Выбрать главу

Roberts Gesicht verdüsterte sich, als er allein war. Er lief in der Zelle auf und ab und murmelte dabei: »Vorausgesetzt, Armand benachrichtigt James Pack … Vorausgesetzt, James Pack ist in Sydney … Vorausgesetzt, er ist es nicht. Oh? Arme Lotia …«

Man hatte ihm nicht verheimlicht, daß sein Prozeß so rasch wie möglich über die Bühne gehen sollte, und die Aussicht, gehenkt zu werden und seine geliebte Lotia nie mehr wiederzusehen, hätte sicher auch kaltblütigere Gemüter als ihn trübsinnig gemacht. Zum Glück riß ihn Crossbys Rückkehr aus dieser Verzweiflung. Der höfliche Wärter kam mit einem großen Korb in der Hand zurück, in dem sich Teller, Gläser, Flaschen und sonstiges befanden.

Während er Teller und Platten wie ein Hoteldiener symmetrisch auf dem Tisch anordnete, schien er zu überlegen. Plötzlich sagte er entschlossen: »Sir Korsar.«

Robert blickte ihn fragend an.

»Ein Gentleman hat mich auf der Straße gebeten, Ihnen etwas zu übergeben.«

»Ein Päckchen? Geben Sie her«, sagte Robert zitternd.

»Oh, ich werde es Ihnen geben, keine Sorge, Sie haben die Freiheit, jeden Gegenstand, der nicht zur Flucht benutzt werden kann, zu empfangen. Aber vorher möchte ich Sie noch um etwas bitten.«

»Eine Bitte? Machen Sie schon.«

»Gut! Das ist vielleicht das Gift, von dem heute morgen unser Schreiber gesprochen hat. Sie haben natürlich das Recht, es zu schlucken, nur wäre es ratsam, damit so lange wie möglich zu warten. Ich bin Vater von sieben Kindern, und der Dienst im Gefängnis ist mein Hauptverdienst.«

Die Naivität dieses Strafvollzugs verwirrte Robert. Also hatte der Schreiber nur die Wahrheit gesagt. Alle nur denkbaren Freiheiten – einschließlich des Rechtes, sich selbst umzubringen – waren den Zelleninsassen erlaubt.

»Ich hätte also nach meiner Berechnung noch etwa acht Tage zu leben?« fragte Robert den Wärter.

»Ja, etwa.«

»Was würden Sie denn an mir verdienen?«

Der Wärter überlegte einen Augenblick und sagte dann zögernd: »Zwei Shilling je Tag, wär das zuviel?«

»Aber nein. Insgesamt also sechzehn Shilling.«

»Genau, wenn es Euer Ehren beliebt.«

»Es beliebt mir.«

Und indem er in seiner Tasche kramte, zog Robert eine Fünfpfundnote hervor, die er dem Wärter reichte.

»Hier, mein Lieber, das sind hundert Shilling.«

Crossby griff mit zitternden Fingern danach.

»Hundert …, soviel Wohltaten kann ich Euer Ehren ja gar nicht mehr erweisen.«

»Behalten Sie das Geld, geben Sie mir nur die kleine Schachtel, die man Ihnen anvertraut hat.«

Mit einer Mischung aus Respekt und Trauer angesichts der Großzügigkeit des Gefangenen reichte der Wärter dem Häftling ein Kästchen, das etwa fünf Zentimeter lang und drei Zentimeter breit war und mit einem Wachssiegel verschnürt war.

»Warten Sie noch, Sir Korsar«, beschwor ihn der Wärter bewegt. »Man weiß nie, solange man lebt, gibt es immer noch Hoffnung. Warten Sie.«

Der Häftling machte eine unbestimmte Geste und verabschiedete den Wärter. Er hatte es eilig, allein zu sein, um endlich Zweck und Ziel des merkwürdigen Geschenks kennenzulernen.

Kaum hatte sich die Tür hinter Crossby geschlossen und hatten sich dessen Schritte auf dem Flur entfernt, lief Robert zum Fenster, zog die Vorhänge zu, riß Siegel und Schnur von dem Päckchen, öffnete die Schachtel und starrte überrascht auf den Inhalt. In Watte gepackt, lag da ein kleines Fläschchen mit einer farblosen Flüssigkeit. Auf dem Flaschenetikett stand: »Blausäure«.

Der Gefangene betrachtete voller Entsetzen den Flakon. Er wußte, daß er eins der schrecklichsten Gifte vor sich hatte. Ein Tropfen genügte, um sofort den Tod herbeizuführen. Er hielt genug in seiner Hand, um ein ganzes Regiment umzubringen. Was bedeutete diese Todesbotschaft? Sahen ihn seine Freunde etwa schon als verloren an? Sollte der makabre Scherz bei seiner Einlieferung in Fort Macquarie gar bittere Realität werden? Oder verbarg sich dahinter eine neuerliche Kabale Allsmines? Sollte er diese Art von Freiheit dem Galgen vorziehen?

