Janitscharen Jane hatte Armeen von Dämonen in unbeschreiblichen Höllendimensionen bekämpft und der Blaue Elf hatte zahllose Schlachten mit seinen inneren Dämonen ausgefochten - aber beide sahen ausgesprochen besorgt aus, als ich ihnen sagte, dass wir sie allein zum Herrenhaus schickten, während Molly und ich nach weiteren Tutoren suchen würden. Das Heim meiner Familie hat einen ganz bestimmten Ruf, hauptsächlich weil wir das so wollten. Heißt: Gäste sind selten und Unbefugte werden gefressen. Also zog ich schließlich wieder Merlins Spiegel hervor und öffnete ein Tor zwischen einer stillen Ecke im Wolfskopf und der Waffenmeisterei der Familie, um Janitscharen Jane und den Blauen Elf der etwas überraschten Fürsorge des Waffenmeisters zu überantworten. Tatsächlich sah Onkel Jack ausgesprochen perplex aus, als ich Jane und den Elf durch das gähnende Loch schob und schnell wieder schloss, bevor er protestieren konnte. Ich glaube fest daran, dass jeder mit seinen Problemen allein fertig werden muss.
Molly sah den Spiegel nachdenklich an, als ich ihn wieder in seine normale Form schüttelte. »Das ist ein wahnsinnig nützliches Ding, Eddie. Mir fallen wirklich viele sinnvolle Verwendungen dafür ein. Was zum Beispiel, wenn wir es zu Hause dafür benutzen würden, einen Schwarm Piranhas in das Bidet der Matriarchin zu transportieren?«
Ich musste lächeln. »Deine Ideen sind wirklich die besten, Molly.«
»Heißt das ja?«
Ich drehte der Bar den Rücken zu und winkte den nächsten Barkeeper heran. »U-Bahn Ute und Mr. Stich - sind die in letzter Zeit hier gewesen?«
Der Barkeeper dachte ein wenig nach, während er ein Glas polierte, das es ganz offensichtlich nicht nötig hatte. »Nein. Aber wenn ich so darüber nachdenke, habe ich beide schon lange nicht mehr gesehen. Ein paar Wochen mindestens. Und das ist … ungewöhnlich.«
»Das ist es verdammt noch mal wirklich!«, sagte Molly naserümpfend. »Ute hat sich sicher zurückgezogen, nach der Sache mit dem Manifesten Schicksal, aber Mr. Stich? Den bringt doch nichts aus der Ruhe.«
»Irgendeine Idee, wo wir nach ihnen suchen sollen?«, fragte ich.
»Aber natürlich«, antwortete sie sofort. »Ich habe immer Ideen. Ich bin die Ideenfrau! Lass es krachen, Schätzchen, wir gehen in den Untergrund.«
Um genau zu sein, brachte Molly den Spiegel dazu, uns zur U-Bahn-Station Cheyne Walk zu bringen, die eine von U-Bahn Utes Lieblingsplätzen war. Wir traten in die Schatten am Ende des Bahnsteigs und niemand bemerkte das, weil niemand auf irgendjemanden achtet, wenn er auf den Zug wartet.
Molly und ich zogen durch mehrere Tunnel und über einige Bahnsteige, bis wir U-Bahn Ute endlich auf einem überfüllten Bahnsteig fanden. Ich hätte sie beinahe nicht erkannt. Eine ältliche, gebeugte Frau, die in Lumpen und Fetzen von Kleidern von der Fürsorge herumlief, schlurfte sie langsam durch die Menge. Die Leute zogen sich zurück, um nicht mit ihr in Kontakt zu kommen. Sie sah aus wie jede andere Obdachlose, die einen um Wechselgeld anbettelt, und sogar Molly musste zweimal hinsehen, bevor sie ihre alte Freundin erkannte. U-Bahn Ute fuhr herum, als Molly sie rief. Dann zuckte sie zusammen und wandte sich ab, als ob sie nicht wolle, dass Molly sah, was aus ihr geworden war.
Molly griff nach ihrer Schulter und drehte sie entschlossen zu sich um. Dann schnitt sie eine Grimasse und rieb ihre Hand fest an der Hüfte, um sie zu säubern. Ich machte ihr keinen Vorwurf. Aus der Nähe roch U-Bahn Ute ziemlich ranzig. Molly starrte ihr böse ins schmutzige Gesicht.
»Du lieber Gott, Ute, was zur Hölle ist dir denn passiert?«, sagte Molly so geradeheraus wie immer. »Du siehst scheiße aus.«
»Wenn das die Hölle ist, dann stecke ich mittendrin«, sagte U-Bahn Ute. »Ach, die alten Witze sind doch die besten. Hallo, Molly, Edwin. Was macht ihr denn hier unten?«
»Nach dir suchen«, erwiderte ich.
»Na, und da ihr mich jetzt gefunden habt, könnt ihr ja gleich wieder gehen«, meinte U-Bahn Ute bestimmt.
»Nicht, bis du uns erzählt hast, was los ist«, sagte Molly im gleichen Ton.
