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Diesmal hatte der Journalist keine weiteren Fragen, und mit Hilfe des Matrosen ließ er sich die Metallkapsel, die seinen Kopf bedecken würde, auf den Schultern festschrauben.

Die Luftzufuhr funktionierte sofort. Er bemerkte zufrieden, daß er mühelos atmen konnte. Und so blickte er durch die Glasschlitze, die rings um seine Kugelhaube eingelassen waren. Er sah, wie die Matrosen die Schleusenkammer verließen und sich die Tür hinter ihnen schloß. Er kicherte vor sich hin. Denn ihm gegenüber standen Joan, Aurett, Maudlin und Lotia in gleichen Taucheranzügen. Sie hatten das schwerfällige Aussehen grotesker Krieger. Gewiß hätte niemand in ihnen die eleganten Damen wiedererkannt, die sie vor Betreten der Schleuse noch gewesen waren.

Der Eindruck von Kühle, den er an seinen Füßen spürte, riß ihn aus seinen Betrachtungen. Er blickte nach unten. Der Boden war unter Wasser, und dieses Wasser stieg von Minute zu Minute höher. Er begriff, daß man die Zuleitungshähne geöffnet hatte und die Schleuse mit Wasser füllte. Es war für ihn ein seltsames Gefühl, das Gefühl eines Landbewohners, der nun zu einem amphibischen Wesen wurde, das am Grunde des Meeres lebte, ein Gefühl, das er sich nie zu träumen gewagt hatte. Er dachte daran, daß ihn das Wasser bald bedecken würde, wie es auch die anderen bedeckte, die sich nur dank eines außergewöhnlichen Zwischenfalls hier befanden. Und er dachte auch daran, daß sie nun bald dem Schutz ihrer Taucheranzüge auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Das bereitete ihm doch einiges Herzklopfen. Aber dieser Schwächeanfall dauerte nicht einmal eine Sekunde. Schnell siegte wieder die Neugier, und er machte sich erneut daran, genau zu beobachten.

Jetzt reichte ihm das Wasser schon bis zum Gürtel. Und es stieg und stieg … Allein der Kopf war noch über dem Wasserpegel, aber da umspülte das Wasser schon die Lippen, die Nase, die Augen, bis sein Metallhelm völlig unter Wasser stand. Er fühlte sich mit einemmal federleicht. Der Taucheranzug hatte aufgehört, auf ihm zu lasten. Und wie ein Mensch, der lange zur Unbeweglichkeit verurteilt ist, bewegte er Arme und Beine mit wachsender Genugtuung. Es ging alles wunderbar leicht.

Plötzlich vernahm er eine Stimme an seinem Ohr: »Nun, Cousin, geht es jetzt besser?«

Er zuckte instinktiv zusammen. Wer redete da mit ihm? Doch da entsann er sich der im Helm angebrachten Telefonverbindung, die von der Batterie gespeist wurde, die unter dem Elektroakkumulator angebracht war.

Es war Robert, der da mit ihm sprach. Schnell näherte er seine Lippen dem beweglichen Plättchen und sagte: »Viel besser. Es ist nur finster wie in einem Tunnel.«

»Warte, es wird bald heller. Ich unterbreche jetzt, weil wir ins Meer tauchen.«

Einen Augenblick herrschte Stille, dann glitt langsam ein Teil der Wand auseinander und gab eine rechtwinklige Öffnung frei, durch die Licht fiel. Zweifellos war das die Sonne, die jedoch durch das Meerwasser gebrochen wurde.

Schon war Maudlin nach draußen geglitten. Sie hielt das Ende einer Leine in der Hand, an deren anderem Ende Joan, Aurett und Lotia folgten. Armand dachte, daß dies eine weitere Vorsichtsmaßnahme sei, um sich nicht zu verlieren, und er griff danach. Hinter ihm schloß sich die Tür wieder.

Sie empfanden ein merkwürdiges Gefühl, als sie aus dem Umkreis des Unterseebootes herausgekommen waren. In dreißig Meter Tiefe herrschte noch genug Sonnenlicht, daß sie ihre Umgebung, wenn auch etwas dunstig, so doch relativ deutlich erkennen konnten. Im Umkreis von hundert Metern sahen sie beinahe genausogut wie auf der Oberfläche der Erde. Sie schritten über Sandboden, in dem ihre Fußabdrücke eine leichte Spur hinterließen. Muscheln, winzige Lebewesen wuselten zu ihren Füßen, und manchmal, wenn sie auf Algen traten, die mit ihren Wurzeln im Gestein saßen, flüchteten Schwärme von kleinen Fischen pfeilschnell davon.

