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Ich fand es schwierig, mir vorzustellen, dass Mr. Stich je normal gewesen war, mit einem normalen Leben. Er muss das gespürt haben, denn er machte eine kurze, abschließende Geste und sah mich bloß noch kalt an.

»Was willst du von mir, Edwin Drood?«

Ich erklärte die Situation, aber er schüttelte den Kopf, bevor ich geendet hatte. »Was lässt dich glauben, dass ich so vertrauensvoll und dumm wäre, mich selbst in die Hand meiner langjährigen Feinde zu geben? Und was noch wichtiger ist: Selbst wenn du es schaffen würdest, mich von meiner Sicherheit zu überzeugen, warum sollte ich an den einen Ort gehen, an dem mir niemals gestattet würde zu töten? Ich muss morden, Edwin. Das ist meine Natur.«

»Nachdem die Tutorentätigkeit beendet ist, kannst du so viele der Abscheulichen umbringen wie du willst.«

»Die Droods haben ihre alte Bibliothek geöffnet«, sagte Molly. »Sie ist voll von vergessenen und verbotenen Texten, die Jahrhunderte alt sind. Irgendwo in dieser Bibliothek müssen sich auch Informationen darüber befinden, wie man dir helfen kann. Wenn man dich vielleicht auch nicht heilen kann, ist es aber eventuell möglich den Zwang, unter dem deine Unsterblichkeit steht, zu lindern. Du kannst vielleicht die Kontrolle darüber erlangen und müsstest nicht mehr ständig töten.«

Mr. Stich sah sie nachdenklich an. »Und was lässt dich annehmen, dass ich das möchte?«

»Weil du dich weigerst, mich zu töten und meine Freunde«, sagte Molly. »Und ich wüsste nicht, dass du das je für jemanden anderen getan hättest.«

Er nickte langsam. »Du willst also, dass ich das tue, Molly? Auch wenn du wissen müsstest, dass das alles in Tränen enden wird?«

»Ich will, dass du das tust, also wird es nicht in Tränen enden«, antwortete Molly.

»Dann soll es so sein«, sagte Mr. Stich.

Ich öffnete Merlins Spiegel zur Waffenmeisterei und winkte Mr. Stich durch. Er wurde von einem sehr genervt aussehenden Waffenmeister in Empfang genommen, und ich schloss den Spiegel schnell wieder, bevor Onkel Jack etwas sagen konnte. Er sah ganz so aus, als wollte er etwas sagen, aber ich war sehr sicher, dass es nichts war, das ich hören wollte. Ich steckte den Spiegel weg und sah zu Molly.

»Ich denke, wir haben für einen Tag genug gearbeitet, meinst du nicht? Ich glaube, wir haben uns ein wenig Freizeit verdient, bevor wir wieder zurückmüssen. Was sollen wir machen?«

»Naja«, sagte Molly und steckte ihren Arm durch meinen. »Ich habe dir ein gutes Abendessen versprochen und weil wir schon mal in London sind … was meinst du, eine Show im West End und danach ein Dinner im Ritz?«

»Klingt sehr gut«, sagte ich. »Aber wir werden so kurzfristig niemals Karten für irgendetwas Anständiges kriegen.«

»Liebelein, ich bin eine Hexe, schon vergessen? Vertrau mir, Karten sind kein Problem.«

Ich dachte, es sei das Beste, wenn ich der Familie Zeit gäbe, sich an die Tutoren zu gewöhnen, bevor ich mich wieder im Herrenhaus zeigte und so genoss ich die Show und das Abendessen. Wir sahen uns die neue Produktion in der Shaftesbury Avenue an: König der Diebe: Das Musical. In den Hauptrollen waren Robbie Williams als Robin Hood, Paris Hilton als Lady Marian und Ricky Gervais als der Sheriff zu sehen. Musik, Handlung und Texte von niemandem, von dem Sie je gehört hätten. Karten waren wirklich kein Problem: Molly wandte eine Art Jedi-Gedankentrick am Theaterpersonal an und so hatten wir eine Loge ganz für uns. Danach gingen wir ins Ritz und bestellten in dem Wissen, dass wir nicht die geringste Absicht hatten, für irgendetwas zu zahlen, das Beste von allem.

Hey, ich sorge dafür, dass die Welt sicher und die Menschheit geschützt ist. Mir stehen ein paar Sonderzulagen und Privilegien zu.

»Eine interessante Produktion«, sagte ich zu Molly über den leicht gebräunten Toastscheiben, auf die wir Beluga-Kaviar gehäuft hatten.

