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»Den?«, mokierte sich Penny. »Das ist ein Säufer, ein Dieb und ein Wüstling! Er hat keine Prinzipien, keine Skrupel - und er ist ein Halbelb! Man kann ihm nicht trauen!«

»Er wird perfekt zu uns passen«, sagte ich. »Außerdem habe ich gehört, dass er seit seiner Nahtoderfahrung eine ganz neue Person ist.«

»Wenn du deine alten Freunde hinzuziehst, dann will ich auch ein paar von meinen!«, erklärte Molly. »Und sei es nur, damit ich mich nicht so in der Minderheit fühle.«

»In Ordnung«, stimmte ich zu. »Wen hast du im Sinn?«

»U-Bahn Ute und Mr. Stich«, antwortete Molly lieblich lächelnd.

»Bist du irre?«, rief ich. »Eine Vampirin, die den Menschen das Glück heraussaugt, und der ungefasste unsterbliche Serienmörder des alten London? Nur über meine Leiche!«

Vermutlich hätte es jetzt hitzige Worte und erhobene Stimmen gegeben, wären nicht in diesem Moment sämtliche Alarme auf einmal losgegangen. Das Herrenhaus wurde angegriffen.

Kapitel Drei

Gut und Böse - alles miteinander verwandt

Wenn in den alten Tagen Generalalarm gegeben wurde, rannte die ganze Familie, um das Herrenhaus zu schützen. Aber damals waren wir auch Krieger.

Jetzt rannten alle in die vorgesehenen Schutzräume, um sich zu verstecken, bis es vorbei war. Alles meine Schuld, klar, weil ich ihnen ihre goldenen Torques weggenommen hatte. Die Droods waren es nicht gewohnt, sich menschlich und verwundbar zu fühlen. Deshalb waren das Sanktum und die daran angrenzenden Zimmer so etwas wie der neue Panikraum für die Droods geworden, obwohl natürlich im Traum niemandem eingefallen wäre, so einen Ausdruck zu benutzen. Aber als ich, gefolgt vom Rest des Inneren Zirkels, das Sanktum verließ, kamen so viele Familienmitglieder, denen Angst und Verzweiflung deutlich in den Gesichtern geschrieben stand, durch den Korridor auf mich zu gerannt, dass ich beunruhigt feststellen musste, wie leicht der Geist meiner Familie gebrochen werden konnte.

Dagegen würde ich etwas unternehmen müssen, und zwar schnell.

Seltsam bewachte das Sanktum und die anderen Zimmer; seine andersdimensionalen Schilde schützten die Familie vor jeglichen Angriffen von außerhalb. Die Familie wäre dort sicher, während ich untersuchte, wer oder was es wagte, uns anzugreifen. Seltsam war auch für den Betrieb all unserer auf Wissenschaft und Zauberei beruhenden Verteidigungsanlagen verantwortlich, und es bestürzte mich, wie schnell wir von diesem neuen Ersatz für das zerstörte Herz abhängig geworden waren. Ich hatte uns nicht von einem andersdimensionalen Herrn befreit, nur um uns an einen anderen auszuliefern - egal wie wohlwollend er schien. Noch etwas, worüber ich mir Sorgen machen musste …

Seltsam hatte gesagt, er könne noch mehr für uns tun, aber das hätte bedeutet, noch mehr von seiner Substanz in diese Dimension zu bringen, und sogar er musste zugeben, dass er keine Ahnung hatte, wie genau sich so viel fremde Materie auf die physikalischen Gesetze unserer Realität auswirken würde. Fremde Materie folgte nicht den hiesigen Naturgesetzen, und unserer Welt gefiel es nicht, sie hierzuhaben. Außerdem war Seltsam, so wie er war, mächtig genug. Vertrauen ist schon immer eine schwierige Angelegenheit für mich gewesen, selbst bevor ich herausgefunden hatte, was das Herz tatsächlich war. Deshalb hatte ich, im Namen der Familie, Seltsams Angebot höflich abgelehnt.

Weshalb es jetzt an mir lag, die ganze verdammte Familie vor dem Angriff zu beschützen.

Die Droods strömten durch die Flure auf das Sanktum zu, die Gesichter blass und angespannt. Die Alarmglocken waren unerträglich laut, doch selbst bei diesem Krach verschaffte der Seneschall sich Gehör und brachte mit flammenden Worten und Drohungen eine gewisse Ordnung in die Menge, sodass sie in einer Reihe, aber nichtsdestoweniger schnell ins Sanktum marschierten. Er brauchte nicht viel von seiner charakteristischen Brutalität einzusetzen; die meisten Familienmitglieder waren froh, eine gebieterische Stimme zu hören, die ihnen sagte, was sie machen sollten. Aber andererseits war das schon immer ihr Problem gewesen. Der Seneschall blickte die nervösen Gesichter, die an ihm vorbeiströmten, finster an und schien tatsächlich beschämt, die Familie in einem solchen Zustand zu sehen. Mich blickte er nicht an, aber das brauchte er auch nicht - ich wusste schon, wem er die Schuld daran gab.

