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Er starrte mich direkt an, seine Miene kalt und unnachgiebig. »Ich verlange, dass Edwin zurücktritt! Seine halbgaren Ideen und seine inkompetente Führerschaft hat uns schon zu viel gekostet. Er ist eine Bedrohung für uns alle. Er hat sich selbst als eine Niete im Feld erwiesen, hat es geschafft, dass die meisten seiner Leute getötet wurden und hat noch nicht einmal den Anstand, sich zu entschuldigen oder seine Fehler zuzugeben. Es ist Zeit, wiedergutzumachen, was er der Familie angetan hat und uns der traditionellen Kontrolle zu unterstellen. Wir müssen die Matriarchin wieder an die Macht bringen. Sie allein hat die Erfahrung, einen erfolgreichen Krieg zu führen.«

»Nein«, sagte ich knapp und meine Stimme brachte ihn verblüfft zu einem Halt. Alle Gesichter wandten sich wieder mir zu. Ich versuchte, den Ärger aus meiner Stimme zu verbannen. »Ist euer Gedächtnis wirklich so kurz? Die Matriarchin hat diese Familie betrogen. Habt ihr schon den Preis vergessen, den sie jeden von uns gezwungen hat, für die alte Rüstung zu zahlen? Den Tod eurer Zwillingsbrüder und -schwestern? All diese Babys, die dem Herzen geopfert wurden? Sie hat diese Praktik geduldet und vor euch geheimgehalten, weil sie wusste, dass ihr mit der Wahrheit nicht würdet leben wollen. Wollt ihr eure Seelen wieder verkaufen, so leicht? Ich werde dafür sorgen, dass die Torques, die ihr von Seltsam bekommt, kein Preisschild haben werden. Die Rüstung, die ihr von mir bekommt, werdet ihr mit Stolz tragen können.«

Ich sah Harry an. »Ich garantiere der Familie neue Torques. Kann die Matriarchin das tun? Kannst du's, Harry?«

»Also gehört Seltsam dann wohl dir?«, fragte Harry.

»Seltsam gehört niemandem«, erwiderte ich. »Aber er erkennt ein Arschloch, wenn er eines vor sich hat.« Ich sah wieder hinunter in das Meer der Gesichter vor mir. »Auf euch kommt's an. Trefft eure eigene Entscheidung. Lasst euch von niemandem sagen, was ihr zu tun habt, weder von der Matriarchin, noch von Harry, noch von mir. Ich kann euch nicht gegen euren Willen in den Krieg ziehen und ich würde es nicht tun, selbst wenn ich könnte. Ich bin nicht euer Patriarch, ich bin nur ein Drood, der tun will, was richtig ist. Dazu bin ich erzogen worden. Um den guten Kampf gegen alle Feinde der Menschheit zu führen.«

Es gab eine lange Pause, während der ich mein Herz in meiner Brust förmlich hämmern hören konnte. Ich hatte nichts weiter zu sagen. Und dann, einzeln oder zu zweit, applaudierte meine Familie und nahm damit meine Worte an. Sie beugten die Köpfe vor mir. Die Menge löste sich auf und ging ins Herrenhaus. Keine überwältigende Antwort, aber es würde reichen. Fürs Erste. Ich sah mich um, aber Harry war schon verschwunden. Wahrscheinlich, um der Matriarchin brühwarm Bericht zu erstatten. Ich sah den Waffenmeister, der sich zu einem stillen Zigarillo zurückgezogen hatte. Er hob fröhlich einen Daumen in meine Richtung. Ich nickte und ging zu Molly zurück.

»Den guten Kampf kämpfen?«, fragte sie. »Ich schätze mal, das soll das Gegenteil eines schlechten Kampfs sein. Aber was zum Teufel ist ein schlechter Kampf?«

»Die Art, in der man zweihundertvierzig gute Männer und Frauen verliert«, sagte ich. »Ich kann das nicht allein tun, Molly. Ich brauche Hilfe, professionelle Hilfe. Leute, die wissen, wie man einen Krieg führt.«

»Die Zeit läuft«, sagte Molly. »Wo willst du diese Leute in einer angemessenen Zeitspanne finden?«

»Ganz genau da.«

Kapitel Neun

Keine Zeit

Penny marschierte mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck auf uns zu.

»Geh einfach weiter«, sagte ich zu Molly.

»Wir könnten anfangen, zu laufen«, meinte sie.

»Das wäre würdelos«, erwiderte ich.

Aber da hatte Penny uns sowieso schon eingeholt. Sie pflanzte sich direkt vor uns auf, die Hände auf den Hüften und starrte mich böse an. Ich lächelte sie freundlich an, als hätte ich keine einzige Sorge in der Welt, denn ich wusste, das ärgerte sie am meisten.

