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Ein Murmeln durchlief die Reihen der Anwesenden. Alle hatten sie in dem Mann, der da auf der Leinwand vor ihnen saß, den Polizeichef erkannt.

Allsmine war aufgesprungen. Auch er blickte gebannt auf die Leinwand. Er empfand unbeschreibliche Furcht, als er sich Gesten vollführen sah, die ihm im Augenblick des Entstehens nicht bewußt geworden waren. Er erblickte sein schreckgeweitetes Gesicht, und er sah, wie sich der Mann mit der Kapuze, der in der Mitte saß, zu einem maskierten Matrosen umdrehte, diesem offensichtlich eine Order erteilte. Mit einemmal geschah eine unerhörte, schreckliche Sache. Direkt von der Leinwand schien eine Stimme zu kommen, die fragte:

»Name, Vorname?«

Allsmines Gesicht verzerrte sich zornig, und das Bild auf der Leinwand antwortete:

»Ich werde kein Wort sagen. Ich billige Ihnen nicht das Recht zu, mich zu verhören.«

Das war schrecklich und magisch zugleich. Lord Strawberry und seine Beisitzer verharrten unbewegt, sie schienen nicht einmal mehr zu atmen, denn sie begriffen sehr wohl, daß sich über diese technischen Apparaturen die Wahrheit zeigte. Denn es war unmöglich, daß der Mensch diese Apparate belügen konnte.

Und die Szene ging weiter.

Der Richter mit der Kapuze schüttelte den Kopf und wandte sich an die ihn umringenden Matrosen.

»Los Jungs! Löst dem Angeklagten die Zunge.«

In den Händen der Bewacher blitzten Messer auf. Der Angeklagte stotterte kläglich:

»Sie wagen es, einen Mann zu töten?«

»Die wilde Bestie töte ich ohne Zögern, ohne Gewissensbisse. Die Zeit vergeht zu schnell. Also antworten Sie. Name, Vorname!«

Der Angeklagte schien sich in sein Schicksal zu ergeben.

»Sir Allsmine, Toby, Jehosuah, Sim.«

»Alter?«

»Siebenundvierzig.«

Der Vorsitzende des Tribunals schaute in die Papiere, die vor ihm lagen.

»Gut. Stimmt. Sie sind der Sohn armer Einwanderer, die sich am Fluß Lachlan, im Inneren von Neusüdwales, niedergelassen hatten?«

»Ja.«

»Sie traten als junger Mann in die Polizei von Sydney ein. Sie hatten Ambitionen, waren arbeitsam, das muß man sagen, denn Sie verschafften sich Ihre Bildung selbst, da es Ihren Eltern an Geld mangelte, Sie eine Schule besuchen zu lassen. Dennoch waren Sie bis etwa zu Ihrem dreißigsten Lebensjahr auf eher unteren Positionen zu finden. Ist das wahr?«

»Ja.«

Der Admiral schüttelte an dieser Stelle den Kopf, denn ihm war der Anflug von Unsicherheit nicht entgangen, der sich auf Allsmines Gesicht widerspiegelte.

»Wie das?« fuhr der Ankläger fort. »In nur sechzehn Jahren sind Sie Polizeipräsident der Pazifikpolizei geworden, ein Titel, der Ihnen beinahe unbegrenzte, beinahe königliche Macht verschafft?«

Ein Keuchen war von dem Platz zu hören, auf dem der wirkliche Allsmine saß.

»Ich werde Ihnen sagen, warum«, fuhr die Erscheinung fort, »denn wir sind nicht ausschließlich deswegen hier. Mit dreißig hatten Sie das unverschämte Glück, Lord Green vorgestellt zu werden, einem reichen und einflußreichen Engländer, den irgendein Spleen nach Australien führte. Ihre Unterhaltun,g der Bericht Ihrer Abenteuer als Polizist amüsierten ihn. Er wollte sich dafür revanchieren, daß Sie ihn so angenehm unterhalten hatten. Durch seinen Einfluß fanden Sie Zugang zur Familie von Miß Joan Heart, die damals neunzehn Jahre alt war und die zu heiraten er gerade im Begriff war. Kurz, in zwei Jahren waren Sie Chef der Kriminalpolizei und Tischgenosse im Haus von Lord Green, dem Haus in der Paramata Street, das Sie jetzt bewohnen.«

Aus dem Hintergrund des Saales erklang ein Schluchzen.

