»O Gott«, sagte der Waffenmeister. »Ich kenne diesen Ausdruck auf deinem Gesicht. Du glaubst, du hast etwas richtig Schlaues angestellt. Was hast du getan, Eddie? Und warum weiß ich jetzt schon, dass ich es nicht gutheißen kann?«
»Vielleicht, weil du mich so gut kennst, Onkel Jack«, erwiderte ich. »Ihr habt alle gesagt, ich hätte nicht die nötige Erfahrung, um diese Familie in den bevorstehenden Krieg zu führen und ihr hattet recht. Aber da auch niemand sonst in der Familie diese Erfahrung hat, war ich gezwungen, weiter weg zu gehen, um Jemanden zu finden, der diese Erfahrung und dieses Fachwissen hat. Ich habe Merlins Spiegel gebeten, mir die zwei passendsten Familienmitglieder zu zeigen; einen aus der Vergangenheit, und einen aus der Zukunft. Und das hat der Spiegel getan.«
»Du hast das gemacht, ohne zuerst den Inneren Zirkel zu fragen?«, fragte Harry. »Wie kannst du das wagen!«
»Ich habe es nicht getan, weil ich wusste, dass ihr versuchen würdet, es mir auszureden«, sagte ich ruhig. »Und ich wollte mir das nicht ausreden lassen. Außerdem hat es funktioniert. William, lass Rafe doch unseren Besucher herbringen, damit jeder ihm Hallo sagen kann.«
»Ich hatte ihn hier neben mir stehen«, sagte William mürrisch. »Ich wusste, dass du das wahrscheinlich so haben wolltest.«
Der lebende Jacob trat neben ihn ins Sichtfeld und lächelte fröhlich auf die verblüfften Gesichter vor ihm. Er hatte ein Glas Wein in einer Hand und er musste etwas zu essen gefunden haben, weil er die Hälfte davon auf sein Wams gekleckert hatte. »Meine edlen Abkömmlinge - Gott zum Gruße! Ich bin Jacob Drood, Soldat, Philosoph und Lebemann!«
Der Waffenmeister und der Seneschall, die beide Jacob den Geist nur zu gut kannten, sahen beide gleich geschockt und entsetzt aus. Harry, Roger und Callan erkannten zumindest den Namen und sahen mich aufmerksam an. Der Seneschall war, nicht überraschend, der Erste, der seine Worte wiederfand.
»Bist du jetzt völlig und total übergeschnappt? Weiß er von …?«
»Nein, tut er nicht«, sagte ich schnell. »Und ich glaube wirklich nicht, dass du ihm das jetzt sagen solltest. Darauf sollte man schonend vorbereitet werden.«
»Mir was sagen?«, fragte Jacob sofort misstrauisch.
»Weiß der andere Jacob davon?«, fragte der Waffenmeister. »Wie nimmt er es auf?«
»Er weiß es«, sagte ich. »Und er nimmt es so gut auf, wie man erwarten konnte. Aber er ist einverstanden. Er sagt, es ist … notwendig.«
»Welcher andere Jacob?«, fragte der Lebende. »Edwin, verheimlicht Ihr mir etwas?«
»Oh, eine ganze Menge«, sagte ich. »Du weißt ja, wie das in der Familie so ist.«
Jacob schnaubte und leerte sein Weinglas.
Ich wich dem Blick des Waffenmeisters und des Seneschalls nicht aus. »Merlins Spiegel hat diesen Mann ausgewählt, als den besten und passendsten Kandidaten aus der Familienvergangenheit. Das sollte euch zu denken geben. Jacob, wir werden dich über alles aufklären, wenn es an der Zeit ist. Bitte, stell dich jetzt vor.«
»Ich war in vielen Kriegen an der Front«, sagte der lebende Jacob ein wenig großspurig. »Diese geheimen und unsichtbaren Kriege, die immer die Spezialität der Droods waren, um die Welt zu beschützen. Ich kann Euch helfen, mit praktischer und mit politischer Vernunft, welche in meinen Tagen mein Fachgebiet war. Die Grundlagen, einen Krieg zu führen, sind recht einfach: teile und herrsche, finde die schwachen Punkte heraus und schlage dort zu, und am Wichtigsten: Verwirre jeden anderen so, dass sie nicht wagen, etwas zu tun, weil sie glauben, es sei falsch.«
»Die Welt hat sich seit deiner Zeit etwas geändert«, sagte Callan.
