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»Na?« fragte er augenzwinkernd. »Wie heißt sie denn? Ist sie blond oder braun oder schwarzhaarig?«

»Wer?« fragte Krabat zurück.

»Na - die«, meinte Lyschko, »an die du in letzter Zeit immer denkst. Oder glaubst du vielleicht, wir sind blind und merken nicht, daß dir eine den Kopf verdreht hat - im Traum vielleicht oder so ... Ich weiß da ein gutes Mittel, um dir zu helfen, daß du sie treffen könntest: man hat da ja seine Erfahrungen, weißt du ...«

Er spähte nach allen Seiten, dann neigte er sich zu Krabat herunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Du brauchtest mir nur ihren Namen zu sagen - dann könnte ich alles Weitere leicht in die Wege leiten...«

»Hör auf!« sagte Krabat. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Du hältst mich mit deinen Albernheiten bloß von der Arbeit ab.«

In der folgenden Nacht träumte Krabat aufs neue den Traum von der Kantorka, den er nun schon kannte. Wieder gingen sie unter Bäumen dahin, und wieder war es ein warmer Sommertag; nur kamen sie diesmal zu einer Wiese, die mitten im Wald lag, und als sie hinaustraten, um die Lichtung zu überqueren - da streifte sie, kaum daß sie ein paar Schritte gegangen waren, ein Schatten. Krabat warf seine Jacke der Kantorka über den Kopf. »Schnell weg hier - er darf dein Gesicht nicht sehen!« Er zerrte das Mädchen zurück in den Schutz der Bäume. Der Schrei eines Habichts traf ihn, gellend und schrill, als sei ihm ein Messer ins Herz gefahren: davon erwachte er. -

Den Abend darauf wurde Krabat zum Meister gerufen. Er hatte kein gutes Gefühl, als er vor ihm stand und den Blick seines einen Auges auf sich gerichtet sah.

»Ich habe mit dir zu reden.« Der Müller saß wie ein Richter in seinem Lehnstuhl, die Arme verschränkt, mit steinerner Miene. »Du weißt«, fuhr er fort, »daß ich viel von dir halte, Krabat, und daß du es in den Geheimen Wissenschaften zu etwas bringen kannst, was nicht jedem von deinen Mitgesellen erreichbar ist. Dennoch sind mir in letzter Zeit Zweifel gekommen, ob ich dir trauen kann. Du hast Heimlichkeiten vor mir, du verbirgst mir etwas. Ob es nicht klüger wäre, wenn du mir Rede und Antwort stündest, freiwillig, ohne daß ich gezwungen wäre, dir nachzuspüren? Sage mir offen, worum es sich handelt - dann wollen wir überlegen, was wir gemeinsam zu deinem Besten tun können: noch ist Zeit dazu.«

Krabat zögerte keinen Augenblick mit der Antwort.

»Ich habe dir nichts zu sagen, Meister.«

»Wirklich nicht?«

»Nein«, sagte Krabat mit fester Stimme.

»Dann geh - und beklag dich nicht, wenn du Ärger bekommst!«

Draußen im Flur stand Juro, er schien dort auf Krabat gewartet zu haben. Nun zog er ihn in die Küche und schloß hinter sich die Tür zu.

»Ich hab da was, Krabat ...«

Er drückte ihm einen Gegenstand in die Hand: eine kleine, vertrocknete Wurzel an einer Schlinge aus dreifach gedrilltem Bindfaden.

»Nimm das - und häng es dir um den Hals, sonst träumst du dich noch um Kopf und Kragen.«

Überraschungen

Der Meister war in den nächsten Tagen auffallend freundlich zu Krabat. Er zog ihn den Mitgesellen bei jeder Gelegenheit vor und lobte ihn für die selbstverständlichsten Dinge, als ob er ihm zeigen wollte, daß er entschlossen sei, ihm nichts nachzutragen - bis er ihm eines Abends, das war gegen Ende der zweiten Woche nach Pfingsten, im Hausflur begegnete, während die anderen schon beim Nachtmahl saßen.

»Es kommt mir nicht ungelegen, daß ich dich treffe«, sagte er. »Manchmal, das weißt du ja, gibt es Zeiten, in denen man schlechte Laune hat - und dann läßt man sich dazu hinreißen, Dinge zu sagen, die blanker Unsinn sind. Kurz und gut: das Gespräch, das wir unlängst in meiner Stube geführt haben, du erinnerst dich, war ein dummes Gespräch. Und ein überflüssiges obendrein - findest du das nicht auch?«

Der Meister wartete Krabats Antwort nicht ab.

