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»Ganz und gar nicht«, erwiderte Maudlin. »Schauen Sie auf das Manometer. Wir sind jetzt fünfzig Meter tief, und ein direkt über uns schwimmendes Schiff, das heißt also unter besten Beobachtungsbedingungen, würde nicht das geringste von uns sehen.«

Man schwieg und starrte wie gebannt durch die riesigen Bullaugen auf das seltene Schauspiel. Plötzlich wurde Lotias Aufmerksamkeit auf Schatten gelenkt, die an der Grenze des erleuchteten Sektors in entgegengesetztem Kurs unter dem Boot in rasender Geschwindigkeit vorbeischossen.

»Was ist das?« fragte sie.

»Felsen.«

Armand horchte auf.

»Klippen! Teufel! Teufel!«

Die anmutige Führerin drehte sich zu ihm um.

»Was haben Sie, Sir?«

»Nun …, ich …, mir ist gerade ein unangenehmer Gedanke durch den Kopf gegangen.«

»Und der wäre?«

»Der Scheinwerfer erfaßt nur einen beschränkten Umkreis, und wenn wir auf einen Felsen auflaufen …«

Maudlin antwortete mit einem perlenden Lachen, dann sagte sie: »Die Nummer zwei – denn dieses Schiff trägt die Nummer zwei, die Eins wird von James kommandiert und die Drei bisher von mir –, die Zwei also gehorcht dem Steuer mit erstaunlicher Leichtigkeit; wenn nötig, wirbelt sie sogar wie ein Kreisel um die eigene Achse.«

»Robert hat uns erzählt, daß dieses Schiff sechzig Meilen in der Stunde zurücklegen kann, das sind ja mehr als hundertundzehn Stundenkilometer.«

»Er hat Ihnen nichts Falsches gesagt.«

»Was ich wissen möchte: Welche Kraft ist nötig, um eine solche Geschwindigkeit zu erreichen?«

»Nun, das Schiff verdrängt exakt tausendachthundert Tonnen. Um eine solche Masse an Land in Bewegung zu setzen, damit sie diese Geschwindigkeit erreicht, braucht man mehr als zweitausend PS.«

»Demnach müßten sich ja riesige Maschinen an Bord befinden.«

»Genau. Nur, im Wasser benötigt unser Unterseeboot nicht mehr als fünfzig PS.«

»Fünfzig?«

»Ja. Sie haben richtig gehört.«

»Fünfzig! Mein Gott!«

»Aber Diskretion! Niemand kennt die Wirtschaftlichkeit unserer Maschinen.«

Ein Ausruf von Lady Joan unterbrach die Unterhaltung. Lord Greens Witwe hatte die ganze Zeit vor einem der großen Bullaugen gestanden und staunend die Wunderwelt des Ozeans betrachtet.

»Maudlin, mein Kind«, sagte sie, »komm einmal her. Ich habe etwas Großes gesehen. Was ist das bloß? Ich glaube, es ist ein riesiger Wal.«

Das junge Mädchen trat zu ihr.

»Aber Mutter, das ist doch das Unterseeboot von James. Sieh mal, es gibt uns Zeichen.«

In der Tat, der Scheinwerfer des Unterseebootes war eingeschaltet, er wechselte nacheinander von weiß zu grün, von grün zu gelb und endete schließlich in einem leuchtenden Rot.

»Was bedeutet das?«

»Denkt an eure Termine! Ich steche in See! Auf Wiedersehen!« antwortete Maudlin.

Kaum hatte sie den letzten Satz beendet, als der Scheinwerfer wieder in gewöhnlichem Weiß prangte, das Boot eine Umdrehung um sich selbst vollführte und kurz darauf in der dunklen Wassermasse verschwand.

Im selben Augenblick öffnete sich die Tür zum Salon, und Robert betrat den Raum.

»Meine Freunde«, sagte er, »jetzt stehe ich wieder zu eurer Verfügung. Übrigens habe ich noch eine Mitteilung …«

»Von Korsar Triplex«, sagte Lotia. »Zu spät, kennen wir bereits – Termine nicht vergessen, in See stechen, adieu.«

Robert staunte.

»Ich vermute, das war Miß Green, die das Geheimnis um unsere Lichtspiele gelüftet hat. In diesem Fall habe ich nichts weiter zu tun, als euch in eure Kabinen zu führen, denn nach den Aufregungen dieser Nacht habt ihr sicher Ruhe nötig.«

Der Vorschlag schien sie zu überraschen. Die außerordentliche Situation, in der sie sich befanden, hatte sie jegliche Müdigkeit vergessen lassen. Dennoch protestierte niemand; Roberts Worte erinnerten sie daran, daß es nach der anstrengenden »Auferstehung« auf dem Friedhof und ihrer Ankunft auf dem wundergleichen Unterwasserfahrzeug angebracht sei, Körper und Nerven Ruhe zu gönnen.

