»Sie machen mir Spaß! Wissen Sie, es sind elektrische Apparaturen, die meinem Schiff Licht, Wärme, kurz Energie geben. Sie können ausfallen oder müssen repariert werden. Nun, in meinem Dasein ist jede Minute kostbar, ich kann es mir nicht leisten, ohne Handlungsfreiheit zu sein. Ich habe also einen Hilfsmotor an Bord, der mit Nadol angetrieben wird, dem nicht brennbaren Benzin. Wenn nun meine Elektrizität ausfällt, benutze ich Nadol. Dafür sind die roten Tasten da. Jede hat dieselbe Funktion wie die entsprechende weiße Taste.«
»Ich verstehe.«
»Noch ein Wort. Während der Fahrt werde ich Ihnen den Maschinenraum zeigen. Ich muß Ihnen, vereinfacht, das Prinzip meines Unterseebootes erläutern. Bisher haben die Menschen immer danach gestrebt, auf der Oberfläche des Wassers zu schwimmen; sie haben ein ›Schwanen-Schiff‹ erfunden, wenn ich mich so ausdrücken darf. Ruder, Segel, Schaufel, Schrauben sind Fortbewegungsprinzipien von Wasservögeln. Hier dagegen hat man sich von der Fortbewegung des Fisches leiten lassen.«
»Des Fisches, sagen Sie?«
»Absolut, wie Sie sich selbst überzeugen können. Die Eigentümlichkeit der Fischfortbewegung besteht darin, daß der Fisch völlig ins Wasser eintaucht. Um in eine mehr oder minder große Tiefe zu gelangen, bedient sich der Fisch einer Schwimmblase, die mit Luft gefüllt ist. So stellt er das Gleichgewicht mit seiner Umgebung her; das heißt, daß es ihm gelingt, genauso schwer zu sein wie die Menge Wasser, die er verdrängt, und steigen oder tauchen bedeutet nur, ein Gleichgewicht zu dem gegebenen Niveau herzustellen. In unserem Boot wurde die Schwimmblase durch Wasserreservoirs ersetzt. Sind diese Tanks leer, so schwimmt das Boot wie im Augenblick unserer Ankunft: an der Oberfläche. Werden die Tanks geflutet, so sinken wir. Anzeigegeräte sorgen dafür, daß die Menge des Wassers immer der Gewichtsverdrängung entspricht, je nachdem, wie tief wir tauchen – zehn, hundert, tausend Meter unter der Wasseroberfläche.«
»Tausend Meter!« rief Robert. »Sie kommen in solche Tiefen?«
»Ich gehe mühelos bis zu sechstausend Meter hinab. Das in drei Stücken gegossene Schiff hält den stärksten Drücken stand. Es wirkt wie ein Felsbrocken.«
»Solch eine Entdeckung …! Wer hätte das gedacht.«
Der Bucklige lächelte.
»Das Prinzip, das ich Ihnen eben erklärt habe, wurde von einem Ihrer Landsleute erdacht und auch erprobt.«
»Einem Franzosen …?«
»So ist es. Einem genialen Kopf, der heute noch hartnäckig darum kämpft, daß man seine Erfindung anerkennt, während ich schon dank ihrer durch die Meere eile. Ein verkannter oder unbekannter Mann, dem die Nachwelt sicher ein Denkmal setzen wird.«
»Und wie heißt er?«
»Goubet, und er hat sein Büro in Paris, Boulevard Haussmann fünfundachtzig. Seine Versuche hat er im Hafen von Cherbourg gemacht, in den Docks von Saint-Ouen.«
»Aber dann ist das ja ein ernsthaftes Unterfangen.«
James machte eine Handbewegung, die den ganzen Raum umfaßte, und sagte: »Sie sehen ja selbst.«
Robert sah es, gewiß. Er sah es noch besser nach einer kurzen Inspektion im Inneren des Schiffes. Im Verlauf einer Viertelstunde hatte er den Mannschaftsposten im Heck aufgesucht, den Maschinenraum mit den vielen Spulen, Elektromagneten, Batterien, die sämtlich mit einem Gewirr von Kabeln verbunden waren. Dann waren da noch die Doppelschraube, die Kabinen, die Vorratskammern, der Scheinwerfer, das Ruderhaus usw. usw.
Die beiden Männer fanden sich wieder im Salon ein, vor dem Klavier mit den weißen und den roten Tasten. Von den neuen Eindrücken noch ganz benommen, versuchte Robert seine Gedanken zu ordnen. Da legte ihm James Pack die Hand auf die Schulter.
»Sie haben gesehen.«
»Gewiß.«
»Würden Sie nach alldem glauben, daß ein Mann, der drei solcher Boote besitzt, sich Herr der Welt nennen dürfte?«
»Er könnte das Universum herausfordern.«
»Nun gut, diesen Mann gibt es, er steht vor Ihnen.«
»Was? Sie …?«
»Ich kommandiere drei Unterseeboote. Mein junger Freund ist mein Leutnant und führt eins der Schiffe; wollen Sie der Kapitän des dritten sein?«
Robert zögerte.
