurückgeben wird.«

»Sie glauben an diese Märchen?«

Joan nickte und sagte betont deutlich: »Ja, ich glaube daran.« Und da er protestieren wollte, gebot sie ihm mit einer Geste Schweigen und sagte: »Märchen, behaupten Sie. Selbst wenn! Sie sind nicht Vater, Sie können nicht verstehen, was ich leiden mußte. Und man hat den Körper meiner toten Maudlin nie gefunden; eine Hoffnung hegte ich immer. Der Brief, den Sie soeben vernichtet haben, beweist, daß ich Grund hatte zu hoffen.«

»Winkelzüge eines Verbrechers.«

»Nein. Ich habe niemals jemand Böses zugefügt. Selbst ein Verbrecher hätte dieses eine Wort nicht schreiben wollen: Mutter.«

»Kurz, Sie machen demnach mit meinen Gegnern gemeinsame Sache?«

»Ich bin Mutter, und ich segne jeden, der mir Hoffnung macht, daß meine Tochter noch lebt.«

Sir Toby stampfte mit dem Fuß auf, seine Züge verzerrten sich.

»Aha, so ist das. Es kümmert Sie wenig, daß man sich gegen mich verschwört. Ihr Gatte ist nichts für Sie.«

Erstaunt betrachtete sie ihn.

»Warum sollte meine mütterliche Zuneigung zum Nachteil für Sie sein?«

Er senkte vor ihrem Blick die Augen und sagte verbindlicher: »Weil man diese Zuneigung ausnutzt, um Sie von mir zu trennen.«

»Davon ist nicht die Rede. Man verspricht nur, mir Maudlin zurückzugeben.«

Das stimmte. Allsmines Name war nicht einmal erwähnt worden. Seine Mißstimmung wuchs, als er merkte, daß er sich in seiner Wut in mehr verrannt hatte, als zuzugeben notwendig war.

»Wenn ich Ihnen dasselbe Versprechen machte, glaubten Sie mir nie.«

»Warum wohl?«

»Weil Sie nachgedacht haben. Sie ahnten, wenn das Kind noch am Leben war, hätte man nicht so viele Jahre gewartet, es Ihnen zu vermelden …, vor allem, da unsere Nachforschungen soviel Aufhebens verursacht haben. Aber ein Fremder, ein Unbekannter schreibt Ihnen einen Brief, der nicht einmal eine Unterschrift trägt …, und sofort hat er Ihr Vertrauen.«

Eine Träne rollte langsam über die Wange der jungen Frau, und mit tonloser Stimme murmelte sie: »Der Fremde macht mir wenigstens Hoffnung, während Sie …, Sie konnten mir immer nur logisch erklären, warum ich nicht mehr hoffen sollte.«

»Ach, Sie sind verrückt; verrückt, sich an so etwas zu klammern«, belferte Allsmine aufgebracht, »ich lasse Sie mit Ihren Hirngespinsten allein.«

Und die Tür hinter sich zuschlagend, verließ er das Zimmer.

Inzwischen war Lavarède ins Centennial-Park-Hotel zurückgekehrt und hatte darüber nachgedacht, was soeben passiert war.

Trotz der Freundlichkeit des obersten Polizeiherrn und seiner offenen Art ihm gegenüber fühlte der Journalist, wie der Zweifel an ihm nagte. Es war undenkbar, daß der hohe Beamte nichts von der Existenz eines so wichtigen Gefangenen wie Niari gewußt haben wollte. Von da bis zu dem Schluß, daß nur Sir Toby selbst den Befehl zur Verlegung des Gefangenen gegeben haben konnte, war es nur ein Schritt. Wie man sieht, traf Armand damit fast genau ins Schwarze.

Dann dachte er an die geheimnisvolle Person, die den Ägypter entführt hatte. Wer war dieser Triplex, der sich in den Angelegenheiten des Parisers so gut auskannte? Welches Interesse hatte er, sich unausgesetzt in ebendiese Angelegenheiten einzumischen? Es war leichter, diese Fragen zu formulieren, als darauf zu antworten. Und so erreichte Lavarède auch bald das Hotel, ohne eine plausible Erklärung dafür gefunden zu haben.

Den Gruß des Besitzers beantwortend, erreichte er die Treppe, die zu seinem Appartement führte, aber schon auf den ersten Stufen hielt er inne. Die Klänge eines Klaviers und die Stimme einer Frau drangen an sein Ohr.