»Ich gehe in den Lageraum!«, sagte Penny schreiend zu mir, um über dem allgemeinen Lärm gehört zu werden. »Jemand muss das Gesamtbild im Auge behalten! Durchaus denkbar, dass dieser Angriff dazu vorgesehen ist, um uns von etwas richtig Großem abzulenken, das woanders stattfindet.«

»In Ordnung!«, antwortete ich. »Geh! Melde dich wieder, wenn du eine Gelegenheit bekommst!«

Aber sie war schon losgelaufen und bahnte sich ihren Weg durch die Flut der herannahenden Droods durch bloßes sicheres Auftreten. Mit ihr hatte ich eine gute Wahl getroffen. Ich sah mich nach Jacob um, doch der war verschwunden. Ich wandte mich an den Seneschall.

»Du bleibst hier und hältst die Lage unter Kontrolle! Molly, Onkel Jack, wir müssen in den Einsatzraum und herausfinden, mit wem oder was wir es zu tun haben, bevor wir rausgehen und dem Feind gegenübertreten. Seneschall, falls die Angreifer an uns vorbei und hier reinkommen sollten … improvisierst du.«

Ich machte mich auf den Weg und pflügte mit gleichmäßigem Tempo durch die immer voller werdenden Flure, Molly und der Waffenmeister folgten mir auf dem Fuß. Ein zunehmendes Gefühl der Panik lag in der Luft. Mein erster Instinkt war, hochzurüsten, aber das durfte ich nicht: Es hätte nur alle anderen Droods in Wut versetzt, die ihre Rüstung meinetwegen nicht mehr hatten.

Ich hatte Lust zu rufen: Hört zu, zu der Zeit schien es eine gute Idee zu sein, okay?

»Was glaubst du, wer dahintersteckt?«, fragte Molly und zwängte sich dicht neben mich. »Vielleicht das Manifeste Schicksal? Könnte Truman am Ende die Kurve doch wieder gekriegt haben?«

»Unwahrscheinlich«, erwiderte ich. »Davon hätten wir gehört.«

»Könnte der Premierminister sein«, meinte der Waffenmeister, »der sein Missfallen darüber zum Ausdruck bringt, dass seine besten Agenten in Särgen zu ihm zurückgeschickt worden sind.«

»Wenn sie imstande gewesen wären, mich zu fangen, dann wäre vielleicht das Herrenhaus als Nächstes dran gewesen«, sagte ich. »Aber nach dem, was ich mit seinen fittesten Jungs angestellt habe, verkriecht er sich vermutlich immer noch wimmernd unter seinem Schreibtisch. Nein, das hier könnte jede der Gruppen sein, über die wir vorhin gesprochen haben, weil sie ihre Präventivschläge unbedingt zuerst landen wollen. Hört zu, spart euch den Atem fürs Laufen, Leute! Wir müssen wissen, worauf wir uns einlassen, bevor wir unsere Gesichter draußen zeigen!«

Der Einsatzraum befand sich weit drüben im Südflügel, und der Weg dorthin führte uns durch zunehmend leere Gänge und Korridore, die trotz des heulenden Alarms schon bald wie ausgestorben dalagen. Außer Atem erreichten wir schließlich unser Ziel. Der Einsatzraum ist eine Hightechzentrale, die dazu bestimmt ist, sämtliche Verteidigungsanlagen des Herrenhauses zu überwachen, von Sensoren über Schilde bis hin zu unseren verschiedenen Waffensystemen. Es dauerte ein paar Minuten, bis wir drei die strengen Sicherheitsprotokolle durchlaufen hatten, dann eilten Molly, der Waffenmeister und ich in den Raum, und hinter uns schloss sich zischend die große Stahltür und sperrte das Getöse der Alarme aus. Die plötzliche Stille, die nur durch die ruhigen und professionellen Stimmen der Anwesenden unterbrochen wurde, war eine regelrechte Wohltat, und ich atmete lang und tief durch, um mich zu beruhigen.

Ich war vorher noch nie hier gewesen; der Einsatzraum hatte sich noch in Konstruktion befunden, als ich von zu Hause fortgegangen war. Im Gegensatz zum Lageraum ist der Einsatzraum eine viel bescheidenere Angelegenheit: nur ein Raum überschaubarer Größe, der mit Computern und anderem verwirrenden Hightechkram vollgestopft ist, bedient von etwa einem Dutzend Technikern unter der Führung des Einsatzleiters. Hier gab es weder Eile noch Hektik noch das Gefühl der Dringlichkeit; Männer und Frauen saßen ruhig an ihren Bildschirmarbeitsplätzen und verrichteten effizient und professionell ihre Arbeit. Diese Leute hatten nicht vergessen, was es hieß, ein Drood zu sein. Sie bewahrten in einer Notsituation kühlen Kopf, weil es das war, was man ihnen eingedrillt hatte, denn die Entscheidungen, die in diesem Raum getroffen wurden, konnten Auswirkungen auf die Sicherheit der ganzen Familie haben.