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»Nein«, sagte Juro. »Er könnte uns sehen und hören, aber er wird es nicht tun, weil er uns vergessen hat: das ist es, was der Kreis bewirkt. Solang wir uns darin aufhalten, denkt der Meister an alles mögliche - bloß nicht an dich und mich.«

»Nicht dumm«, sagte Krabat, »nicht dumm ...« Und plötzlich, als sei da ein Stichwort gefallen, durchzuckte ihn ein Gedanke. Betroffen blickte er Juro an. »Du bist es also«, sagte er, »dem die Bauern den Schnee zu verdanken hatten - und Lyschko die Metzgerhunde! Du bist nicht der Dummkopf, für den wir dich alle halten, nicht wahr - du verstellst dich bloß!«

»Und wenn es so wäre?« erwiderte Juro. »Ich will nicht bestreiten, daß ich nicht ganz so blöd bin, wie alle meinen. Du aber, nimm mir's nicht übel, Krabat, bist dümmer, als du dir's träumen läßt.«

»Ich?«

»Weil du immer noch nicht gemerkt hast, was hier gespielt wird, auf dieser verfluchten Mühle! Sonst wüßtest du deinen Eifer zu zügeln, nach außenhin wenigstens - oder bist du dir nicht im klaren, in welcher Gefahr du lebst?«

»Doch«, sagte Krabat. »Ich ahne es.«

»Nichts ahnst du!« widersprach ihm Juro.

Er riß einen Grashalm ab und zerknüllte ihn zwischen den Fingern.

»Ich werde dir etwas sagen, Krabat - ich, der ich all die Jahre hindurch den Dummen gespielt habe. Wenn du so weitermachst, wirst du auf dieser Mühle der nächste sein, der dran glauben muß. Michal und Tonda und alle andern, die draußen verscharrt liegen auf dem Wüsten Plan: alle haben den gleichen Fehler begangen wie du. Sie haben zu viel gelernt in der Schwarzen Schule und haben's den Meister merken lassen. - Du weißt ja, daß jedes Jahr in der Neujahrsnacht einer von uns für ihn sterben muß.«

»Für den Meister?«

»Für ihn«, sagte Juro. »Er hat einen Pakt mit dem ... nun, mit dem Herrn Gevatter. Alljährlich muß er ihm einen von seinen Schülern zum Opfer bringen, sonst ist er selber dran.«

»Woher weißt du das?«

»Man hat Augen im Kopf, und man macht sich Gedanken über die Dinge, die einem auffallen. Außerdem habe ich's im Koraktor gelesen.«

»Du?«

»Ich bin dumm, wie du weißt - oder sagen wir: wie der Meister und alle glauben. Deshalb nimmt man mich nicht für voll, deshalb bin ich gerade gut genug für die Hausarbeit. Ich muß putzen und schrubben und Staub wischen - auch in der Schwarzen Kammer zuweilen, wo der Koraktor liegt, angekettet am Tisch und für niemand zugänglich, der darin lesen könnte. Das wäre nicht gut für den Meister, weil manches darin verzeichnet steht, was ihm schaden könnte, wenn einer von uns es erführe.«

»Du aber«, sagte Krabat, »du kannst lesen!«

»Ja«, sagte Juro. »Und du bist der erste und einzige, dem ich es anvertraue. Es gibt einen Weg, um dem Meister das Handwerk zu legen: nur einen! Wenn du ein Mädchen kennst, das dich lieb hat - das könnte dich retten. Falls sie den Meister bittet, dich freizugeben, und falls sie die vorgeschriebene Probe besteht.«

»Die - Probe?«

»Davon ein andermal, wenn wir mehr Zeit haben«, sagte Juro. »Vorläufig brauchst du nur dies zu wissen: Hüte dich, daß der Meister erfährt, wer das Mädchen ist - sonst ergeht dir's wie Tonda.«

»Sprichst du von Worschula?«

»Ja«, sagte Juro. »Der Meister hat ihren Namen zu früh erfahren, er hat sie mit Träumen gepeinigt, das gibt es, bis sie aus lauter Verzweiflung ins Wasser gegangen ist.«

Er riß abermals einen Grashalm ab und zerknüllte ihn.

»Tonda hat sie am Morgen danach gefunden. Er hat sie nach Hause getragen zu ihren Eltern, dort hat er sie auf der Schwelle niedergelegt. Seitdem hat er eisgraues Haar gehabt, seine Kraft war gebrochen, das Ende kennst du.«

Krabat stellte sich vor, daß er eines Morgens die Kantorka finden könnte, ertrunken, mit Wasserpflanzen im Haar.

