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»Ich habe drei Schwestern besiegt, um meine Position als Matriarchin zu festigen. Du hast das Kommando, weil ich das gestatte. Vergiss das nie, Eddie.«

»Natürlich, Großmutter«, sagte ich. Und sie schritt wieder zurück zum Herrenhaus. Ich sah ihr hinterher und als ich sicher war, dass sie sich außer Hörweite befand, sagte ich. »Es gibt mehr Wege zu kämpfen und zu gewinnen, als Leute herumzustoßen, Großmutter.«

»Das hab ich gehört«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.

»Natürlich, Großmutter.«

Die organisierte Selbstverstümmelung ging weiter, während Giles seine Befehle vielleicht etwas lauter brüllte als vorher, aber ich fand, ich hätte eine Pause verdient. Ich plünderte den Picknickkorb, fand noch etwas Kaviar und Toast und machte mich auf, um etwas Ruhe und Frieden zu finden. Irgendwie landete ich bei der alten Kapelle. Still und friedlich war sie und es gab immer noch keinen Hinweis auf Jacob den Geist. Ich begann, mir darum Sorgen zu machen. Er hatte irgendetwas vor. Ich setzte mich in seinen großen abgeschabten Ledersessel und fischte Merlins Spiegel aus meiner Tasche. Die Manie, ihn herauszunehmen, der Drang nachzusehen, was um mich herum passierte, und Dinge herauszufinden, die mich nichts angingen, nahm irgendwie suchthafte Formen an. Aber es gab immer Dinge, die ich wissen musste, für das Wohl der Familie, also … Ich befahl dem Spiegel, mir die Gegenwart zu zeigen und zu enthüllen, was Molly tat. Ich wollte ihr vertrauen, in ihre Instinkte und ihre Selbstbeherrschung, aber sie war eben nicht mehr nur Molly. Da war etwas anderes jetzt in ihr, etwas Lebendiges, und Feindseliges. Ich musste mir ihrer sicher sein. Um unser aller willen.

Selbst in den wenigen Stunden seit gestern, hatte ich physische und mentale Änderungen bei Molly bemerkt, beinahe wider meinen Willen. Sie sah größer aus, stärker, ihre Bewegungen waren irgendwie seltsamer - obwohl das alles auch nur meiner Phantasie entsprungen sein konnte. Aber es gab keinen Zweifel daran, dass sie sich selbst anders benahm und manchmal erwischte ich sie dabei, dass sie mit leerem Gesicht unnatürlich still dastand, so als höre sie auf eine innere Stimme. Sie sagte, dass sie bereits eine Ahnung von der inneren Stimme der Abscheulichen bekam, am Rand ihres Verstandes. Sie sagte, dass es immer noch nur ein unverständliches Gemurmel sei, aber sie begann, Teile davon zu verstehen. Sie fing an, besondere Orte für die Nester der Abscheulichen zu lokalisieren, darunter sogar einige, die wir noch nicht einmal vermutet hatten. Ich gab die neuen Koordinaten an den Lageraum weiter, wo sie schnell bestätigt wurden und man mich bat, Molly nach mehr zu fragen. (Ich hatte ihnen gesagt, wir hätten die Nester dank ihrer Magie gefunden und bei ihrem Ruf hatten sie keine Probleme, das zu glauben). Und jedes Mal, wenn Molly ein neues Nest fand, sah sie mich beinahe herausfordernd an, als wolle sie sagen: Siehst du? Ich bin immer noch ich. Immer noch Molly. Immer noch auf deiner Seite. Und was konnte ich dann tun, als nicken und lächeln und ihr gratulieren? Selbst wenn das bewies, wie sehr sich ihr Verstand änderte und mehr und mehr des Alien-Kollektivbewusstseins verstand.

Sie hatte auch heftige Stimmungsschwankungen, aber ich wusste nicht, ob ich die auf die Infektion schieben konnte.

Merlins Spiegel zeigte sie mir. Sie stand in einem kleinen Wäldchen und sah hinaus auf das verlassene Wasserrad am anderen Ende des Sees. Ihr Gesicht sah eingefallen und nachdenklich aus, ihre dunklen Augen schienen weit weg zu sein und sie ignorierte die Schwäne, die vor ihr auf dem See in der Hoffnung auf Brotkrumen heranschwammen. Ich sah sie lange an. Sie sah immer noch wie Molly aus. Wie meine Molly. Aber ich musste mich fragen, wie lange das noch so sein würde. Wie lange, bevor die innere Molly sich so änderte, dass sie nicht mehr als echt durchging. Ich fühlte mich so hilflos! Und ich hatte es satt. Da war ich nun, der Führer der mächtigsten Familie der Welt und es gab nicht das Geringste, was ich tun konnte, um die Frau, die ich liebte, zu retten. Außer sie in die Schlacht zu schicken und zu hoffen, dass sie einen ehrenvollen Tod starb.