»Unzweifelhaft Lotias Stimme«, murmelte er. »Sie singt?«

Der überraschte Ton, in dem er das sagte, bewies hinlänglich, wie melancholisch die Erbin der Hador gewöhnlich war. Seit Armand die junge Dame kannte, hatte er sie nur traurig und düster erlebt; und niemals hatte sie einen dieser Freudenausbrüche gehabt, die einen singen lassen. Welches Ereignis hatte diesen Sinneswandel wohl herbeigeführt?

Nach einem kurzen Klopfen betrat er den gemeinsamen Salon. Lotia saß am Klavier. Sie sang. Neben ihr stand die lächelnde Aurett. Beim Anblick Armands stießen die beiden Frauen gleichzeitig einen Schrei aus. Sie liefen auf ihn zu, und mit einer Mischung aus Mitleid und Ironie fragte ihn Lotia: »Sie sind umsonst gereist, nicht wahr?«

Er konnte eine Bewegung der Überraschung nicht unterdrücken.

»Das ist wahr, aber wieso wußtet ihr das?«

Sie schauten sich an und prusteten lachend los.

»Gut«, sagte der Journalist, »ich fühle mich geehrt zu sehen, daß euch mein Mißgeschick erheitert. Aber es wäre überaus freundlich, wenn ihr mir erklären würdet …«

»Das tun wir gern«, sagte Aurett, »wenn du uns dein Wort gibst, daß …«

»Mein Wort?«

»Daß du niemand erzählst, was wir dir sagen. Selbst nicht deinem teuren Freund Sir Toby Allsmine.«

Und wieder brachen Aurett und Lotia in Lachen aus.

»Worum handelt es sich denn, zum Teufel?« fragte der Journalist neugierig.

»Schwöre erst!«

»Wie ihr meint. Also gut, Aurett, also gut, Lotia, ich verpflichte mich bei meiner Ehre, kein Wort zu sagen.«

»In diesem Falle werden wir Sie zu unserem Vertrauten machen«, erklärte Lotia und zog einen Brief aus ihrer Korsage. Der Umschlag trug den Poststempel von Sydney.

»Was ist das?«

»Lesen Sie.«

Lotia reichte ihm den Brief. Lavarède nahm ihn und rief baß erstaunt: »Roberts Schrift!«

Lotia lächelte, aber sie wiederholte nur: »Lesen Sie.«

Der Pariser gehorchte und entzifferte folgendes:

Meine süße Lotia,

ich war zu früh hoffnungslos geworden. Niari fehlte uns, er konnte also nicht meine Identität bestätigen, um uns notariell beglaubigen zu lassen, daß ich Robert Lavarède und nicht Thanis bin. Dann wäre ich wieder ich geworden und hätte Dir meine Hand antragen können. Mein Herz gehört Dir ohnehin. Zu meinem Glück hat mich ein Mann unter seinen Schutz genommen und mir geholfen. Durch ihn wurde Niari befreit und befindet sich bei mir. Ich würde eilen, um dorthin zu gelangen, wo Du bist, mein Stern, mein Licht, wenn ich mich aus Dankbarkeit meinem Wohltäter nicht verpflichtet fühlte. Er hat mir geholfen, ich muß ihm bei der Erfüllung einer schrecklichen Pflicht helfen; aber er erlaubt mir, daß ich Euch alle beruhige und Dir das bevorstehende Ende unserer Drangsal ankündige. Während zweier Monate wirst Du nichts mehr von mir hören, doch mach Dir keine Sorgen; Du wirst von Korsar Triplex reden hören und immer daran denken, daß er uns hilft, uns wieder zu vereinigen.

Du sollst wissen, Lotia, daß meine Seele und mein Sinnen nur Dir gilt. Neben Armand und meiner lieben Cousine Aurett wirst Du Mut finden.

Euch dreien in Liebe und Hoffnung

gez. Robert Lavarède

P. S. Absolutes Stillschweigen über diesen Brief!

Nun war es an Armand, in Lachen auszubrechen, und die Hand seiner beiden entzückenden Damen fassend, rief er aus: »Endlich! Robert lebt. Er verspricht, uns aufzusuchen. Aber zum Teufel! Noch nie in meinem Leben war ich in eine Intrige verwickelt, die so undurchschaubar ist!«