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»Nein, nein …, das will ich damit nicht sagen«, entgegnete Bob. »Du könntest mir helfen, mein lieber Cawson, indem du dich meiner Flucht nicht entgegenstellst!«

Der Wirt rollte mit den Augen.

»Mich nicht entgegenstellen …?«

»Ja. Es reicht aus, wenn du deine Hunde heute nacht an die Kette legst … Du riskierst nichts, die Polizeiposten genügen, damit das Haus bewacht ist.«

»Stimmt schon. Nur …, wenn man mich nun beschuldigt, dein Komplize zu sein?«

»Das wird niemand vermuten, mein Lieber … Und dann könnte ich dir für diese Gefälligkeit einen anderen Gefallen tun und dir sagen, wo ich zwei Säcke feinsten Goldstaub versteckt habe. So annähernd vierzig Pfund …«

Bei diesen magischen Worten wurde das feiste Gesicht des Wirts geradezu spitz.

»Vierzig Pfund …«, wiederholte er. »Habe ich richtig gehört?«

»Genau.«

»Vierzig Pfund … Und die gibst du mir?«

»Ich werde dir verraten, wo sie versteckt sind, und du kannst sie dir holen.«

»Wenn du das tust, werde ich meine Doggen sogar mit zu mir ins Bett nehmen.«

»Na fein. Also hör zu, sie liegen in Brimstone Mounts in meiner Hütte. Von der Tür vier Schritt in die Hütte. Dann gräbst du an der Stelle vierzig Zentimeter tief. Du stößt auf ein Brett, und unter dem Brett ist das Versteck.«

Cawson hörte zu, hin- und hergerissen zwischen Freude und Mißtrauen.

»Du machst dich nicht über mich lustig?«

»Ich gebe dir mein Wort als Gentleman.«

»Ich glaube dir, Bob, ich glaube dir. Du gehörst nicht zu den raffgierigen Burschen, das weiß ich. Also werde ich mich nach Brimstone Mounts aufmachen und mir zur Erinnerung an dich die vierzig Pfund holen. Nur zur Erinnerung, klar, denn du bist ein wirklicher Freund.«

»Schon gut, aber vergiß nicht die Hunde.«

»Keine Bange, Cawson kennt sich aus in Geschäften; sei unbesorgt, und viel Glück auf dem Weg.«

Die Essenden verlangten nach dem Wirt, der sich nach einem letzten Gruß von Bob entfernte. Letzterer blieb allein. Er hörte noch einige Zeit das Lachen der Polizisten, dann wurde es still. Hin und wieder erklang das Geräusch eines regelmäßig auf und ab gehenden Wachpostens vor seinem Fenster.

Vorsichtig spannte der Herkules seine Muskeln. Die Stricke, mit denen er an Händen und Knöcheln gefesselt war, rissen. Er lachte kurz auf.

»Stopfgarn für Weiber! Die Menschheit muß ziemlich schwach geworden sein, wenn das ausreicht, um sie festzubinden.«

Danach glitt er leise von seinem Bett, ließ sich auf Hände und Knie herab und kroch zum Fenster.

Der Wachposten drehte ihm den Rücken zu.

»He«, murmelte Bob, »das Bürschchen kenn ich doch. Das ist der Halunke, der mir gestern abend die Fußtritte verpaßt hat. Der ist mir der liebste von allen.«

Vorsichtig öffnete er das Fenster, kletterte auf den Sims und sprang auf den Polizisten. Der wollte noch einen Schrei ausstoßen, aber die gewaltige Faust Bobs fällte ihn wie einen Ochsen.

Der Hüne beugte sich über ihn und tätschelte ihm die Stirn.

»Hab vielleicht ein bißchen derb zugehauen«, preßte er zwischen den Zähnen hervor. »Scheint, daß ich ihm den Schädel eingeschlagen habe.« Und sich erhebend, fügte er hinzu: »Um so schlimmer für ihn. Aber andererseits habe ich ihm ja auch einen Dienst erwiesen. Ein Polizistenleben ist doch alles andere als amüsant.«

Nach dieser lakonischen Grabrede packte der Schürfer die Waffen des Wachpostens, schlich zum Stall, ergriff eins der Pferde, sattelte es und führte es leise am Zügel aus der umfriedeten Herberge. In einiger Entfernung schwang er sich in den Sattel, gab dem Pferd die Sporen und galoppierte in Richtung Osten davon.

Der Kapitän, der in einem anderen Raum von Cawsons Anwesen gefangengehalten wurde, fand keine Ruhe. Gespannt lauschte er auf etwaige Geräusche. Da er wußte, daß Bob nur die Nacht nutzen konnte, um seine Bewacher zu täuschen, fürchtete er jeden Lärm, der ihm den Mißerfolg des Unternehmens angezeigt hätte.

