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»Und was glaubst du, wo du hingehst, Junge? Nur weil ich einen schlechten Moment hatte? Du wolltest etwas über die Kandarianer und die Eindringlinge wissen und ich weiß alles, was du wissen musst. Alles, was die Familie wissen muss. Also setz dich wieder hin und hör zu.«

Seine Augen waren wieder klar und konzentriert und seine Präsenz beinahe überwältigend. Als ob er einen inneren Schalter umgelegt hatte und den alten William wieder geweckt und an die Oberfläche geholt hatte. Ich setzte mich wieder und William verfiel in einen Oberlehrer-Modus.

»Die Kandarianer haben sich selbst mächtig gemacht, in dem sie freiwillig ihre Körper andersdimensionalen Kräften überlassen haben«, sagte er mit klarer Stimme. »Das Ergebnis war, dass ihre Krieger übermenschlich stark waren, schnell und unglaublich resistent gegenüber Schmerz oder Verletzungen. Erinnert dich das an etwas? Ja, genau wie unsere Familie haben die Kandarianer einen Handel mit einer höheren Macht abgeschlossen, aber sie waren nie zufrieden. Sie wollten immer mehr, und haben so immer neue Handel mit immer neuen Wesen getätigt. Je mehr Länder und Zivilisationen sie um sich herum eroberten und ihr böses Reich des Schlachtens und der Folter und des Schreckens über immer größere Gebiete hin ausweiteten, desto stärker mussten sie werden, um das zu behalten, was sie schon hatten. Am Ende verbündeten sich ihre Feinde miteinander, um die Kandarianische Expansion zu stoppen. Die Kandarianer fanden das inakzeptabel. Sie hatten viel zu viel Spaß dabei. Also machten sie sich entschlossen daran, noch stärker und noch mächtiger zu werden, egal, was es kostete. Sie wollten Götter auf Erden werden. Also schlossen sie noch einen Handel ab, mit denen, die wir als die Abscheulichen kennen, die wiederum die Kandarianer den Eindringlingen vorstellten; sehr mächtigen Wesen außerhalb unserer Raumzeit. Und das war der erste Fehler der Kandarianer, denn der Kontakt mit den Eindringlingen ließ die Kandarianer wahnsinnig werden. Alle. Sie wandten sich gegeneinander und löschten ihre ganze Rasse und Zivilisation in einer einzigen Nacht des Todes und der Zerstörung aus. Sie taten sich selbst das an, was sie so viele Jahre allen anderen angetan hatten.

Keiner von ihnen überlebte.

Sie wussten aber auch nicht, was wir heute wissen. Dass es eigentlich keine Abscheulichen in diesem Sinne gibt. Nicht als eigene Entitäten. Sie sind nur die Vorboten von wesentlich größeren Wesenheiten in unserer Realität. Die Fingerspitzen der Eindringlinge, wenn man so will. Denk dir die Abscheulichen als Trojanische Pferde, durch die die Eindringlinge einen Fuß in unsere Realität bekommen. Die Eindringlinge haben in vielen Kulturen ebenso viele Namen, und sie werden von jedem gefürchtet, der auch nur zwei miteinander verbundene Hirnzellen hat. Die Vielwinkligen, der Horror aus dem Jenseits, die Hungrigen Götter. Es sind Wesen aus einer höheren Realität, die sich davon ernähren, in untere Realitäten wie der unseren vorzustoßen und uns zu verschlingen. Sie ernähren sich von Leben, von allem Lebendigen, beim größten angefangen bis hin zum kleinsten Wesen. Sie fressen Welten, löschen ganze Realitäten und bewegen sich immer von einer zur nächsten wie kosmische Heuschrecken.

Als unsere Familie das erste Mal einen Deal mit den Abscheulichen abschloss und sie in unsere Welt brachte, um als Waffe gegen die Nazis zu dienen, haben wir unwissentlich die Eindringlinge auf unsere Welt, unsere Realität aufmerksam gemacht. Und obwohl wir sehr darauf bedacht waren, nur ein paar Abscheuliche in unsere Welt zu bringen, die wir auch - so dachten wir - kontrollieren können, haben wir dennoch eine Tür geöffnet, die nie korrekt wieder geschlossen wurde. Natürlich haben sich die Abscheulichen unserer Kontrolle entzogen. Über die Jahre haben sie sowohl an Zahl als auch an Macht zugelegt, bis sie endlich so weit waren, die Eindringlinge zu uns durchkommen zu lassen. Damit sie uns verschlingen können. Damit sie alles verschlingen können. Alles Leben, die ganze Schöpfung. Wir müssen es aufhalten, Edwin, weil wir es auch angefangen haben.«

William hörte auf zu sprechen, stand gerade und groß vor mir und sah mich erwartungsvoll an. Ich sah zu Rafe.