»Was rätst du mir?« fragte er.

»Was ich dir rate?« Juro riß einen dritten Grashalm ab. »Geh jetzt nach Maukendorf oder sonstwohin - und versuche, den Meister irrezuführen, so gut du kannst.«

Krabat blickte nicht rechts und links, als er durch Schwarzkollm ging. Die Kantorka hielt sich verborgen. Wer weiß, was sie ihren Leuten erzählt hatte, um ihnen klarzumachen, weshalb sie im Hause blieb.

In der Scholtisei kehrte Krabat zu einer kurzen Rast ein, er aß ein Stück Schwarzbrot mit Rauchfleisch und trank einen doppelten Korn hinterher. Dann wanderte er nach Maukendorf weiter, setzte sich in der Schenke an einen Tisch und verlangte Bier.

Am Abend tanzte er mit den Mädchen, er redete dummes Zeug mit ihnen, verdrehte ihnen die Köpfe und fing mit den Burschen Streit an.

»Heda - verschwinde hier!«

Als sie böse wurden und ihn hinauswerfen wollten, schnippte er mit den Fingern: da blieben sie stehen wie angewurzelt und konnten sich nicht mehr rühren.

»Ihr Hammel!« rief Krabat. »Das könnte euch wohl so passen, mich auf den Kopf zu hauen. Besorgt euch das lieber gegenseitig!«

Da brach auf dem Tanzboden ein Tumult los, wie Maukendorf ihn noch nie erlebt hatte.

Krüge flogen und Stühle krachten. Die Burschen rauften, als hätten sie den Verstand verloren. Blindlings droschen sie aufeinander ein.

Der Wirt rang die Hände, die Mädchen kreischten, die Musikanten retteten sich durchs Fenster ins Freie.

»Brav so!« feuerte Krabat die Burschen an. »Brav so! Haut euch nur tüchtig die Hucke voll! Immer drauf, immer feste drauf!«

Ein schweres Stück Arbeit

Wo er den Sonntag verbracht habe, wollte der Meister am anderen Morgen von Krabat wissen, und wie ihm der Ausgang bekommen sei.

»Ach«, meinte Krabat mit einem Achselzucken, »ganz gut soweit.« Dann berichtete er dem Meister von dem Besuch in Maukendorf, von der Tanzerei und dem Streit mit den Dorfburschen. Das sei alles recht lustig gewesen; aber es hätte um vieles lustiger sein können, hätte er einen Kumpan aus der Mühle dabei gehabt: Staschko vielleicht oder Andrusch, doch wäre ihm ebenso jeder andere recht gewesen.

»Auch Lyschko, zum Beispiel?«

»Der nicht«, sagte Krabat auf die Gefahr hin, daß es der Meister ihm übelnahm.

»Und warum nicht?«

»Ich kann ihn nicht ausstehen«, sagte Krabat.

»Du auch nicht?« Der Meister lachte. »Dann sind wir uns über Lyschko einig. Da staunst du wohl?«

»Ja«, sagte Krabat. »Das überrascht mich.«

Der Meister betrachtete ihn von unten bis oben: wohlwollend, wie es den Anschein hatte, wenn auch nicht ohne Spott.

»Das ist es, was mir an dir gefällt, Krabat - daß du ehrlich bist und mir in allen Dingen offen die Meinung sagst.«

Krabat vermied es, den Meister anzusehen. Er wußte nicht, ob es ihm ernst war mit seinen Worten: sie konnten auch als verborgene Drohung gemeint sein. Jedenfalls war er froh, als der Müller das Thema wechselte.

»Was aber nun das andere angeht, worüber wir vorhin gesprochen haben, so merke dir eines, Krabat: Du selber kannst sonntags von jetzt an ausgehen, wann du magst, und du kannst auch daheim bleiben, wenn es dir lieber ist. Dies aber ist ein Vorrecht, das ich nur dir, meinem Meisterschüler, gewähre — und damit basta!«

Krabat brannte darauf, sich heimlich mit Juro zu treffen; Juro hingegen mied ihn, seit sie am Sonntag hinter dem Holzschuppen miteinander gesprochen hatten. Gern wäre Krabat wenigstens in Gedanken mit ihm in Verbindung getreten, doch innerhalb der Geheimen Bruderschaft wirkte der Zauber nicht.

Als sie endlich allein in der Küche zusammentrafen, gab Juro ihm zu verstehen, daß Krabat sich einige Tage gedulden möge »wegen des Messers, das du mir unlängst zum Schleifen gegeben hast. Wenn es fertig ist, werde ich kommen und es dir bringen: Ich habe dich nicht vergessen.«