Vorsichtig nahm er die Flasche aus der Schachtel. Da entdeckte er einen winzigen Zettel.

Er hatte das Empfinden, daß der kleine Zettel die gesuchte Erklärung enthalten müsse. Zitternd hielt er ihn an seine Augen. Zwei Zeilen nur enthielt die Botschaft: »Vertrauen. Trink alles aus. Vernichte den Zettel.«

»Seine Schrift«, murmelte Robert. »Seine Schrift.«

Eine Zeitlang lief er in der Zelle auf und ab und überlegte. Was hat er vor? dachte er. Ich weiß es nicht, aber ich vertraue ihm. Ich habe mich seinem Willen untergeordnet, mich ganz in seine Hand begeben. Ich gehorche und hoffe.

Er zündete eine Kerze an und hielt den Zettel daran. Der verbrannte sofort. Die Asche zerkrümelte er sorgfältig.

»So«, sagte er. »Keine Spuren hinterlassen. Nun muß ich nur noch meinen Tod in Szene setzen.«

Mit eiskalter Ruhe setzte sich Robert an den Tisch, riß ein Blatt Papier aus seinem Notizblock und warf einige Zeilen hin: »Ich setze meinem Leben aus freien Stücken ein Ende. Niemand außer mir ist schuldig an meinem Tod.«

Als das getan war, griff er zu dem Fläschchen.

»Nun«, sagte er seufzend, »Vertrauen ist gut, aber Kontrolle wär mir lieber.«

Dann warf er sich lächelnd auf sein Bett.

»Was auch immer mit meinem Körper geschehen mag, Lotia, meine Seele trinkt nur dich.«

Er leerte das Fläschchen auf einen Zug. Ein starker Bittermandelgeruch erfüllte den Raum. Das war das einzige, was er noch klar empfand, bevor es schwarz um ihn wurde.

Eine Stunde vor der Abendmahlzeit suchte Crossby den Gefangenen auf, um die Wünsche für das Abendessen entgegenzunehmen. Er stieß einen Schrei aus, als er ihn auf dem Bett liegend fand. Er stürzte auf ihn zu, schüttelte ihn, doch er spürte sofort den eiskalten Hauch des Todes. Traurig blickte er ihn an.

»Sicher, sie ziehen alle Gift dem Strick vor«, murmelte er. »Schade. Er war zwar Pirat, allerdings so großzügig. Und dann hat er ja auch niemandem was getan. Nur die Polizei geärgert. Wenn man dafür alle henken würde … Aber ich muß den Gefängnisdirektor benachrichtigen.«

In Sekundenschnelle war ganz Fort Macquarie in hellem Aufruhr. Mr. Caumbay, der Gefängnisdirektor selbst, machte sich auf den Weg zu Allsmine, um diesen über den Vorfall zu unterrichten.

Groß, dick, stattlich – so präsentierte er sich im Haus in der Paramata Street. Ein Mann von dieser Statur beengt jedes Vorzimmer, und so wurde Mr. Caumbay auch sofort ins Arbeitszimmer von Allsmine geführt, in dem dieser dabei war, mit James Pack die Anklagepunkte gegen Korsar Triplex durchzugehen.

»Ah, Mr. Caumbay, es ist mir eine Ehre, Sie bei mir zu sehen«, sagte Allsmine. »Erst neulich habe ich ein Buch von Ihnen in der Hand gehabt, zweifellos ein Produkt Ihrer Freizeit, in dem Sie mit seltener Meisterschaft alle achthundert Affenarten, die wir auf unserem Erdball zählen, katalogisiert haben.«

»Oh«, erwiderte der Besucher bescheiden, »wie Sie wissen, stammt der Mensch vom Affen ab. Affenarten zu katalogisieren ist demnach nichts weiter als Stammbaumforschung. Aber erlauben Sie, daß ich als Hobbyautor in den Hintergrund trete und als Direktor von Fort Macquarie spreche.«

»Wenn Sie wollen, natürlich. Was ist denn geschehen?«

»Ein ärgerlicher Vorfall«, sagte Mr. Caumbay. »Ja wirklich. Korsar Triplex …«

»… ist geflohen?«

Es war kein Aufschrei, sondern ein unmenschliches Geheul, mit dem der Polizeichef diese beiden Worte begleitete. Gleichzeitig war er wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl emporgeschnellt.

»Er ist vor dem Leben geflohen«, beruhigte ihn der Gefängnisdirektor. »Das ist die einzige Art von Flucht, die unsere Mauern erlauben.«