»Er übertreibt nicht«, sagte Rafe. Seine Stimme war fest, auch wenn sein Gesicht blass und verschwitzt wirkte. »Ich habe all die Quellen gecheckt. Es steht alles in den Büchern. Nur hat das alles vor William noch niemand zu einem Ganzen zusammengesetzt.«

»Okay«, sagte ich, nur ein wenig unsicher. »Das ist echt größer, als wir dachten. Wie bekämpfen wir diese … Eindringlinge?«

»Das kann man nicht«, sagte William knapp. »Wenn sie durchbrechen, dann ist es vorbei. Wir müssen die Abscheulichen daran hindern, ihre Türme zu bauen. Sie auslöschen, bis auf den allerletzten. Oder wir werden nicht sicher sein.«

»Und … es fehlen einige Bücher«, sagte Rafe. »Wichtige Bücher. Ich vermute, dass die Null-Toleranz-Fanatiker sie genommen haben, vielleicht, um sie an Truman und das Manifeste Schicksal weiterzugeben. Oder vielleicht haben sie sie auch zerstört, damit niemand die Wahrheit kennt. Weißt du, diese Bücher beschrieben den ursprünglichen Deal der Familie mit den Abscheulichen. Was wir ihnen versprochen haben und sie uns. Und möglicherweise auch etwas, um den Handel rückgängig zu machen.«

»Wie viele Bücher fehlen denn?«, fragte ich.

»Wir stellen gerade eine Liste auf«, sagte Rafe. »Eine ganze Sektion der Familiengeschichte fehlt. Es dürfte dich nicht überraschen, dass ausgerechnet die Bände fehlen, die uns vielleicht verraten hätten, wer ursprünglich vorgeschlagen hatte, die Abscheulichen zu kontaktieren und warum.«

»Ich dachte immer, dass das auf die vorige Matriarchin zurückging, Urgroßmutter Sarah«, meinte ich langsam.

»Ich denke, es ist komplizierter«, sagte Rafe. »Ich habe mich durch ein paar Begleittexte gewühlt: inoffizielle Familiengeschichte, persönliche Tagebücher und dergleichen. Es scheint, dass andere, vernünftigere Möglichkeiten zugunsten der Abscheulichen außer Acht gelassen wurden.«

»Was zum Beispiel?«, fragte ich.

»Die Freundlichen«, sagte William. »Die Brigade der Unendlichkeit, die Zeitmeister. All die üblichen Verdächtigen, alle der Menschheit gegenüber viel freundlicher eingestellt als eine Bande degenerierter Seelenfresser. Aber irgendjemand hoch in der Familienhierarchie bestand auf den Abscheulichen, gegen jede Vernunft. Ich muss mich fragen … ob es vielleicht einen Verräter innerhalb der Familie gab. Vielleicht jemanden, der schon von den Abscheulichen übernommen war.«

Meine Nackenhaare stellten sich auf. »Ein infizierter Drood, mitten im Herz der Familie? Könnte es noch andere geben, mitten unter uns?«

»Das ist möglich«, sagte Rafe. »Wir sind mit den Jahren zu selbstgefällig geworden. Der Waffenmeister könnte etwas entwickeln, damit wir so etwas wie einen Test haben.«

»Ich werde mit ihm reden«, sagte ich. »Einen Verräter in der Familie …! Vielleicht sind deshalb bei Nazca so unerwartet viele Drohnen aufgetaucht. Sie wussten, dass wir kommen würden. Jemand hat ihnen einen Tipp gegeben.«

»Wird irgendjemand vermisst, seit ihr wieder da seid?«, fragte Rafe.

»Nur Janitscharen Jane, aber … Nein. Warte mal einen Moment.« Ich zog eine Grimasse. Mir gefiel nicht, wo meine Gedanken mich hinführten. »Sie war gerade erst von einem Dämonenkrieg zurückgekehrt, als ich sie fand. Sie sagte, sie sei die einzige Überlebende gewesen … und jetzt muss ich mich fragen, warum.«

Unsere Köpfe fuhren herum, als hinter uns plötzlich ein leises, verstohlenes Geräusch zwischen den Bücherstapeln zu hören war, nicht sehr weit weg. Ich war im gleichen Moment auf den Beinen, tauchte durch die turmhohen Bücherregale, Rafe und William dicht auf den Fersen. Und da war der Blaue Elf mit einem Stapel Bücher in den Armen. Er versuchte nicht einmal, sich zu verstecken oder wegzulaufen. Er lächelte uns drei schnell an und gab sich Mühe, besonders stillzustehen.