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»Aber … wie?«, fragte ich. Meine Kehle war ausgetrocknet, meine Stimme nur ein Flüstern.

»Ich weiß es nicht. Lass uns nur hoffen, dass es ein guter Tod sein wird. Für die Familie.«

»Nein«, sagte ich. »Ich werde das nicht zulassen.«

»Das kannst du nicht verhindern. Du darfst es nicht einmal.«

»Ich könnte dich zurückschicken. Dein lebendes Ich. Wir öffnen einfach das Tor und …«

»Aber das wirst du nicht tun. Weil du mich brauchst.«

»Jacob …«, sagte ich.

Er nickte schroff. »Ich weiß, Junge. Ich weiß.«

»Du warst mein erster wirklicher Freund«, sagte ich. »Und abgesehen von Onkel James, die einzige wirkliche Familie, die ich je hatte. Du und James wart die Einzigen, die mir je etwas bedeutet haben. Und jetzt sagst du mir, dass ich auch für deinen Tod verantwortlich sein soll? Nein. Nein, ich kann das nicht zulassen. Nicht schon wieder. Ich habe schon einen Vater getötet, ich kann nicht noch einen töten!«

»Die Zeit ist nicht fix«, sagte Jacob freundlich. »Aber … wenn ich nicht sterbe, wie ich soll, werde ich nicht hier sein, wenn du es brauchst. Werde nicht hier sein, um dir zu helfen, das Herz zu besiegen. Die Familie kommt immer an erster Stelle, Eddie. Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe, mein Junge. Du warst es wert, darauf zu warten. Du bist der Sohn, den ich nie hatte. Und jetzt trockne deine Augen und tu, was du tun musst. Das Ganze hat einen Zweck, eine Bestimmung, die wir zu erfüllen haben. Zumindest daran erinnere ich mich.«

»Warum hast du mir das verheimlicht?«, fragte ich, als ich meine Stimme wieder im Griff hatte.

»Weil ich das Gefühl hatte, dass etwas Schlimmes passieren würde. Ich brauche Zeit für mich, ungestört, um mich selbst dazu zu bringen, mich zu erinnern, was ich tun soll. Bevor es zu spät ist. Komm nicht, um nach mir sehen, Eddie. Und sag meinem lebenden Ich nichts von … mir. Nur für den Fall, dass du nach einem Ausweg suchst.«

Er grinste und zwinkerte mit einem glühenden Auge, verschwand aus seinem Sessel und ließ mich in der Kapelle allein.

Wenn man bedachte wie der erste Versuch, mit der Zeit herumzuspielen, gelaufen war, war ich nicht scharf darauf, es ein weiteres Mal zu probieren. Aber Notwendigkeit, Pflicht und Jacobs Ermutigung trieben mich an. Ich brauchte immer noch Hilfe, vielleicht mehr denn je und der einzige Platz, an dem ich noch suchen konnte, war unter den zukünftigen Sprösslingen meiner Familie. Außerdem war ich wie immer stur. Also ließ ich Merlins Spiegel wieder los und instruierte ihn, mir die Zukunft zu zeigen.

»Zeig mir, wie das Herrenhaus in hundert Jahren aussieht«, sagte ich. Das schien mir sicher genug zu sein.

Das Portal öffnete sich und zeigte mir ein Bild des Herrenhauses, groß und stolz auf seinen weiten Parkflächen. Das alte Haus sah verdammt viel größer aus. Komplette neue Flügel waren angebaut worden und ein großer Steinturm stand auf jeder Seite. Luftschiffe einer unbekannten Art summten wie schlanke, schwarze Wespen um das Flugfeld hinter dem Haus und da waren Kinder, Hunderte von Kindern, die frei und fröhlich auf den grünen Wiesen herumrannten. Und dann änderte sich das Bild plötzlich und zeigte mir ein anderes Herrenhaus. Es war eine Ruine; zerbrochener Stein und zerbröckelnde Ziegel, alle Fenster dunkel. Der Park war ein wuchernder Dschungel seltsamer und fremder Pflanzen, die sich bis zum Herrenhaus selbst hinzogen wie eine solide grüne Welle. Kriechpflanzen krochen aus den Fenstern, Bäume barsten aus zerbrochenem Mauerwerk. Von der Familie keine Spur, nirgendwo.

Das Bild wechselte erneut. Diesmal war das Herrenhaus wie ich es kannte fort und war durch eine gewaltige, technische Struktur ersetzt worden, gänzlich aus glänzendem Stahl und Silber und großen blitzenden Fenstern bestehend. Wirbelnde Energien flossen um hohe schimmernde Türme und seltsame Maschinen hüpften über die säuberlich geschnittenen Grünflächen. Über den ganzen Ort flogen Engel voll schrecklicher Schönheit, sangen Kriegslieder und schienen heller als die Sonne …

Die Bilder vor mir änderten sich laufend, schneller und schneller. Alles Mögliche, wahrscheinliche zukünftige Zeiten. Alle gleich real, gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Ich befahl dem Spiegel, damit aufzuhören, dachte eine Weile nach und befahl ihm dann, ein Bild des Herrenhauses in einer Zukunft zu zeigen, in der die Familie darin versagt hatte, die Eindringlinge aufzuhalten.

