Nach acht Tagen gab er die nutzlose Suche auf. Ein Offizier hatte ihm gesagt, daß der Korsar offensichtlich über ein Unterseeboot verfügte und sich ruhig in der Bucht verstecken könnte, während man auf Land nach ihm suchte. Das allerdings war für den Admiral ein Grund, in der Bucht nach ihm zu suchen. Alle mit Schleppnetzen ausgestatteten Schiffe der Flotte warfen diese aus, um die Bucht abzusuchen. Ihre Beute bestand zwar aus Korallen und Muscheln in den wunderbarsten Farben und jeder Menge Fisch. Aber nichts davon ähnelte einem Unterseeboot.
Trotz der zuvorkommenden Gastfreundschaft, die Joe Pritchell in seiner Villa dem Admiral und dessen Offizieren angedeihen ließ, trotz aller Aufmerksamkeit, mit der er seine Gäste umgab, war der Admiral über das Verschwinden des Korsaren so erzürnt, daß er schließlich demjenigen eine Prämie von tausend Pfund Sterling versprach – Offizier, Matrose oder Kanonier –, der Triplex’ Versteck aufspürte.
Armand merkte, daß Joe, als er von der Absicht des Admirals hörte, still in sich hineinkicherte. Wußte der Eigentümer der Insel mehr, als er zugab?
Bei passender Gelegenheit fragte ihn der Journalist danach.
»Aber ja, natürlich weiß ich, wo er steckt«, sagte Joe und konnte sein Lachen kaum bezähmen. »Was so komisch daran ist, mein Lieber – Lord Strawberry begegnet dem Korsaren wohl zwanzigmal am Tag. Und dafür zahlt er auch noch Prämie, hahaha!«
»Was, der Korsar ist unter uns?«
»Na sicher.«
»Aber wo? Und wann?«
»Ach, mein Bester, darauf kann ich Ihnen nicht antworten. Kriegen Sie es selbst raus. Folgen Sie dem Admiral, vielleicht kann er besser gucken als Sie.«
Neuntes Kapitel
Auf der Jagd nach der Prämie
»Eine Prämie von tausend Pfund! Donnerwetter, wenn ich die gewinne, dann kann Ich meinen Abschied nehmen. Ich würde mir in Sussex ein Häuschen kaufen, denn von dort stamme ich, einen kleinen Bauernhof, und ich würde mir auch eine arbeitsame und sparsame Frau zulegen und meine Tage friedlich und pfeiferauchend beschließen.«
Nach dieser Erklärung blies Korporal Cody Ezechiel Kiddy seine Backen auf, tippte den Zeigefinger der rechten Hand an die faltendurchfurchte Stirn und stürzte sich in einen Abgrund des Nachdenkens.
Aus Sussex gebürtig, war Kiddy einer jener alten Soldaten, die dazu beigetragen haben, Englands Ruhm auf den Meeren zu begründen. Seine Bildung war eher schlecht als mittelmäßig, er schrieb so miserabel, daß es Tage gab, an denen ihn sein Maat zu den Analphabeten zählte. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, daß dieser Haudegen nach einundzwanzig Dienstjahren, nach vierzehn Schlachten, elf Verletzungen, nachdem er zwei Finger der linken Hand, einen der rechten, ein Ohr und die halbe Nase eingebüßt hatte, immer noch nicht mehr als Korporal war.
Wenn seine Stellung bescheiden war, so war es doch nicht sein Charakter. Kiddy gehörte nicht zu den Leuten, für die Offizierstressen ein Zeichen von Intelligenz und Aufrichtigkeit sind. Gern kritisierte er seine Vorgesetzten, und für seinen Spruch war er bei der ganzen Flotte bekannt: »Wenn der Admiral schlau genug wäre, einen alten Hasen um Rat zu fragen, würde er weniger Dummheiten machen.«
Politisch schalt er die Regierung, die nicht daran dachte, die monatliche Rente der Korporale im Ruhestand um fünf Shilling zu erhöhen. Ein »großer Mann« war für ihn jemand, dessen Lederzeug perfekt glänzte; ein guter Boxer war für ihn ein Held, und Verstand war gleichbedeutend mit: Gewehrschuß.
Er war ein Simpel, den die midshipmen einen Gimpel nannten. Die Jugend zeigt eben nie Mitleid.