Wenigstens würde ich sie so nicht selbst töten müssen, wenn sie sich wandelte. Konnte ich das überhaupt tun? Ich glaubte es. Es war, was sie wollte, worum sie mich gebeten hatte. Und außerdem hatte ich zu meiner Zeit Schlimmeres für die Familie getan.

Noch während ich hinsah, kamen Harry Drood und Roger Morgenstern am Seeufer entlang auf sie zu. Harry lächelte fröhlich, als wäre er auf einem kleinen Spaziergang und sei nur zufällig auf Molly getroffen. Roger lächelte ausdruckslos, seine Augen dunkel und wachsam wie immer. Das Gras welkte und wurde schwarz, wohin er seinen Fuß setzte und die Schwäne flatterten davon. Ein Vogel, der über ihm herflog, fiel auf einmal tot vor seine Füße. Roger hob ihn auf und biss gedankenverloren hinein, als wäre er ein ganz normaler Snack. Blut lief sein Kinn entlang. Harry sah ihn angewidert an und Roger warf den toten Vogel augenblicklich fort. Molly musste wissen, dass sie da waren, aber sie ignorierte die zwei, bis sie beinahe neben ihr standen. Und dann brachte sie beide mit einem einzigen harten Blick dazu, auf der Stelle stehen zu bleiben.

Ich konnte ihre Stimmen deutlich hören, wenn auch entfernt.

Betrachtete man die Art, wie sie die zwei ansah, war mir klar, dass sie sich fragte, ob sie Bescheid wussten. Immerhin hatte Roger übermenschliche Sinne und Harry besaß Jahre an Erfahrung als Frontagent. Aber sie entschied schnell, dass das nicht der Fall war, und nickte Harry kurz zu. Roger ignorierte sie.

»Molly«, sagte Harry und lächelte leicht. »Du siehst gut aus.«

»Was willst du, Harry?«

»Was ich immer will«, sagte Harry. Er lächelte immer noch und richtete geistesabwesend das Drahtgestell seiner Brille. »Ich will das Beste für die Familie. Was dieser Tage bedeutet, dass ich das Kommando habe und nicht Eddie. Die Familie braucht meine Ruhe, meine durchdachten Entscheidungen und nicht Eddies durchgedrehte Impulsivität. Er wird alles verderben und uns alle umbringen. Das musst du doch wissen, Molly. Du kennst ihn besser als jeder von uns. Kannst du wirklich darauf vertrauen, dass er unter Druck das Richtige tut? Und wenn wir besiegt werden - wer wird noch da sein, um die Welt zu retten?«

»Was willst du, Harry?«

»Du bist unsere einzige Möglichkeit, an Eddie heranzukommen«, sagte Roger. »Wenn wir dich dafür gewinnen könnten - also dafür, dass Harry wieder die Macht in der Familie bekommt -, glauben wir, dass wir eine wirklich gute Chance hätten. Eddie würde einfach draufgehen ohne dich.«

Molly grinste plötzlich. »Ihr beide kennt Eddie wirklich überhaupt nicht. Er ist immer stärker gewesen als alle dachten. Das musste er sein. Er ist nicht auf mich angewiesen. Er braucht mich nicht. Und er wird prima zurechtkommen, wenn ich nicht mehr da bin.«

Harry und Roger wechselten einen schnellen Blick. »Planst du, … uns zu verlassen, Molly?«, fragte Harry.

»Sag nicht, du hast genug von Eddies Gutmenschentum«, sagte Roger. »Na, wurde ja auch Zeit. Du und ich waren uns ja mal sehr nahe, aber ich habe nie verstanden, was du in ihm gesehen hast.«

»Du und ich waren uns nie so nah«, entgegnete Molly.

»Wie kannst du so etwas sagen«, fragte Roger und schmollte spielerisch. »Dabei war es so schlimm für mich, als du mich verlassen hast. Ich habe Wochen gebraucht, um über dich hinwegzukommen.«

»Ich habe dich verlassen, weil du versucht hast, meine Seele an die Hölle zu verschachern!«

»Kleinigkeiten. Wir haben alle unsere Verpflichtungen der Familie gegenüber.«

Molly schnaubte. »Na, jetzt bist du ja mit Harry zusammen. Eine kleine Überraschung, du warst immer ein großer Weiberheld. Soll ich jetzt wirklich annehmen, du bist schwul?«

Roger zuckte mit den Achseln. »Ich bin ein halber Dämon. Ich akzeptiere keine menschlichen Grenzen, am allerwenigsten in meiner Sexualität. Ich will alles ausprobieren - und das tue ich auch meist.«