»Ja - aber warum diese Besessenheit, erfolgreiche Filme in Bühnenmusicals umzuschreiben? Und warum haben sie den Bryan-Adams-Song nicht gesungen? Er ist sowieso das Einzige, woran sich die Leute bei dem Film erinnern.«

Ein paar Flaschen wirklich guten Champagner später gaben wir dem Kellner eine imaginäre Kreditkarte, tanzten im Tango die Treppe des Ritz hinunter und benutzten Merlins Spiegel, um nach Hause zu kommen. Wir gingen durch die Waffenkammer, wo der Waffenmeister auf uns wartete. Er sah gar nicht glücklich aus.

»Was habt ihr euch dabei gedacht, mir diese vier Psychopathen zu schicken? Ich habe genug Ärger damit, die Psychopathen unter Kontrolle zu halten, die unter mir arbeiten! Und ich habe mehr als genug Arbeit, auch ohne die besonderen Bedürfnisse eurer Freunde zu befriedigen!«

Ich sah mich um, aber von meinen Tutoren war nichts zu sehen. Ich sah den Waffenmeister misstrauisch an. »Onkel Jack, was hast du mit ihnen gemacht?«

Er zog beleidigt die Nase hoch. »Ich habe sie Penny überlassen, damit sie auf sie aufpasst. Du weißt ja, wie sie es liebt, Dinge zu organisieren. Und Leute.«

Ich sah ihn an, erschrocken und plötzlich stocknüchtern. »Du hast was gemacht? Sie ist niemals in der Lage, mit einer so gefährlichen Bande fertig zu werden. Allein schon der Blaue Elf könnte Penny völlig fertigmachen, ohne in Schweiß auszubrechen, von Mr. Stich mal gar nicht zu reden! Wo sind sie jetzt?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Frag Penny. Und jetzt raus hier. Ich muss mich um ein Taschenuniversum kümmern, dass Stabilisierung braucht.«

Ich aktivierte meine geistige Verbindung zu Seltsam im Sanktum.

»Roter Alarm, Notfall, Notfall!«

»Hi, Eddie! Willkommen zurück. Hattest du eine schöne Zeit in der Stadt? Hast du mir was mitgebracht, ein Geschenk?«

»Lass das jetzt.«

»Hast du nicht, oder? Du hast mich einfach vergessen.«

»Wo sind Penny und die vier Tutoren, die sie beaufsichtigen sollte?«

»Sie sind natürlich in ein paar der Hörsäle. Sie hat schon die ersten Seminare organisiert, sie laufen bereits. Das ist alles so aufregend!«

Ich unterbrach die Verbindung zu Seltsam, bevor ich etwas sagen konnte, was ihm und mir später leid tun würde, und benutzte Merlins Spiegel, um Molly und mich direkt zu den Vorlesungssälen im Südflügel zu bringen. Ich hatte dieses schreckliche Bild vor meinem geistigen Auge: Ein ganzer Hörsaal voller toter Droods, mit Blut, das die Gänge zwischen den Stuhlreihen herunterlief, während Janitscharen Jane und Mr. Stich mit ihren abgeschlagenen Köpfen Football spielten.

Aber als wir in der Lobby vor den Hörsälen ankamen, schien alles ruhig und still zu sein. Penny ging seelenruhig auf und ab und hörte mal an der einen, dann an der anderen Tür. Sie zuckte ein wenig zusammen, als Molly und ich durch den Spiegel kamen und kam dann zu uns herübergelaufen. Sie bedeutete uns, leise zu sein.

»Vielen Dank für diese vier!«, sagte sie, und weil sie flüsterte, kam der begeisterte Dank ein wenig gedämpft rüber.

»Gib dem Waffenmeister die Schuld«, sagte ich automatisch. »Wo sind sie, Penny? Hat es Ärger

gegeben?«

»Überhaupt nicht«, sagte sie. »Ich dachte, es sei das Beste, wenn ich sie gleich alle miteinander zum Arbeiten schicke. Und die Familie mal sehen lasse, was sie tun können. Also habe ich jedem einen Hörsaal gegeben, damit sie über das reden können, was immer sie wollen - und sehr zu meiner Überraschung flutscht es. Es funktioniert prima. Es gibt nur noch Stehplätze, in allen vier Sälen, und wann hatten wir das das letzte Mal?«

»Und es hat keine … Vorfälle gegeben?«, fragte Molly.

»Noch nicht«, erwiderte Penny. »Ein Teil von mir wartet noch darauf, dass die Bombe platzt.«