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Heute nun war in der Botschaft die Rede von dem goldenen Harlekin, diesem Schmuckstück, dessen Existenz Joan längst vergessen hatte. Und nur deshalb stand sie nachdenklich und schweigend neben Aurett und Lotia auf der Brücke der Destroyer.

Die beiden letzteren empfanden beim Anblick der Scheinwerfer natürlich ganz anders. Für sie war das der Ort, wo Robert den Befehlen seines Beschützers, ebenjenes gefürchteten Korsaren Triplex, gehorchte.

Allsmine war hin- und hergerissen zwischen Wut und innerer Unruhe.

Allein James Pack schien gegenüber dem, was um ihn herum passierte, gleichgültig. Ruhig unterhielt er sich mit den Offizieren über die Art und Weise des Lichts, dem man sich von Minute zu Minute näherte. Alle waren sich einig über das offensichtlich elektrische Phänomen, aber während die einen behaupteten, starke Leuchtröhren von außerordentlicher Intensität wahrgenommen zu haben, plädierten die anderen für eine Art von besonders kräftiger Phosphoreszenz. Und tatsächlich wirkte eine beträchtliche Fläche so, als ob sie von unten beleuchtet würde. Der Schaum der langgezogenen Wellen wirkte wie im Schmelzen begriffenes Gold, und die Augen der Betrachter zerflossen beim Betrachten dieser intensiven Strahlung.

Etwa eine Meile trennte die Destroyer von dem anvisierten Punkt. In dieser immerhin noch beträchtlichen Distanz schwamm das Schiff in einem leuchtenden Nebel. Neugier hatte jedermann gepackt, Offiziere, Matrosen, Passagiere. Die Maschinen stampften, denn der Maschinenmeister hatte volle Kraft voraus befohlen. Spätestens in einer Viertelstunde würde man klüger sein.

Plötzlich drang ein Aufschrei aus allen Kehlen. Die seltsamen Meteore setzten sich in Bewegung. Mit schwindelerregender Schnelligkeit beschrieben sie einen Kreisbogen und tauchten hinter den Kriegsschiffen wieder auf, formten zwischen ihnen und dem Hafen das geheimnisvolle Dreieck neu.

Es gab einen Augenblick der Unentschlossenheit, dann drehte sich die Destroyer langsam um sich selbst und nahm die Verfolgung des Gegners auf. Die anderen Schiffe taten es ihm gleich.

»Na, man los«, murmelte ein alter Offizier, der neben Allsmine stand, »wenn wir ihn einholen wollen, dann nur, wenn er es auch will.«

Die Bemerkung ließ den Polizeichef zusammenfahren.

»Wie können Sie so etwas zu behaupten wagen!«

»Weil er soeben seine Operation mit einer Geschwindigkeit ausgeführt hat, die mindestens sechzig Knoten betrug. Die Destroyer schafft kaum zwanzig. Machen Sie sich selbst einen Reim darauf.«

»Aber was vermuten Sie denn?«

»Daß wir es mit bewundernswert ausgestatteten Unterseebooten zu tun haben.«

»Unterseeboote?«

»So ist es. Wenn es nicht Satan selber ist, so gibt es keine andere Erklärung.«

Erneut näherte sich die Destroyer den seltsamen Scheinwerfern. Was würde passieren? Entwickelte sich ein Kampf? Das hätte man meinen können nach der Aktivität auf dem Kreuzer. Jeder stand auf seiner Gefechtsstation. Neben den Armstrong-Geschützen und den Hotchkiss-Kanonen hatten die Artilleristen ihre Plätze eingenommen, um gefechtsbereit zu sein. Enterkommandos hatten an der Bordwand Aufstellung genommen. Einige hundert Meter trennten das Schiff noch von den Augen des Korsaren Triplex, als ein unerwarteter Zwischenfall geschah.

Plötzlich verloschen die Scheinwerfer, und auf den tintenschwarzen Fluten entdeckten die Ausschau haltenden Männer nicht die geringste Markierung.

»Stopp!« befahl der Vierte Offizier.

Die Schiffsschraube hörte auf, sich zu drehen, und die Destroyer glitt auf ihrem Kurs mit geringer werdender Geschwindigkeit dahin.

Aus der Gruppe der Offiziere drangen Unmutsäußerungen. Mußte man etwa gar in den Hafen zurückkehren, ohne Kontakt mit dem Feind aufgenommen zu haben? Man würde ja zum Gespött der gesamten Bevölkerung werden. Aber was sollte man gegen einen unsichtbaren und nicht zu fassenden Feind denn tun?