U-Bahn Ute seufzte und es klang sehr erschöpft. »Mein Glück hat mich verlassen. Alles davon.«
»Aber du bist ein Glücksvampir«, sagte ich. »Warum hast du dir nicht einfach etwas von jemandem anders gestohlen?«
Sie warf mir einen langen, gequälten Blick zu. »Wenn es nur so einfach wäre. So wie ich aussehe, ist es schwierig, nahe und lange genug an jemanden heranzukommen, um ein ernsthaftes Quäntchen Glück aus jemandem herauszusaugen. Und außerdem - ach, verdammt, ihr werdet nicht abhauen, bis ihr die ganze, traurige Geschichte gehört habt, oder?«
»Natürlich nicht«, sagte Molly.
»Dann kommt mit. Hier können wir nicht reden. Nicht vor Zivilisten.«
Sie führte uns ans Ende des Bahnsteigs. Jeder sah höflich in eine andere Richtung, als wäre ihre Armut ansteckend. U-Bahn Ute blieb vor einer unauffälligen Tür stehen, auf der »Zutritt für Unbefugte verboten« stand, öffnete das schwere Vorhängeschloss mit einem ausgesprochen schmutzigen Messingschlüssel und führte uns dann in eine Art leere Putzkammer. Sie zog die Tür sorgfältig hinter uns zu und schob mit der Hand die gegenüberliegende Wand fort. Diese öffnete sich plötzlich und gab den Weg in ein weites Gewölbe frei, das nur von einer einzigen Glühbirne erleuchtet wurde, die bei unserem Eintreten aufleuchtete. Es war U-Bahn-Utes Zuhause.
Es war wirklich nur ein Loch, ausgestattet mit Abfall, den sie gerettet hatte. Es gab leere Dosen und Plastikflaschen, um Wasser aufzubewahren, Plastikboxen für Überreste von Lebensmitteln und einen Haufen Decken, um darauf zu schlafen. Der Ort sah aus wie einer, an dem Tiere leben. Molly sah sich um, offenbar war sie zutiefst erschrocken.
»Ute, was ist passiert? Du bist eine der bekanntesten Glücksvampire von London. Ich dachte, du würdest in dieser herrlichen Wohnung im West End wohnen, in Luxus und mit aller Bequemlichkeit?«
»Das glaubt jeder«, sagte Ute und ließ sich auf ihren Deckenhaufen fallen. »Und für eine Weile war das auch richtig. Ich hatte das beste Glück, gestohlen von den Reichen und Mächtigen und was ich nicht selber brauchte, habe ich für viel Geld verkauft, sodass ich mir alles leisten konnte, was ich nur wollte. Aber - ich hab alles verbraucht. Und wenn sich das Glück erst einmal gegen dich wendet, dann wird es richtig mies. Als wäre da irgendeine Balance, die gehalten werden will. Glaubt ihr vielleicht, dass jemand wie ich überhaupt erst von solchen Leuten wie denen vom Manifesten Schicksal gefangen werden könnte?«
»Ich hatte mich darüber schon gewundert«, meinte ich.
»Einer, den ich kannte, hat mich betrogen«, sagte U-Bahn Ute. »Eigentlich kein Freund, wenigstens das, aber immerhin einer, den ich kannte. Er hat die Lüge des Manifesten Schicksals geschluckt und alles geglaubt, was Truman ihm versprochen hat, der Idiot. Er hat sich an mich rangeschlichen, als ich während des Berufsverkehrs abgelenkt war, und hat mir das meiste meines Glücks selbst ausgesaugt, bevor ich wusste, was passiert war. Und dann standen Trumans Gauner schon bereit und haben mich geschnappt.«
»Was ist mit diesem Bastard passiert?«, fragte Molly. »Willst du, dass ich ihn für dich finde?«
»Nicht nötig«, sagte Ute. »Seine Extraportion Glück ermöglichte es ihm, Trumans Leuten zu entkommen, als sie nach ihm suchen wollten, und er ist seitdem auf der Flucht. Vor ihnen und den anderen seiner Art. Er ist jetzt für den Rest seines Lebens allein.
Ich habe wirklich das letzte Restchen Glück aufgebraucht, dass ich hatte, um uns aus Trumans Konzentrationslager rauszuholen. Und als ich endlich da raus war, habe ich den Fehler gemacht, mir etwas Glück von einem Reisenden zwischen den Dimensionen holen zu wollen, der sich als Mensch getarnt hatte. Der hat es bei der ersten Berührung gespürt, und wusste sofort, was ich bin. Es … hat etwas mit mir gemacht, und jetzt habe ich immer Pech.« Sie lächelte freudlos. »Nach all diesen Jahren, in denen ich mich als Obdachlose getarnt habe, damit ich näher an meine Beute rankomme, bin ich jetzt wirklich eine geworden. Das Leben ist scheiße. Was machst du hier, Molly? Ich wollte nie, dass du mich so siehst. Was willst du von mir?«