Wenige Minuten später hatten sich die Passagiere in den im hinteren Teil des Schiffes gelegenen Kabinen zur Ruhe begeben, während das U‑Boot Nummer zwei unter Führung seines Steuermannes mit voller Elektrizität in die friedliche Einsamkeit des Ozeans tauchte.

So groß war ihre Müdigkeit gewesen, daß sie trotz eines ganz und gar neuartigen Gefühls unterseeischer Existenz am nächsten Tag erst sehr spät erwachten. Gegen Mittag versammelte man sich im Speisesalon – er lag neben dem eigentlichen Salon – zur ersten Mahlzeit des Tages.

Ein delikates Menü erwartete sie.

Neben den Produkten der Erde – Früchten, Gemüsen und vielerlei Arten von Fleisch – lagen köstliche Fische mit bizarren Formen. Besonders wohlschmeckend erwies sich ein Salat aus rotem Seetang. Und als ob der Speiseplan, den Korsar Triplex für sie entworfen, nicht genügte, um sie bei Laune zu halten, umspielte sie nach der Mahlzeit der jodhaltige Geruch des Indischen Ozeans.

»Ah, woher kommt diese köstliche Brise?« fragte der stets neugierige Journalist.

»Ventilatoren«, erwiderte Robert. »Dank unserer Sauerstofftanks und Behälter, die mit Ätzstein gefüllt sind, können wir uns unsere Luft selber machen. Aber wenn es geht, ziehen wir es vor, an die Wasseroberfläche aufzusteigen. Wir öffnen die Luken, und die starken Ventilatoren sorgen dafür, daß die verbrauchte Luft erneuert wird.«

Er lud Lotia ein, mit ihr auf die Brücke zu kommen. Sie erhob sich, und beide schritten sie durch den Flur bis zum Fuß der Treppe, die nach oben führte. Die Luke war weit geöffnet und ließ sie ein Stück blauen Himmel erkennen. Die beiden stiegen die Leiter hinauf und setzten ihren Fuß auf die im Sonnenlicht glänzende Metallkuppel. Einen Augenblick standen sie unbeweglich, wie blind durch den plötzlichen Übergang vom Halbdunkel ins gleißende Sonnenlicht, dann blickten sie sich um. Der Horizont war ein vollendeter Halbkreis. Keine Insel, keine Klippe unterbrach die grüne Monotonie des Ozeans.

Nummer zwei schien ein verlorenes Pünktchen inmitten der flüssigen Wüste. Aber weder Lotia noch Robert fühlten sich einsam oder gar traurig. Sie, die glaubten, für immer voneinander getrennt leben zu müssen, waren beieinander, und die weite azurblaue Himmelskuppel, die sich auf dem meergrünen Teppich des Ozeans zu räkeln schien, erfreute ihre Augen.

Warum auch hätte sie der Anblick des Ozeans schrecken sollen? Bei Seeleuten und bei gewöhnlichen Reisenden mag die gewaltige Wassereinöde finstere Gedanken an Schiffbrüche und Geisterschiffe, die von Toten gelenkt werden, heraufbeschwören. Aber für die beiden war die grüne Weite eine Freundin. Hatte sich nicht in ihr ein Beschützer verborgen, der sie gegen ihre Feinde in Schutz nahm? Und deshalb betrachteten sie die Wellen, die sich am Metallmantel ihres Schiffes brachen, mit Wohlgefallen.

Plötzlich riß sie das Geräusch von Schritten, die auf der Metallkuppel widerhallten, aus ihren Träumen. Sie drehten den Kopf und schienen erfreut. Vor ihnen stand der Ägypter Niari.

Der ehemalige Vertraute von Thanis verbeugte sich. Er ging auf Lotia zu, kniete vor ihr nieder und hob grüßend die Hände über den Kopf. So glich er haargenau einem der Basreliefs vom unteren Nil, auf dem die Anbeter der Pharaonen dargestellt waren.

»Tochter der Könige, Niari grüßt dich. Du leuchtest in seinen Augen wie der Abendstern.«

»Erheb dich, Niari«, sagte die junge Frau sanft. »Erheb dich. Es ist nicht die Tochter mächtiger Pharaonen, die dir die Hand reicht, nein; es ist ein armes Mädchen, das Opfer schändlicher Machenschaften, die hofft, daß dein Mund endlich die Wahrheit sprechen möge und ihrer Trauer ein Ende setzt.«

»Sie ist traurig, die Gazelle mit den Samtaugen, die ihr Vater Yacub Hador dem Sieger über die Rotröcke zur Frau geben wollte. Also habe ich meine Pflicht versäumt. Ich hätte der erste sein müssen, der sie begrüßt, aber ich wußte nicht, daß sie auf diesem Schiff weilt. Eben erst habe ich erfahren, daß Ihr hier seid.«