»Sie wären nicht mehr der waffenlose Bürger, ein Spielball finsterer Machenschaften aktueller Politik der Großmächte, sondern ein furchtbarer Feind, mit dem zu rechnen ist.«
Robert schwieg noch immer.
»Und außerdem wären Sie mit einem Namen versehen, demselben Namen, den auch ich auf See trage.«
»Ein Name? Ich verstehe nicht.«
»Mir ist nur so eine Idee gekommen. Sie, mein Leutnant und ich selbst, wir hätten ab nun eine einheitliche Bezeichnung – ein Wille in drei Köpfen, eine Entscheidung, die wir drei bereit sind auszuführen. Die Welt würde zittern vor den Heldentaten des …«
»Des …?«
»Des Korsaren Triplex.«
»Korsar Tripl…, ich bin dabei …, ja, wirklich, drei Schiffe, drei Kapitäne, und immer nur ein Name: Triplex.«
»Das heißt die Gabe der Allgegenwart … Die Wissenschaft erzeugt das Phantastische. Der Unangreifbare wird dreimal zugleich zuschlagen. Aber damit dieser Plan, der aus unserem Zusammentreffen entstanden ist, auch erfolgreich ist, brauche ich Ihrerseits blinden Gehorsam, eine nie anzuzweifelnde Ergebenheit.«
Robert reichte ihm die Hand und sagte: »Ab jetzt bin ich Ihr Diener.«
Bei diesen Worten leuchteten James’ Augen.
»ich zähle auf Sie. Begleiten Sie mich zur Brücke.«
Einen Augenblick später standen die beiden neben der Decksluke, und auf Befehl des Buckligen zündete ein Matrose eine Rakete, die in den nachtdunklen Himmel zischte.
Am Ufer blitzte es auf, einige Sekunden später war ein dumpfer Knall zu vernehmen.
»Fein«, murmelte der Korsar. »Mora-Mora hat das Signal gesehen, er hat mit seinem Gewehr geantwortet. Steigen wir unter Deck, das Schiff wird sich in Marsch setzen.«
Der neugierige Robert wollte James etwas fragen, aber der legte einen Finger an seine Lippen, und Robert stellte eingedenk seines Schweigegelübdes keine weiteren Fragen.
In den Salon zurückgekehrt, postierte sich James vor der Steuerklaviatur. Seine Finger huschten über die Tasten. Sofort ließ eine kaum merkbare Erschütterung den Boden unter ihren Füßen erbeben.
»Wir bewegen uns!« rief der junge Franzose aus.
Er war von der wunderbaren Technik so beeindruckt, daß er bewegungslos dastand und jeden Meter, den das Boot unter Wasser zurücklegte, ganz außerordentlich zu genießen schien. Plötzlich zuckte er zusammen, die Tür des Zimmers hatte sich geöffnet. Auf der Schwelle stand ein entzückendes junges Mädchen, dessen Züge haargenau denen des Jungen glichen, der James Pack durch den Busch begleitet hatte.
Der Bucklige verstand, was seinen neuen Leutnant bewegte, und lächelnd und mit der gleichen Gewandtheit, als ob er sich in einer erlesenen Gesellschaft befinden würde, stellte er die beiden einander vor: »Miß, ich habe die Ehre, Ihnen Sir Robert Lavarède vorzustellen; Sir Robert Lavarède, Miß Maudlin Green, deren Geschichte Sie sofort hören werden.«
In kurzen Worten erzählte er Robert, was der Leser schon aus dem Kapitel mit den grünen Masken weiß. Er erzählte, wie der Polizeichef, nachdem er Lord Green getötet hatte, einen in Schulden verstrickten unglücklichen Mann namens Bob Sammy beauftragt hatte, sich zu der Farm am Lachlan River zu begeben und die kleine Maudlin zu ertränken.
»Ich bin davon unterrichtet worden«, sagte James Pack. »Wie? Nun, das spielt vorerst keine Rolle. Aber ich rettete das Kind. Ich war jung und mittellos und hatte keine Beweise gegen Allsmine. Zudem hatte niemand ein Interesse, gegen Allsmine vorzugehen, der mächtige Beschützer hatte. Ich hätte das Mädchen seiner Mutter zurückgeben können, doch ich befürchtete, daß ich es dadurch erneut demjenigen zuspielen würde, der seinen Tod befohlen hatte. Und wie gesagt, mir fehlten die stichhaltigen Beweise. Die Beteuerungen des Abenteurers Bob Sammy wären gegen das Wort des Polizeidirektors leeres Papier gewesen. Kurz, während ich noch zögerte, heiratete der Spitzbube Lady Joan Green, die Witwe seines ersten Opfers. Daraufhin hatte ich die Idee, so stark zu werden, daß jeder Widerstand an meiner Macht zerbrechen mußte. Ich übernahm die Erziehung der Kleinen. Ich erlegte mir Opfer auf, denn ich war nicht reich, und mein Ingenieursgehalt reichte gerade, um uns beide zu ernähren. Aber es gibt ja eine ausgleichende Gerechtigkeit.«