Kiddy also überlegte. War es der Mangel an dieser Tätigkeit, oder mußte man die Temperatur dafür verantwortlich machen: Der Korporal schwitzte jedenfalls entsetzlich. Endlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, und nachdem er sich das Gesicht mit einem karierten Taschentuch abgewischt hatte, das so groß wie ein Kinderbettbezug war, machte er sich auf den Weg zu Lord Strawberry, der zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf dem Flaggschiff weilte.
Drei Schritt vor seinem obersten Befehlshaber blieb er stehen, knallte die Hacken zusammen, riß die Hand an seinen Toquo-Polo und wartete. Der Admiral schaute ihn lächelnd an und fragte gutgelaunt: »Was willst du?«
»Wenn Euer Ehren die Chose nicht mißfällt, möchte ich ein Boot und vier Männer zu meiner Verfügung.«
»Und wozu brauchst du die?«
»Dazu, Euer Ehren. Ich werde die Insel von innen und außen erforschen. In dem Augenblick, wo die Felsen marschieren, muß sie ja jemand in Bewegung setzen. Den will ich finden. Ich bringe ihn zu Euer Ehren, und die Prämie gehört mir.«
Das Lächeln des Admirals wurde breiter.
»Und du meinst, du hast Erfolg?«
»Das denke ich«, erklärte Kiddy und reckte sich stolz. »Erfolg hängt von Nachforschung ab. Und meiner Meinung nach kann er soviel Korsar sein, wie er will, einen alten Seemann führt er nicht an der Nase herum.«
»Nun gut, mein tapferer Kämpfer. Nimm dir das Metall-Boot und noch einige Matrosen dazu.«
»Nein, nein, Euer Ehren. Ich meine vier Kanoniere, das reicht, wir brauchen keine Hilfe weiter.«
»Wie du willst. Viel Glück auf den Weg.«
Der Korporal grüßte wieder exakt wie bei seinem Erscheinen, machte kehrt und begab sich ins Zwischendeck, wo seine Kanoniere schwatzend oder kartenspielend beieinandersaßen und sich die Zeit vertrieben. Er spazierte zwischen den Männern hindurch und schien zu überlegen, wen er für das Unternehmen auswählen sollte.
Dann entschied er sich und rief: »Mic, Piff, Mach und Flok.«
Die Angesprochenen hoben den Kopf und antworteten unisono: »Hier!«
»Nehmt eure Gewehre, Patronen dazu und folgt mir.«
Einen Augenblick später wurde die Schaluppe zu Wasser gelassen, und der Korporal Kiddy sprang mit seinen vier Kanonieren hinein.
»An die Ruder!« kommandierte er.
Als das Boot einige Längen von den Kreuzern entfernt war, sagte Kiddy zu den Männern mit der Autorität eines Napoleon gegenüber seinen Truppen: »Meine Kinder, wir sind im Begriff, die Prämie zu erobern. Das heißt, die Prämie ist für mich, aber jeder von euch erhält zehn Pfund. Ich mache keine unnützen Worte mehr, ihr habt verstanden. Sperrt die Augen auf.«
Dieses Muster an Beredsamkeit spornte natürlich die vier an, und Kiddy befahl, Kurs auf die Klippen zu halten, die die Bucht umgaben.
Die Schiffe mit schwerer Tonnage konnten hier natürlich nicht hindurch, aber für ein leichtes Beiboot, das kaum einen Fuß Tiefgang hatte, war das sicher kein Problem. Und so verließ der Korporal die Reede und umschiffte die Insel, um sich zu vergewissern, daß es nicht irgendeine Grotte oder eine Felsspalte gab, die es Korsar Triplex erlaubte, sich zu verstecken. Wie man sieht, war der für gewöhnlich ein wenig komische Mann auf dem Wasser ganz in seinem Element.
Die Soldaten waren durch die in Aussicht gestellte Belohnung erfreut, und bald hatten sie die Insel umrundet und kehrten zu der Stelle der Passage zurück, an der Kiddy die künstlichen Klippen vermutete. Die Schaluppe kurvte vorsichtig zwischen den Granitspitzen hindurch, und zunächst konnte die Mannschaft noch glauben, daß das Unternehmen keinerlei Risiko berge. Die ersten Klippen waren umschifft, und bald schon befand sich das Boot mitten in der Passage, die nun versperrt war und die englische Flotte gefangenhielt.