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»Es war ein Unfall«, sagte Sir Tobys Konterfei, wobei seine Züge schrecklich zuckten.

»Es war nicht der einzige. Kaum hatte sich die Witwe von diesem schrecklichen Trauerfall wieder etwas erholt, als sie ein noch schlimmerer Schlag traf. Ihre vor Entsetzen völlig aufgelöste Mutter erschien in Sydney und berichtete, daß Maudlin in den Lachlan River gestürzt sei, der reißende Strom ihren Körper mit sich gerissen und man ihn nirgends gefunden habe. Niemand hatte dem Drama beigewohnt. Ein Boot, das dazu diente, den Fluß zu überqueren, wurde kieloben treibend aufgefunden. Man schloß daraus, daß das Kind sich vom Hause entfernt habe, ins Boot gestiegen sei und wahrscheinlich das Seil, mit dem es festgemacht war, gerissen sei, was weiß ich?«

Und nach einem Schweigen:

»Was ist Ihre Meinung über den Tod der armen Kleinen, Allsmine?«

Das Bild des Angeklagten ließ erkennen, daß er erregt war. Dennoch antwortete er mit fester Stimme:

»Ich neige dazu, die Version zu glauben, die Sie soeben vermutet haben. Wie auch im anderen Fall, so kenne ich die Wahrheit nicht.«

»Sie wollen es nicht wissen.«

Und während der Kinematograph die ganze Verwirrung auf dem Gesicht von Allsmine widerspiegelte, fuhr die Stimme des Mannes in der grünen Kapuze fort, die unerbittliche Anklage zu formulieren.

»Lady Joans Zustand war erschreckend. Vielleicht wäre ihr der Tod wie eine Erlösung vorgekommen, wenn Ihre Freundschaft sie nicht aufmerksam umhegt hätte. Jeden Tag schauten Sie im Haus in der Paramata Street vorbei. Sie stärkten die Unglückliche mit erbaulichen Reden, ja, Sie zwangen sie geradezu gewaltsam, sich zu zerstreuen. Überall zeigten Sie sich an Ihrer Seite. Bald bezeichnete Sie der öffentliche Stadtklatsch, der natürlich von Ihnen nur zu gern genährt wurde, als künftigen Ehemann der Witwe. Und kurz darauf willigte diese, an ihrem einsamen Los schier verzweifelnd und durch Ihre Ergebenheit gerührt, auch ein, Ihre Frau zu werden.«

»Es ist unverschämt, derart mit Gefühlen zu spielen«, erklang im Saal Sir Tobys Stimme.

Aber wie als Antwort auf diesen Einwurf sprach der Ankläger im Kinematographen.

»Sie hatten nichts weiter als krankhaften Ehrgeiz. Die Heirat war das Ziel, auf das Sie schon lange hinarbeiteten, denn es würde Ihnen erlauben, die einflußreichen Beziehungen der Familie Green zu nutzen und so die Stellung einzunehmen, die Sie heute bekleiden. Allein Ihr Wille war Triebfeder Ihres Handelns, allein Tyrannei Ihr Gesetz.«

Die Anwesenden waren beeindruckt. Die Art und Weise, wie das Verhör geführt wurde, ließ sie alle, Präsident wie Beisitzer, zu einer Überzeugung gelangen. In ihre Überlegung hinein schnitt die Stimme des Anklägers wie ein Peitschenknall.

»Ich, Korsar Triplex, klage Sie, Allsmine, folgender Delikte an: erstens im Zimmer Joe Pritchells die gestohlene Miniatur versteckt zu haben. Joe war ein heller Kopf und stand Ihnen im Wege. Zweitens das Gewehr abgefeuert zu haben, dessen Kugel den Tod Ihres Wohltäters, Lord Green, verursachte. Auch er stand Ihnen im Wege. Drittens Maudlin Green durch einen Ihnen ergebenen Mann entführt zu haben, dem entweder Bestrafung für ein Verbrechen drohte oder die Begnadigung winkte und der nicht zögerte, sich mit der üblen Aufgabe zu belasten, das Kind zu ertränken, das seiner Mutter später eine Stütze gegen Ihr heuchlerisches Werben hätte sein können.«

Nach diesen Anklagepunkten war der Film zu Ende; das elektrische Licht flammte wieder auf, und die Zuschauer sahen sich betreten, bleich und durch das Gesehene und Gehörte aufgewühlt an.

Allsmine war aufgestanden und hatte die Hände um die Lehne seines Stuhles gekrallt. Seine Haare waren zerwühlt, sein bleiches Gesicht zeigte noch die ganze Verwirrung des eben auf der Leinwand Erlebten. Dennoch gab er nicht klein bei.

»Das alles ist eine Phantasmagorie, um meine Richter zu beeinflussen!« schrie er. »Ich wurde von dem Korsaren Triplex entführt. Ich war sein Opfer, das ist richtig. Aber hat der Phonograph ein einziges Wort von mir registriert, das einem Eingeständnis meiner Schuld gleichkäme? Um einen Menschen zu verurteilen, braucht man Beweise, Zeugen … Wo sind sie?«

»Hier«, antwortete eine tiefe Stimme.

