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Eine Gruppe allerdings schien sich der allgemeinen Aufregung zu enthalten und erregte gerade deshalb Sillys Aufmerksamkeit. Sie bestand aus einem Gentleman und zwei jungen Damen. Er war mittelgroß, hatte ein offenes Gesicht, einen flinken, lächelnden Blick, der kastanienbraune Schnurrbart war gezwirbelt, und der Mann hatte etwas, was sofort den Franzosen verriet; von seinen entzückenden Begleiterinnen war die eine blond und die andere schwarz; in der blonden Dame erkannte man unschwer den unwiderstehlichen Charme der Engländerin, während die nicht weniger schmucke Dame mit dem bronzefarbenen Teint und den großen schwarzen Augen die Anmut einer Wüstengazelle besaß.

Sehr ruhig und amüsiert lächelnd, hatte der Gentleman die Träger abgewiesen, die ihm sein Gepäckstück, das er in der Hand hatte, entreißen wollten. Ohne Hast war er dann auf zwei kräftige Gesellen losgegangen, hatte die Koffer abgestellt und sie mit seinem Stock angestoßen.

»He, Boys«, sagte er in ausgezeichnetem Englisch, »zum Centennial-Park-Hotel.«

Einer der so Angesprochenen zeigte mit der Hand auf die Fahrzeuge.

»Der Omnibus ist übervoll, Sir.«

»Macht nichts, wir gehen zu Fuß. Kaum Gepäck, nur drei Köfferchen. Wir reisen zu unserem Vergnügen und kaufen uns unterwegs, was wir brauchen.«

Mit sichtlichem Respekt nahmen die Gepäckträger die Koffer auf. In Australien, wo man nur in Geschäften unterwegs ist, erfreut sich jemand, der »nur zum Vergnügen reist«, besonderer Wertschätzung. Denn zweifellos muß ein Mann, der nur globetrottet, ohne dabei danach zu trachten, Geld zu »machen«, zuviel davon haben. Was man vor sich hatte, war also kein Mensch, sondern ein Stück Kapital. Die Boys hatten sich auf den Weg gemacht. Der Gentleman wandte sich erst zu seiner blonden, dann zu seiner dunklen Begleiterin und fragte mit sanfter, klingender Stimme: »Wenn es dir recht ist, Aurett …, wenn es Ihnen konveniert, Lotia, so heften wir uns an die Fersen der beiden.«

»Mein herzallerliebster Gatte«, antwortete die blonde Engländerin, »ich stehe zur Verfügung.«

»Und Sie, Lotia?«

»Ich ebenfalls, Monsieur Lavarède.«

Silly, der sich inzwischen den dreien genähert hatte, war nicht ein Wort der Unterhaltung, obwohl sie in französisch geführt wurde, entgangen. Ein überraschter, freudiger Ausdruck war auf seinem Gesicht erschienen, in seinen Augen hatte es geblitzt.

»Lotia, Aurett, Lavarède«, murmelte er.

Seine Augen ruhten aufmerksam auf den drei Reisenden, deren Namen er soeben gemurmelt hatte. Plötzlich machte er eine entschlossene Bewegung. Er griff nach der Tasche, die Lotia in der Hand hielt, und bat im plärrenden, klagenden Tonfall der Händler: »Silly tragen Tasche von Miß. Zwei Pence für Weg.«

»Was soll das?« fragte Lavarède.

Die Träger hatten sich umgedreht. Einer von ihnen erklärte: »Das ist Silly, ein armer kleiner Kerl, bei dem eine Schraube locker ist. Man tut ein gutes Werk, wenn man ihm ein paar Pence gibt, damit er sich etwas zu essen kaufen kann.«

»Gut, gut. Also, Bursche, trag diese Tasche und folg uns.«

Silly beugte gravitätisch den Kopf und lief neben den Reisenden her, die miteinander schwatzten, ohne sich weiter um ihn zu kümmern.

»Und Sie meinen, wir werden in Sydney Glück haben?« fragte die braunhäutige Lotia mit einem Anflug von Zweifel in der Stimme den Mann.

»Ich bin sicher, daß wir meinen Cousin Robert hier finden werden, ganz sicher!« Und als er den Zweifel in Lotias Gesicht bemerkte, beeilte er sich hinzuzufügen: »Bedenken Sie, Lotia, wir haben die Spur des Flüchtenden. Und ich war schließlich nicht jahrelang umsonst Journalist, als daß ich jemand aufstöbere, der anscheinend vom Erdboden verschwunden ist. Ich versichere Sie, wir werden ihn wiederfinden.«

»Ich weiß, dank Ihnen haben wir ja seine Spur wiedergefunden und wissen, daß er sich in Italien, in Brindisi, nach Sydney eingeschifft hat. Und in Port Said haben Sie uns ja hinreichend bewiesen, daß er nicht von Bord gegangen ist.«

»Er kann nur hier an Land gegangen sein …«

»Jetzt müssen wir ihn also nur noch ausfindig machen«, sagte Aurett lächelnd.