Im Falle des Mißlingens wären sie beide verloren gewesen. Die Hoffnung, die er auf das Zusammentreffen des Goldsuchers mit den Männern seiner Mannschaft gesetzt hatte, wäre zerstoben wie Staub im Wind.

Inzwischen vergingen die Stunden, ohne daß er den geringsten Laut vernommen hätte.

Hinter den Fenstern seines Gefängnisses sah der Kapitän, wie allmählich die dunkle Nacht von feinen grauen Schwaden verdrängt wurde. Schwere Schritte dröhnten durch das Haus. Die Männer erhoben sich. Bald würde man den Weg fortsetzen. Besorgt näherte sich der Kapitän der Tür. Wenn Bob seinen Befehl ausgeführt hatte, wenn es ihm gelungen war, seinen aufmerksamen Bewachern zu entwischen, dann war jetzt der Augenblick gekommen, wo man seine Flucht entdecken mußte. Diese Flucht würde Schreie und Flüche zur Folge haben, deren Echo unzweifelhaft bis zu den Ohren des Gefangenen dringen mußte.

Zehn Minuten vergingen in fieberhafter Erwartung. Was … Nichts? Hatte Sammy nicht gehorcht? War er auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen? Das Gesicht des Kapitäns war bleich geworden, die Lippen hatte er zusammengepreßt, alles an ihm verriet gespannte Unruhe, die fast zur Qual wurde.

Plötzlich entspannten sich seine Züge. Ein überraschter, wütender Schrei drang bis zu ihm. Bald unterschied er einzelne Rufe und Flüche. Am meisten fluchte Sir Toby.

»Verdammt!« tobte der Polizeichef wütend. »Und es fehlt ein Pferd! Verflucht! Wehe euch, wenn Triplex entkommen ist! Schnell, lauft zu seinem Zimmer.«

Man rief sich etwas zu, Getrappel auf der Treppe, man hätte denken können, eine Hundemeute verfolgt ein Tier; die Tür knallte dumpf gegen das Mauerwerk, und alles, was Beine hatte, ergoß sich in den Raum, in dem der Kapitän ruhig auf seinem Bett saß.

»Na, was ist?« bellte Sir Toby von unten.

»Der Kapitän ist hier«, antworteten seine Männer.

»Aber was ist denn überhaupt los? Bringt den Gefangenen runter, wir werden die Sache klären.«

Von mehreren Händen gepackt und gestoßen, stolperte Triplex aus seinem »Gefängnis« die Treppe hinab, bis er vor Sir Toby stand, der neben dem von Bob Sammy niedergestreckten Körper des Bewachers kniete.

Sir Toby hatte begriffen. Das offene Fenster, durch das der Goldsucher geflohen sein mußte, hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er war ins Zimmer getreten und hatte bemerkt, daß es leer war.

Als der Korsar vor ihn geführt wurde, schaute er ihn böse lächelnd an.

»Ihr Freund hat es vorgezogen, uns zu verlassen. Bah! Das soll uns nicht kümmern. Wir werden um so sorgfältiger darauf achten, daß uns der Wichtigere von beiden nicht entwischt. Ja, ja, Mr. Triplex, wir passen mehr auf Sie auf als eine Mutter auf ihr Kind.«

Dann wandte er sich an seine Männer.

»Los, meine Tapferen, zu Pferd!« befahl er. »Heute abend werden wir an den drei Spitzen sein, und auf der Überfahrt können wir uns von den Strapazen erholen.«

Mit Blitzeseile schwangen sich die Reiter in die Sättel und verließen die Herberge, bis zur Umfriedung von respektvollen Grüßen Cawsons begleitet, der ob der stattgefundenen Ereignisse nicht gerade unglücklich war.

Sie machten mittags nur eine kurze Rast, und gegen vier Uhr kamen die erschöpften Menschen und Tiere in dem Wäldchen am Ufer des Skaim River an, zu Füßen der drei Felsnadeln.

Direkt am Ufer war ein kleines Dampfboot festgemacht, und mehrere Männer lagen im Gras. Das waren die Mannschaft und das Boot, mit denen Sir Toby stromauf gekommen war.

Es war zu spät, den Weg sofort zu Wasser fortzusetzen. Die im Sommer fast ausgetrockneten australischen Flüsse führen im Frühjahr und Herbst ziemlich viel Wasser, und es wäre unvorsichtig gewesen, sich nachts den Untiefen und Strudeln auszusetzen. Eine rasche Mahlzeit wurde eingenommen, dann legte sich jeder zur Ruhe. Der Kapitän war an Bord gebracht und in eine Kabine gesperrt worden, und zwei Männer bewachten ihn, den Revolver in der Hand.