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»Unbekannt! Glauben Sie! Wie schon gesagt, wir wußten, indem wir Sie beobachteten, daß Sie ohne Waffen und Nahrung waren; daß Sie sich wegen einer überaus wichtigen Angelegenheit nach Norden wandten; wäre diese Angelegenheit nicht so wichtig gewesen, dann hätten sie gewiß nicht die höchsten Baumwipfel erstiegen, um von dort aus Ihren Weg festzulegen. An Ihrem Akzent merke ich, daß ich einen Franzosen vor mir habe; an Ihren Manieren, daß ich mit einem Gentleman spreche …«

Und da Robert ob dieser schnellen Analyse seiner Person mit demselben offenen Mund wie kurz zuvor dastand und auf die Worte seines Gegenübers nur mechanisch nicken konnte, schloß dieser lächelnd: »Eine einzige Sache fehlt bei diesem Signalement, im Busch ist sie freilich kaum von Belang.«

»Und die wäre?«

»Worum ich Sie nicht bitte, ist, daß Sie Ihren Namen nennen.«

Diesmal war es an dem Franzosen, freiheraus zu lachen, und mit unverblümter Offenheit erklärte er: »Auf diese Frage würde ich auch nicht antworten.«

»Ich will nicht weiter in Sie dringen.«

»Aber ich fühle mich verpflichtet, es Ihnen verständlich zu machen. Ich habe keinen Namen.«

»Mein Gott!« murmelten Roberts Gesprächspartner und tauschten einen vielsagenden Blick.

Der junge Franzose mißdeutete den Sinn dieses Blickes und dieses Ausrufs und beeilte sich hinzuzufügen: »Das heißt, daß ich den Namen, auf den ich getauft bin, verloren habe und man mir einen anderen gegeben hat, den ich nicht tragen will. Sie werden das kaum verstehen …«

Der Bucklige schüttelte den Kopf.

»Ich bitte um Verzeihung, aber ich verstehe sehr gut, denn … auch mir hat man meinen Namen genommen.«

»Genau wie mir«, pflichtete der Junge bei, der bis jetzt geschwiegen hatte.

Das war nun wirklich ein mehr als merkwürdiges Zusammentreffen, und Robert rief ganz aufgeregt aus: »Dann ist ja der Eigenname, den ich mir gab, nicht nur mein eigener; sondern auch der Ihre …«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Nun, irgendeinen Namen muß der Mensch ja haben, deshalb nannte ich mich in schlichter Melancholie ›Mr. Zero‹. Und nun will es der Zufall, daß ich mitten in der allergrößten Einöde auf zwei andere ›Zeros‹ treffe.«

Die beiden lachten.

»Ich nehme an, Sie wollen damit nicht behaupten«, sagte der Ältere von den beiden, »daß Sie eine Null sind.«

Der Franzose senkte den Kopf.

»Nun, ich hoffe nicht …, obwohl ohne mein Gewehr bin ich wirklich nicht mehr viel wert.«

»Ist es nur das?« erwiderte der Unbekannte herzlich. »Wir haben ein Gewehr übrig. Es steht Ihnen zur Verfügung.«

Der Franzose war über diese Großzügigkeit, die er in einem so unzivilisierten Land antraf, mehr erstaunt, als wenn man ihm in einem zivilisierten Land ein Vermögen geschenkt hätte. Stotternd stattete er seinen Dank ab.

»Reden wir nicht mehr davon«, sagte der bucklige Unbekannte. »Einzig das Gewehr gibt der Null Wert, und nicht nur mathematisch gesehen. Doch wenn ich ernsthaft etwas bemerken darf, so sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß ich unser Zusammentreffen durchaus als nützlich für uns drei ansehe. Allerdings ist dazu nötig«, fügte der Buschläufer nach einer leichten Pause hinzu, »daß wir uneingeschränktes Vertrauen zueinander haben.«

Er lächelte.

»Mir fällt das freilich nicht schwer, denn ich vertrete drei bewaffnete Männer gegen einen unbewaffneten Mann; deshalb werde ich Ihnen eine Anzahlung leisten.«

Mit einer Handbewegung rief er Mora-Mora zu sich und flüsterte diesem einige Worte zu. Der Eingeborene lief daraufhin zum Schuppen und kehrte mit einem Karabiner englischen Fabrikats zurück, den er Robert aushändigte.

»Sieh an«, sagte der Bucklige, »Ihr Wert steigt schon; Ihre Augen blitzen, Ihr Körper strafft sich. Ihr Gesichtsausdruck verrät den ehrenwerten Mann, Ihre Haltung den tapferen, ich bin entzückt. Glauben Sie sich jetzt in Sicherheit?«

Statt einer Antwort warf sich der Franzose die Waffe über die Schulter.