Diesmal stand das Herrenhaus allein und verlassen auf einer endlosen, verstrahlten Ebene. Kein Lebenszeichen irgendwo, nichts von Horizont zu Horizont, und der wolkenverhangene Himmel war leer. Staub fiel langsam zu Boden, endlos, ungestört selbst von der kleinsten Brise. Kein Anzeichen irgendeines lebenden Wesens. Nichts bewegte sich. Der Himmel war von einem dunklen und düsteren Violett, wie eine Prellung.

Eine tote Welt.

Mir war kalt. Kalt bis auf die Knochen, bis in die Seele. Das war es also, was passieren würde, wenn die Familie versagte. Wenn ich versagte.

Ich wies den Spiegel an, mir zu zeigen, wie das passiert war. Was die Eindringlinge tun würden, wenn sie kämen. Bilder erschienen und verschwanden wieder, aber ich konnte keines wirklich verstehen. Sie waren zu seltsam, zu verschieden, zu anders. Da gab es große Formen, lebende Dinge groß wie Berge, die durch mehr als drei physische Dimensionen strahlten. Sie nur anzusehen, verursachte mir Kopfschmerzen und Übelkeit. Die Zeit schien langsamer zu laufen oder schneller, Landschaften entstanden und fielen wieder zusammen wie Gezeiten, Städte brannten und der Mond fiel vom Himmel. Menschen und andere lebende Wesen rannten schreiend durch verzerrte Straßen, transformierten und mutierten in Dinge, die in einer rationalen Welt nicht hätten existieren dürfen. Aber dennoch hatten sie Bestand, waren auf schreckliche Weise lebendig und sich ihrer selbst bewusst und litten. Eine schwarze Sonne, groß und widerlich, dominierte einen Himmel, der in Flammen stand, bis sie plötzlich explodierte, auseinanderplatzte und all die schrecklichen Dinge ausspuckte, die sie ausgebrütet hatte.

Die Fremdheit nahm zu, bis ich nicht mehr zusehen konnte. Ich wandte mich ab, und fiel plötzlich von Übelkeit geschüttelt auf den kalten Steinboden. Hinter mir waren schreckliche Geräusche zu hören. Ich schrie den Spiegel an, er solle aufhören, meine Augen zusammengepresst, Tränen leckten unter fest geschlossenen Lidern hervor. Und auf einmal erfüllte eine wunderbare Stille die Kapelle. Als ich endlich wieder wagte, hinzusehen, war nichts im vor mir schwebenden Spiegel zu sehen außer meinem eigenen Spiegelbild. Es starrte mich an, und ich sah zum Fürchten aus. Ich sah aus, als hätte ich den Krieg bereits hinter mir und hätte verloren.

Ich kam langsam wieder auf die Füße. Eine kalte Entschlossenheit zwang alle Schwäche aus mir heraus. Ich würde nicht verlieren. Ich konnte es mir nicht leisten. Ich würde meine Hilfe aus der Zukunft kriegen, egal, welchen Preis ich zu zahlen hatte, denn die Alternative war so viel schlimmer.

Ich wies Merlins Spiegel an, so weit in die möglichen zukünftigen Zeiten zu gehen wie nötig, um mir den einen Abkömmling zu zeigen, der am besten geeignet war, einen Krieg gegen die Eindringlinge zu führen. Ein Krieger, die Familie in die Schlacht zu führen. Ein Menschenführer, sie zu inspirieren. Ein Mann, der alles war … was ich nicht war.

Der Spiegel zeigte mir eine neue Szene, fremdartig genug, um mir den Atem zu rauben. Ein Schlachtfeld auf einem fernen Planeten. Drei Sonnen strahlten in einem grellpinkfarbenen Himmel und schienen auf eine weite Schneewüste herab, die von Hunderten von verletzten Körpern und vergossenem Blut bedeckt war. Riesige zerstörte Kriegsmaschinen lagen halb vergraben im Schnee, von so fremdem Design, dass ich nicht einmal raten konnte, wozu sie gebaut worden waren. Aber die Leichen im Schnee waren definitiv Männer und Frauen, auch wenn ihre seltsam jadegrüne Rüstung ungewohnt war. Die strotzte nur so von dicken, zerklüfteten Technikansammlungen, war von Juwelen durchsetzt, die wie radioaktive Augen leuchteten. Die Leichen trugen alle Anzeichen eines plötzlichen und brutalen Todes, einige waren tatsächlich zerrissen und verstümmelt. Der Krieg hier war gekommen und gegangen, und diese Leute hatten ihn verloren.