»All das entspricht der Wahrheit, wie ich hoffe.«

»Das gebe ich zu«, sagte Allsmine auf der Leinwand.

»Gut. Im übrigen bewiesen Sie Ihren Gönnern eine Anhänglichkeit, die rührend war. Vor allem, als eine Familienminiatur verschwunden war, für die Lord Green einen stattlichen Preis bezahlt hatte.«

»Ich entdeckte den Dieb!« schrie der wirkliche Allsmine im Saal mit lauter Stimme, die für Augenblicke seine Stimme auf der Leinwand übertönte. »Und dieser Dieb rächt sich heute.«

Aber aus allen Ecken des Saales war zu hören: »Pscht! Pscht! Ruhe! So hören Sie doch!«

Als es wieder ruhig war, hörte man den Ankläger sagen:

»Ich will diesen Vorfall nur gebührend würdigen, denn ohne Ihr Zutun hätte man niemals daran gedacht, Joe Pritchell zu verdächtigen, einen armen und verwaisten Verwandten, den Miß Heart bei sich aufgenommen hatte und dessen Ausbildung sie großzügig bezahlte.«

Die letzten Worte hatten ein leichtes Raunen bei den Zuhörern und Zuschauern hervorgerufen. Joe Pritchell – das war der Name des Inseleigentümers. Aber das Raunen legte sich augenblicklich. Sir Toby zuckte auf der Leinwand zusammen, als der Ankläger weitersprach.

»Man fand die Miniatur bei dem sogenannten Joe, einem Kind von fünfzehn. Sie war unter seinen Sachen versteckt. Trotz des hartnäckigen Leugnens des Knaben konnte an dessen Schuld kein Zweifel bestehen. Die gute Lady wollte sich dennoch nicht von ihm trennen, allerdings gehörte er ab sofort nicht mehr zum Haushalt. Er wurde nach England zurückgeschickt, wo er noch heute wohnt.«

»Diese Einzelheiten kennt doch jeder.«

»Also ist es alles andere als verwunderlich, daß ich sie ebenfalls kenne, das wollen Sie damit sagen? Das ist richtig. Sie werden freilich sofort merken, daß ich auch weniger allgemein bekannte Tatsachen von Ihnen weiß.«

Hier zuckte Allsmine zusammen und zog den Kopf ein. Seine Haltung war so, daß sie einem Geständnis gleichkam. Doch der Kinematograph spulte die Bilder weiter herunter.

»Kurze Zeit später«, fuhr der Ankläger fort, »wurde die Tochter von Lord Green und Lady Joan, ein hübsches rundes Baby von vierzehn Monaten, das von den Bediensteten respekt- und liebevoll Miß Maudlin genannt wurde, Opfer eines seltsamen Leidens. Das waren Anzeichen von Mattigkeit, von Auszehrung. Die Ärzte waren unfähig, die Ursache dieser Krankheit zu diagnostizieren, und sprachen vage von der schlechten Luft in der Stadt und von der Wohltat ländlichen Daseins. Ihre Mutter, Allsmine, lebte zu dieser Zeit noch. Sie schlugen vor, ihr das Kind anzuvertrauen. Dort auf dem Land, in der Nähe des Lachlan River, so meinten Sie, würde Maudlin bald wieder zu Kräften kommen, und es wäre Ihnen angenehm, zu wissen, so sagten Sie, daß das Mädchen Ihrer Wohltäter dieselbe kräftigende Luft atmen könne, die auch Ihnen selbst Kraft geschenkt habe. Und dann bot ja Ihre brave Mutter auch Garantien, die eine Fremde nie bieten konnte. Es kam also so, wie es kommen sollte. Ihre Gründe überzeugten, und die kleine Kranke wurde Ihrer Mutter zur Genesung übergeben.«

»Soweit, so gut!« rief das Bild des Polizeichefs aus. »Was will man mir daraus vorwerfen?«

Die Kapuze seines Befragers bewegte sich.

»Sie stellen die richtige Frage, Allsmine, aber sie ist noch ein bißchen verfrüht; ich werde rechtzeitig darauf zurückkommen. Im Augenblick fahre ich fort im Text. Das Schicksal meinte es nicht gut mit der Familie Green. Der Lord wurde kurze Zeit später bei einer Känguruhjagd getötet …, eine verirrte Kugel mitten ins Herz. Und man hat nie feststellen können, aus welchem Gewehr die todbringende Kugel abgefeuert wurde.«