»Das nenne ich eine beredte Geste, die mir zusagt. Aber unsere Mahlzeit scheint gar zu sein, speisen wir, wir können auch beim Essen reden.«

Augenblicke später saß Robert neben seinen beiden neuen Freunden und Mora-Mora am Feuer und machte sich mit ihnen über die köstlichen Tauben her, deren Fleisch angenehme Erinnerungen an Fasane aus den Vogesen weckte. Würziger Tee stillte ihren Durst.

»Bei dem Labsal meiner Seele«, bemerkte Lotias Geliebter gutgelaunt, »das nenne ich das Ei des Kolumbus – respektive die Mutter vom Ei!«

Diese Bemerkung erheiterte seine Gäste, und der Bucklige erwiderte: »Es wäre töricht, sich entgehen zu lassen, was man haben kann. Das ist meine physische Doktrin … und auch meine moralische, wie Sie gleich an meiner Frage merken werden. Aber Sie müssen nicht antworten, wenn Ihnen meine Frage zu indiskret erscheint.«

Er trank einen Schluck Tee, ehe er diese Frage stellte.

»Können Sie mir sagen, was Sie in dieser Einöde eigentlich suchen?«

Der Franzose hatte diese Frage bereits seit einiger Zeit erwartet, deshalb antwortete er, ohne zu zögern: »Sehr gern.«

»Ich höre.«

»Ich suche den Namen, den ich verloren habe.«

Bei diesen Worten hörten die beiden Weißen auf zu kauen. Auf ihren Zügen zeigte sich unbeschreibliche Überraschung, die Robert nicht entging.

»Das wundert Sie?« fragte er.

»Ja«, beeilte sich der Bucklige zu versichern, »ja, gewiß doch, aber unser Erstaunen rührt von der vollkommenen Übereinstimmung Ihrer Situation mit der unseren.«

»Was, auch Sie suchen …«

»Unsere Namen, schlichtweg gesagt.«

Das Merkwürdige an der Begegnung dieser drei Männer schien zuzunehmen, je länger sie miteinander sprachen.

»Ich darf meine Frage etwas erweitern«, fuhr der blonde Buschläufer freundlich fort. »Kennen Sie den Namen, den zu suchen Sie sich aufgemacht haben?«

»Doch. Ich habe ihn lange genug getragen, so daß ich ihn niemals vergesse.«

»Und wie ist er …?«

Bevor er etwas erwiderte, überlegte der Franzose einen Augenblick. War es nicht unvorsichtig, sein Geheimnis diesen Männern anzuvertrauen, die er zwar liebenswürdig fand, von denen er aber nichts weiter wußte? Die ehrlichen Gesichter seiner Zuhörer gaben jedoch den Ausschlag.

»Es ist das Geheimnis meines Lebens und vielleicht mein Glück von morgen, das ich Ihnen anvertraue; wie Sie sehen, habe auch ich Vertrauen zu Ihnen.«

Der Bucklige verneigte sich.

»Der Name ist Robert Lavarède.«

»Lavarède?« fuhren die beiden auf.

»Was! Sie haben ihn doch nicht etwa schon einmal gehört?«

»Doch.«

»Sie? Wo? Wann? Wie?«

Der Franzose war aufgesprungen und stellte dieses Trommelfeuer von Fragen wild gestikulierend.

»Na, na, ein wenig Gelassenheit«, empfahl der Bucklige. »Ich werde Ihnen alles erklären, aber vorher noch einige Worte.«

»Wie Sie wollen.«

»Sie waren in eine ägyptische Konspiration verwickelt und führten den Namen Thanis.«

»Das ist richtig, von wem wissen Sie das?«

»Warten Sie. Die geliebte Frau, von der Sie sprachen, ist Miß Lotia Hador?«

»Ja, sie ist es.«

»Und Sie waren der Gefangene eines Farmers von Mount Magnet, Mr. Parker.«

»So ist es.«

»Nun, dann kenne ich Sie und vermute auch das Ziel Ihrer Reise: Sie sind zum Mount Magnet unterwegs, um dort einen gewissen Niari ausfindig zu machen, der über all Ihre Abenteuer auf dem laufenden ist?«

»Sie sagen es!«

»Nun gut! Ich hatte recht, unser Zusammentreffen hat ein erstes Resultat. Und zwar dieses: Sie von einem unnützen Weg abzuhalten.«