Als Armand den Kopf wandte, sah er, daß das U‑Boot sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte. Es hatte seine Geschwindigkeit der seiner Passagiere angepaßt und schwebte nun wie ein riesiger Wal über ihnen. Und der Pariser, der sich recht schnell in die neue Lage als Meeresforscher versetzt hatte, machte seinem Cousin über Telefon klar, daß er sich wie Jonas fühle, der seinen gezähmten Wal hinter sich herzöge. Wie man sieht, war er ganz der alte Witzbold.

Bald änderte sich das Geläuf. Statt des Sandbodens liefen sie nun auf Steinen, die mit Seegras bewachsen waren, das in allen Farbtönen prangte – von klarem Gelb bis zu rotem Braun und einer unerschöpflichen Zahl von Grün. Sie entdeckten Austern, erst vereinzelt, dann in immer größerer Zahl.

Robert telefonierte mit seinem Cousin.

»Wir sind im Fanggebiet. Die ›Perlensaison‹ hat noch nicht begonnen, also werden wir keine Mühe haben.«

Und wie aus innerer Genugtuung heraus, Armand dieses »neue« Gebiet vorstellen zu können, erzählte er ihm, der es zweifellos genausogut wußte, wie man nach Perlen taucht.

»Ein bestimmtes Gebiet wird von einem Unternehmer gekauft, der die Tauchermannschaft zusammenstellt. Letztere lassen sich an einer Leine, die auf der einen Seite am Schiff befestigt, am anderen Ende mit einem großen Stein beschwert ist, auf den Meeresboden hinab. Dort sammeln sie so viele Muscheln ein, wie sie nur können, stecken sie in einen Beutel, den sie um die Hüften tragen, und steigen wieder nach oben. Sie erholen sich einige Minuten, dann geht es erneut los.«

Entzückt, reden zu können, ohne unterbrochen zu werden, denn Lavarède, Armand, hörte seinem Cousin nur mit halbem Ohr zu, fuhr Robert fort. Er erzählte, daß man die eingesammelten Austern ans Ufer werfe, wo sie verdürben, denn man sei ja nur hinter Perlen her. Er erzählte, daß man vor Ceylon die weißesten, auf den Anambasinseln die blauesten und im Norden der Philippinen die schönsten rosafarbenen finde. Er erging sich dann in den originellsten Betrachtungen über die Perle im allgemeinen, sang ein Lied auf die Miesmuschel, in der man schwarze Perlen finde, und kam schließlich auf die chinesische Süßwassermuschel zu sprechen, die perlmuttfarbene Perlen hervorbringt und mit der die Kinder des Reichs der Mitte in geradezu arbeitsteiliger Weise kooperieren.

»Ja, Cousin«, sagte er. »Diese Muscheltiere werden verpachtet. Die Besitzer von Austernparks schneiden kleine Zinnblättchen in Form von Blumen, realen oder symbolischen Tieren zu und zwängen sie ins Muschelinnere. Die armen Tiere, deren Fleisch so zart ist, werden von diesen Fremdkörpern verletzt, und um ihrem Schmerz ein Ende zu machen, bedecken sie sie mit Perlmutt, runden ihre Ecken ab, schleifen ihre Oberfläche. In sechs Monaten haben sie so Blume oder Tier bearbeitet. Das ist der Ursprung der hübschen chinesischen Perlmuttarbeiten, die wir so sehr bewundern, ohne zu wissen, daß sie das bescheidene Werk von Muscheln der Art Unio dipsas plicatur sind.«

»Apropos«, unterbrach ihn der Journalist, »weißt du, wie die Perlen entsprechend ihrem Wert und ihrer Schönheit auf dem Markt heißen?«

»Mein Gott, nein.«

»Nun, dann verleibe das in dein wissenschaftliches Repertoire ein. Es gibt zehn Arten. Ich beginne mit den wertvollsten: die Anie, die Anathorie, die Masengoe, die Kalippo, die Korawell, die Pescal, die Odwoe, die Mandangoe, die Kural und die Thool. So was, mein Lieber, lernt man eben nur in Paris. Und nun laß mich die Gegend bewundern.«

Sicher war die Bemerkung des Journalisten nur zu gerechtfertigt, denn sie waren in einen Graben eingedrungen, zu dessen Seiten sanfte Abhänge anstiegen. Algen bedeckten den Boden, Tang wuchs auf dem Gestein, und wahre Austernkolonien zogen sich entlang ihres Weges hin. Plötzlich blieb Maudlin, die vorausging, stehen. Die anderen umstanden sie. Zu ihren Füßen gähnte ein rundes Loch.

Telefonisch setzte sie sich mit den anderen in Verbindung.

»Dieses Loch führt in eine Zone, die von den Perlentauchern sicher noch nie erkundet wurde. Wenn ihr einverstanden seid, versuchen wir, in das Gebiet vorzudringen. Es müßte dort Perlengründe geben, die noch nie jemand abgesucht hat. Das heißt, wir finden vielleicht außergewöhnlich große Perlen.«