»Wir haben ein Problem«, sagte sie kurz.

»Wirklich?«, fragte ich zurück. »Du überraschst mich. Und lass mich raten: Alles ist meine Schuld,

oder?«

»Vielleicht«, sagte Penny. »Janitscharen Jane ist weg. Spurlos verschwunden. Es gibt nicht mal Aufzeichnungen darüber, dass sie das Gelände verlassen hat. Was eigentlich dank des neuen Sicherheitssystems, das wir nach deiner Rückkehr installiert hatten, unmöglich sein sollte.«

»Jane ist ein Profi«, erwiderte ich ruhig. »Sie kommt und geht, wie sie will. Allerdings ist wirklich seltsam, dass sie verschwindet, ohne uns ein Wort zu sagen. Gibt es irgendwelche Hinweise?«

»Nur einen. Eine Notiz, die mit einem Messer an ihre Tür gepinnt war. Bin dann mal weg, um anständige Waffen zu besorgen.«

»Ja«, sagte ich. »Das klingt wirklich nach Jane.«

»Sie muss die Verluste in Nazca persönlich genommen haben«, meinte Molly.

»Jane ist Soldatin«, antwortete ich. »Sie hat in Dämonenkriegen gekämpft und ganze Zivilisationen um sich herum untergehen sehen - wenn Janitscharen Jane glaubt, wir bräuchten bessere Waffen, dann haben wir mehr Ärger, als wir dachten. Aber sie wird schon wieder zurückkommen.«

»Hoffentlich mit anständigen Waffen«, meinte Molly.

»Noch was?«, fragte ich Penny.

»Wenn ich schon mal da bin, würde ich dich gern daran erinnern, was der Innere Zirkel in deiner Abwesenheit beschlossen hat.«

»Ich hab's nicht vergessen«, erwiderte ich.

Penny seufzte. »Ich habe ihnen gesagt, dass du das persönlich nehmen würdest. Sieh mal, Eddie, das hat wirklich nichts mit dir zu tun. Es geht um das, was das Beste für die Familie ist. Niemand sprach davon, dich abzusetzen, wir wollten nur, dass du uns öfter konsultierst.«

»Vertrau mir, Penny. Ich verstehe das.«

Penny seufzte wieder. »Wenn du das tätest, dann würden wir diese Unterhaltung nicht führen. Also, im Interesse des Friedens und guten Willens und um dich nicht öffentlich bloßzustellen, werde ich das Thema wechseln. Du hast eine gute Rede gehalten. Alles, was du sagtest, war richtig. Und im Gegensatz zu Harry, kam das, was du sagtest, direkt von Herzen. Bleib dabei und vielleicht kannst du die Familie doch noch auf deine Seite ziehen.«

»Nur vielleicht?«

»Zu Führungsqualitäten gehört mehr als einfach nur recht zu haben«, meinte Penny. »Du musst inspirieren, motivieren - und wissen, wann man Politik mit den richtigen Leuten machen muss.«

»Und ich dachte, du wolltest das Thema wechseln«, sagte ich. »Lass mich das mal versuchen. Wie geht's Mr. Stich?«

Sie sah mich aufmerksam an und war sofort auf der Hut. »Dem geht's gut. Er gewöhnt sich ein. Seine Vorlesungen sind gestopft voll, auch wenn sich noch keiner ein Herz gefasst hat, ein persönliches Tutorium bei ihm zu belegen. Er ist ein sehr faszinierender Mann. Sehr tiefsinnig. Warum fragst du mich das, Eddie?«

»Weil du eine Menge Zeit mit ihm verbringst.«

»Ich werde nicht fragen, woher du das weißt«, sagte Penny kalt.

»Das ist wohl besser«, pflichtete ich ihr bei.

»Was in meiner Freizeit mache, Eddie, ist meine Angelegenheit. Steck deine Nase also nicht in Dinge, wo das weder gebraucht noch gewünscht ist. Oder Mr. Stich wird sie dir abschneiden.«

Sie stakste davon und selbst ihr durchgedrückter Rücken strahlte Arger aus. Molly sah ihr nach. »Was war denn das jetzt?«

»Scheint, als hätten Mr. Stich und Penny was miteinander laufen.«

»Machst du Witze? Echt? Weiß sie nicht, wer er ist? Wie kann sie nicht wissen, wer und was er ist?«

»Sie weiß es. Sie will es nur nicht glauben. Sie glaubt, sie kann ihn ändern. Und vielleicht kann sie das sogar. Du hast immer gesagt, dass er für dich ein guter Freund war.«