Toby und die Offiziere drehten sich nach dem Stuhl um, wo eben noch Joe Pritchell gesessen hatte. Letzterer war verschwunden, doch vor dem großen Vorhang, der die Leinwand verdeckte, saßen unbeweglich vier Personen und starrten den Angeklagten an.

Als dieser sie erblickte, verdeckte er sein Gesicht mit den Händen.

James Pack saß da, und neben ihm Maudlin, Bob Sammy und noch ein Mann, dessen Anblick Allsmine maßlose Angst einjagen mußte.

James erhob sich.

»Ich, James Pack, ehemals persönlicher Sekretär von Sir Toby Allsmine, schwöre bei meiner Ehre, daß er schuldig ist. Er hatte einen Mann beauftragt, die Tochter von Lord Green zu töten, doch dieser Mann hatte Mitleid mit der armen Kreatur. Er hat sie mir anvertraut; ich habe sie großgezogen, und beschützt. Heute räche ich sie. Steh auf, Bob Sammy, und sprich!«

Der Riese hob die rechte Hand und sprach mit seiner tönenden Stimme: »Ich schwöre, daß es so und nicht anders gewesen ist.«

»Und du«, wandte sich Pack an den unbekannten Mann, dessen Gegenwart den Polizeichef so offensichtlich schockiert hatte. »Erzähle uns, wie Lord Green umgekommen ist.«

Der Angesprochene hob die rechte Hand und sagte: »Ich schwöre, daß ich die Wahrheit sagen werde, nichts als die Wahrheit.«

Dann begann er langsam in unverkennbar irischem Akzent zu erzählen.

»Ich heiße O’Kean. Ich war Angestellter bei der Polizei und arbeitete für Sir Toby Allsmine. Meine Frau war sehr krank, und wir hatten kaum Geld. Um sie zu retten, so sagten die Ärzte zu mir, müßte ich sie in den Süden Australiens schicken, wo das Klima milder ist. Aber dazu hatten wir kein Geld. Ich sprach mit meinem Chef darüber. Er versprach mir: Ich gebe dir Geld, wenn du mir einen Gefallen tust. Erfreut willigte ich ein. Ich nahm an der Jagd teil, von der Lord Green nicht mehr zurückkehren sollte. Es war ausgemacht, daß Sir Toby und ich gemeinsam auf den Lord schießen sollten. Im letzten Augenblick hat mich der Mut verlassen …, Sir Toby dagegen hat geschossen. Und getroffen. Er war wütend über meine Schwäche, und damit niemand etwas erfahren sollte, hat er mich ins Gefängnis werfen lassen …, ganz insgeheim, ohne Urteil. Dort habe ich zehn Jahre zugebracht … und wäre sicher noch dort, wenn mich nicht Korsar Triplex befreit hätte. Als ich frei war, erfuhr ich, daß meine Frau, für die ich zum Mörder werden wollte, im Elend gestorben war. Allsmine hatte nicht das Herz, ihr einige Guineen zukommen zu lassen, um sie zu retten. Das ist alles.«

Die Anwesenden hörten schweigend zu. Es war an James, dieses Schweigen zu brechen.

»Jetzt ist an der Zeit zu sagen, wer ich bin.«

Er fuhr sich mit der Hand unter die Jacke; das Reißen von Stoff war zu vernehmen, ein Gegenstand fiel zu Boden, und James richtete sich zu voller Größe auf – jede Spur eines Buckels war verschwunden. Dann zog er aus seiner Tasche einen falschen Bart, klebte ihn an und bot den verdutzten Offizieren das Bild desjenigen, der seit einem Monat ihr Gastgeber gewesen war.

»Ich bin Joe Pritchell. Ich bin derjenige, den Allsmine fälschlich des Diebstahls bezichtigte. Der schwächste Feind ist manchmal fähig, den Mächtigsten zu gefährden. Allsmine wurde gefürchtet; in seinem Besitz befanden sich geheime Dossiers, deren Veröffentlichung Hunderte von Familien, darunter sehr ehrwürdige, bloßgestellt hätte. In welcher Familie gibt es kein schwarzes Schaf? Wer hat keinen unter seinesgleichen, der nicht aus der Art geschlagen wäre? Man mußte Allsmine dieser Waffe berauben. Das war mein Auftrag. Ich nahm den Platz eines persönlichen Sekretärs ein, den man ihm aus London schickte. Allmählich kam ich hinter seine Schliche. Nacheinander habe ich seine geheimen Dossiers verschwinden lassen. Heute enthalten sie nur noch weißes Papier. Aber er war in der englischen Gesellschaft so hoch gestiegen, daß ihn ein ›einfacher‹ Bürger nicht stürzen konnte. Bei dem umständlichen Kompetenzengerangel zwischen Admiralität, Geheimdienst, Polizei und Auswärtigem Amt bekamen meine Auftraggeber kalte Füße. Ich war auf mich allein gestellt. Deshalb machte ich mir meine Ausbildung als Ingenieur zunutze, und mit Hilfe des auf der Goldinsel vorhandenen Goldes wurde ich Korsar Triplex. James Pack oder Korsar Triplex oder Joe Pritchell – wer auch immer. Als getreuer Untertan Ihrer Majestät der Königin werde ich Großbritannien an dem Tag, wo man es bedrohen sollte, meine Schiffe zur Verfügung stellen, die mir geholfen haben, Unrecht zu besiegen.«