Aber Lotia schüttelte den Kopf.

»Hier können wir uns doch nur an die Obrigkeit wenden …, es dürfte nicht ungefährlich sein, wenn Robert der englischen Polizei in die Hände fällt.«

»Pardon! Pardon!« fiel da der Journalist liebenswürdig ein. »Es gibt zwei voneinander verschiedene Operationen. Die erste und delikateste ist, meinen Cousin wiederzufinden. Die hiesigen Autoritäten werden uns dabei helfen, und das mit einem Eifer, der sie verdächtigt. Sie zweite Aufgabe besteht darin, ihn dem Zugriff der Polizei zu entreißen …, ein Kinderspiel, hier wie in Europa …, mit ein wenig Geschick.«

»Und wie?«

»Nun, ich werde morgen den Obersten Polizeichef um eine Audienz bitten. Sie aber, Lotia, bitte ich nur um eins: Machen Sie sich keine Sorgen.«

Sie kamen vor dem Centennial-Park-Hotel an, einem klotzigen Bauwerk, das seine imposante Masse inmitten eines prächtigen Parks ausbreitete.

Fünf Minuten später hatten die Reisenden von einem geräumigen Appartement Besitz ergriffen, das mit allen Schikanen des modernen Komforts ausgestattet war: Telefon, elektrisches Licht, Klingel für Dienstboten. Und ein Bediensteter des Hotels informierte Sir Armand Lavarède, daß es im Salon sogar einen Phonographen gäbe.

»Das«, so fügte der Mann hinzu, »ist für Reisende gedacht, die wünschen, ihre Reiseeindrücke im gesprochenen Wort festzuhalten. Bei der Abreise stellt ihnen das Hotel die benutzten Metallplatten gern zur Verfügung, und wenn Sie dann wieder zu Hause sind, brauchen Sie diese Scheiben nur in einen anderen Phonographen einzulegen, um die hier verbrachten Tage aufs neue zu erleben.«

Die Gepäckträger, Silly eingeschlossen, wurden für ihre Mühe entlohnt und entfernten sich, nicht ohne daß der einfältige Junge mit der naiven Neugier der Halbwüchsigen die Sehenswürdigkeiten des Salons genossen hatte, was die beiden jungen Damen sehr amüsierte.

Armand und seine beiden Begleiterinnen waren allein.

»Meine entzückenden Freundinnen«, sagte der Journalist, als sie in ihrem Zimmer saßen, »ich gedenke morgen mit der australischen Polizei in Verbindung zu treten. Gestattet, daß ich euch den Brief an deren Direktor vorlese, den ich während der Überfahrt verfaßt habe. Ich wäre entzückt, eure Meinung zu hören.«

Und als die beiden Damen mit einem artigen Kopfnicken ihr Einverständnis kundtaten, begann Lavarède.

Viertes Kapitel

Rapport an Seine Exzellenz, den Herrn Direktor der Pazifikpolizei, Sir Toby Allsmine

»Wir, die Unterzeichner, zunächst Lavarède, Armand, Pariser Lokalreporter, Weltrekordler im Um-die-Erde-Reisen (da ich in einem Jahr mit nichts weiter als two pence und einem halben Penny den Erdball umkreiste); dann meine Gattin Aurett Lavarède, geborene Murlyton, und Miß Lotia Hador, haben die Ehre, Ihnen folgendes zu unterbreiten:

Eure Exzellenz ist gewiß über die anstehenden Fragen der allgemeinen Politik so auf dem laufenden, daß sie über die Hindernisse informiert ist, denen der britische Einfluß auf Ägypten ausgesetzt ist.

Auf dieser illustren, von so vielen Pharaonen regierten Oberfläche unseres Erdballs hat sich eine Partei, genannt die Neoägypter, gebildet, die die Unabhängigkeit für ihr Land will. Rivalitäten zwischen zwei der größten Familien, den Thanis und den Hador, die nicht ohne Blutvergießen waren, haben über Jahrzehnte hinweg die Neoägypter daran gehindert, sich zu formieren. Daraufhin beschloß der letzte der Hador, seine einzige Tochter Lotia dem letzten Überlebenden aus dem Hause der Thanis zur Frau zu geben und dem Vaterland einen jahrhundertelangen Haß zu opfern. Sollte das geschehen, so würden die Grüppchenbildungen ein Ende nehmen, und alle Menschen in Ägypten wären unter einer Flagge geeint.