»Es sollte mir leidtun«, fuhr er im gleichen Atemzug fort, »wenn du alles, was ich an jenem Abend gesprochen habe, für bare Münze nähmest! Ich weiß ja, daß du ein braver Bursch bist, mein bester Schüler seit langem, auch zuverlässig wie selten einer - na, du verstehst mich wohl.«

Krabat fühlte sich unbehaglich: Was wollte der Müller von ihm?

»Um nicht länger herumzureden«, sagte der Meister. »Ich möchte dich nicht im Zweifel darüber lassen, wie ich in Wirklichkeit von dir denke. Was ich bisher keinem anderen meiner Schüler gewährt habe, dir gewähre ich's: Nächsten Sonntag erlasse ich dir die Arbeit, ich gebe dir einen freien Tag. Du kannst ausgehen, wenn du magst und wohin es dir paßt - nach Maukendorf oder Schwarzkollm oder Seidewinkel, das soll mir gleich sein. Und wenn du bis Montagmorgen zurück bist, genügt mir das.«

»Ausgehen?« fragte Krabat. »Was hätte ich wohl in Maukendorf oder sonstwo verloren?«

»Nun, es gibt Schenken und Wirtshäuser auf den Dörfern, wo du dir einen guten Tag machen könntest - und es gibt Mädchen, mit denen man tanzen kann ...«

»Nein«, sagte Krabat. »Mir steht nicht der Sinn danach. Soll ich es besser haben als meine Mitgesellen?«

»Das sollst du«, erklärte der Meister. »Ich sehe nicht ein, weshalb ich dich nicht belohnen sollte für deinen Fleiß und die Ausdauer, die du beim Studium der Geheimen Wissenschaften in weitaus größerem Maß an den Tag legst als jeder andere.«

Am Morgen des nächsten Sonntags, als sich die Burschen zur Arbeit rüsteten, schickte auch Krabat sich an, ein Gleiches zu tun. Da kam Hanzo und nahm ihn beiseite.

»Ich weiß nicht, was los ist«, sagte er, »aber der Meister hat dir für heute frei gegeben. Ich soll dich daran erinnern, daß er dich auf der Mühle vor morgen früh nicht mehr sehen will - alles weitere wüßtest du.«

»Ja«, brummte Krabat, »ich weiß schon.«

Er zog seinen guten Rock an, und während die anderen Burschen arbeiten mußten wie jeden Sonntag, verließ er das Haus.

Hinter dem Holzschuppen setzte er sich ins Gras, um zu überlegen.

Der Meister hatte ihm eine Falle gestellt, das war klar, und nun hieß es sich vorsehen, daß er ihm nicht hineintappte. Eines schien jedenfalls sicher zu sein: daß er überall hingehen durfte, nur nach Schwarzkollm nicht. Am liebsten wäre er einfach hier sitzengeblieben, hinter dem Holzschuppen in der Sonne, und hätte den Tag verfaulenzt. Aber das hätte zu sehr danach ausgesehen, als ob er die Absicht des Meisters durchschaut habe. »Dann also - auf nach Maukendorf!« dachte er. »Und um Schwarzkollm herum einen großen Bogen!«

Aber vielleicht war das auch falsch? Vielleicht war es klüger, wenn er Schwarzkollm nicht aussparte, sondern mitten hindurchging - weil das der kürzeste Weg war nach Maukendorf.

Freilich: der Kantorka durfte er in Schwarzkollm nicht begegnen, dem galt es vorzubeugen.

»Kantorka!« bat er das Mädchen, nachdem er die Formel gesprochen hatte. »Ich muß dich um etwas bitten heute - ich, Krabat, bin es, der darum bittet. Du darfst diesen Tag keinen Schritt aus dem Hause gehen, was auch geschehen möge. Und sieh auch nicht aus dem Fenster, versprich mir das!«

Krabat vertraute darauf, daß die Kantorka seine Bitte befolgen werde. Da bog, als er eben aufbrechen wollte, Juro mit einem leeren Holzkorb ums Haus.

»Na, Krabat - du scheinst es ja nicht besonders eilig zu haben, hier wegzukommen. Darf ich mich eine Weile zu dir ins Gras setzen, ja?«

Wie damals, nach dem mißglückten Pferdehandel, kramte er ein Stück Holz aus der Tasche und zeichnete einen Kreis um die Stelle, an der sie saßen, den er mit einem Drudenfuß und drei Kreuzen versah.

»Du wirst dir wohl denken können, daß das mit Mücken und Schmeißfliegen nichts zu tun hat«, meinte er augenzwinkernd.

Krabat gestand ihm, er habe schon damals gewisse Zweifel gehabt. »Du bewirkst damit, daß der Meister uns weder sehen noch hören kann, wenn wir hier sitzen und reden: nicht aus der Nähe und nicht aus der Ferne - so ist es doch?«