Das gleiche Zögern gab es auch auf den anderen Schiffen, und alle richteten sich nach der Destroyer. Ganz offensichtlich wußten die Kapitäne nicht so recht, wie sie sich verhalten sollten. Die Schiffe am Ende der Reihe hatten ihre Maschinen gestoppt und schaukelten schwerfällig auf den Fluten.

Und als sie sich endlich mit Lichtsignalen verständigten und entschlossen, in den Hafen zurückzukehren, gischtete es an der Flanke des Kreuzers, auf dem sich der Polizeichef mit seiner Begleitung befand, mit einemmal stark auf. Ein leuchtender Lichtstrahl schoß aus dem Wasser; ein Gegenstand erhob sich in die Lüfte, beschrieb einen weiten Bogen und fiel auf die Brücke, genau vor die Füße von Lady Joan. Das Meer hatte sich wieder beruhigt.

Alle eilten herbei. Der Kapitän höchstselbst hob das Geschoß auf – es war ein hölzernes Ei, ähnlich einem Stopfpilz. Und besonders merkwürdig war, daß dieses aus dem Meer aufgetauchte Etwas kein bißchen naß war. Nichts konnte unverfänglicher sein, und der Kapitän reichte den Gegenstand weiter, als sein Blick von einem kleinen Etikett angezogen wurde, das auf der polierten Oberfläche klebte.

Hurtig näherte er sich mit einem Sprung der Sturmleuchte und las in deren Licht: »Für Mrs. Joan Allsmine.«

Galant reichte der Kapitän der Destroyer der Gattin des Polizeichefs das Holzei. Eine schwarze Linie umriß die Mitte und wies darauf hin, daß es aus zwei Hälften zusammengesetzt war. Mit Leichtigkeit konnte es Lady Joan um die eigene Achse drehen. Es öffnete sich. Im gepolsterten Inneren lag eine goldene Kette mit einem Anhänger aus demselben Metall.

Mit zitternden Händen packte Maudlins Mutter den Schmuck. Der Brief hatte also nicht gelogen. Das war der goldene Harlekin, den sie einst selbst um den Hals ihrer Tochter gelegt hatte.

»Das letzte Geschenk, das ich meiner Tochter gegeben habe«, murmelte sie.

»Dieser Elende weidet sich am Schmerz einer Mutter!« bemerkte Allsmine zähneknirschend.

Aber Joan unterbrach ihn heftig: »Nein, er hat die Wahrheit gesagt. Maudlin lebt, und ich werde sie wiedersehen.«

Bei allen, die diese Szene miterlebt hatten, hinterließ sie starke Wirkung. Und so bewahrte auch jeder Schweigen, als der Konvoi wieder im Hafen einlief.

Auf den Kais drängte sich noch immer die Menge und diskutierte die Vorfälle des Abends. Ganz Sydney war in Bewegung. Ein einziger Mann nur bewahrte kühlen Kopf und sein Lächeln, und dieser Mann war James Pack.

Ruhig verabschiedete er sich von seinem Vorgesetzten und den anderen und entschuldigte sich, daß er dem Wunsch, sich auszuschlafen, nicht widerstehen könne. Danach entfernte er sich mit seinem schleppenden Schritt und einer gleichmütigen Haltung; sobald er jedoch aus dem Gesichtskreis der Menge getreten war, straffte er sich plötzlich, sein Gang wurde elastisch, und mit schnellem Schritt umging er die Hafenbecken.

Eine halbe Stunde später erreichte er die Heide der Jackson-Spitze am äußersten Ende, an dem der nördliche Leuchtturm steht. Die Nacht war dunkel, und der Weg mußte ihm schon vertraut sein, um so rasch vorwärts zu kommen.

Plötzlich blieb er stehen. Ein menschlicher Schatten hatte sich vor ihm aufgerichtet. Zweifellos hatte ihn dieser Schatten erwartet, denn er zeigte weder Furcht noch Überraschung.

»Sind Sie es?« fragte er den Schatten.

»Ich bin es, Kapitän, zu Ihrer Verfügung.«

»Sie reisen unverzüglich zu den Goldminen der Sandy-Wüste ab. Säumen Sie nicht. In wenigen Tagen wird er gewarnt sein. Er muß sich durch diese lange Reise verraten.«

»Ist klar.«

»Verlieren Sie also keine Minute, denn er darf Sie um keinen Preis treffen.«