»Danke Jacob«, sagte auch der Waffenmeister. »Ich bin sicher, dein Fachwissen wird sich als wertlos erweisen. Wenn du und William uns nun entschuldigen wollt, wir haben über private Dinge zu reden.«
William nickte und machte eine Geste, und Merlins Spiegel schrumpfte wieder auf normale Größe und steckte sich selbst in meine Jackentasche. Zum Glück diesmal ohne den verdammten Gong. Der Waffenmeister starrte mich böse an.
»Also, Eddie. Du siehst immer noch gefährlich selbstzufrieden aus. Lass die nächste Bombe platzen. Wen oder was hat der Spiegel in der Zukunft für dich gefunden?«
»Ah ja«, sagte ich. »Da wird es etwas kompliziert. Ich habe einen fantastischen zukünftigen Krieger gefunden, und einen entfernten Nachfahren von uns, der sich Giles Todesjäger nennt.«
»Todesjäger?«, fragte Harry. »Was ist denn das für ein Name?«
»Er passt zu ihm«, sagte ich. »Fakt ist, ich habe den Mann kämpfen sehen. Er ist der Tod auf zwei Beinen und ziemlich fies drauf. Genau, was wir brauchen. Er ist sogar bereit, uns zu helfen. Unglücklicherweise …«
»Ich wusste, es gibt einen Haken«, meinte der Waffenmeister.
»Unglücklicherweise ist er von uns durch die vielen möglichen Zeitlinien getrennt, sodass Merlins Spiegel ihn nicht so ohne Weiteres durchbringen konnte wie Jacob. Ich werde ihn holen müssen. Und das bedeutet, ich brauche den Zeitzug.«
Der Waffenmeister sank nicht gerade zu Boden und verbarg sein Gesicht in den Händen, er sah nur so aus, als würde er genau das gerne tun.
»Der Zeitzug? Hast du jetzt wirklich auch das letzte Restchen Verstand verloren, Eddie? Du kannst den Zeitzug nicht benutzen. Er ist viel zu gefährlich!«
»Bitte versuch es auf jeden Fall«, sagte Harry großzügig. »Wie auch immer es ausgeht, wir werden nur gewinnen können.«
»Arroganz ist nicht sehr schmeichelhaft, Harry«, sagte ich leichthin. »Ich weiß, was ich tue, Onkel Jack.«
Der Waffenmeister schnaubte laut. »Das wäre das erste Mal. Naja, wenn du schon gehen musst, dann sei bitte so nett, so viele zukünftige Waffen mitzubringen, wie du kriegen kannst.«
»Todesjäger«, meinte Roger Morgenstern. »Teufel auch, ein verdammt guter Name.«
Kapitel Elf
Über die Zeit
Als ich endlich so weit war, den Zeitzug zu benutzen, war mir der Innere Zirkel dicht auf den Fersen. Glücklicherweise konnte ich sie abhängen, indem ich richtig schnell lief und all meine Kenntnisse über Abkürzungen und Geheimgänge im Herrenhaus ausnutzte. Sie hätten es wirklich besser wissen müssen, als mir zu befehlen, unter keinen Umständen den Zeitzug zu benutzen. Ich hatte schon immer dieses Problem mit Autoritätspersonen, selbst jetzt, wo ich selbst eine war. Ich ließ ihre erhobenen Stimmen hinter mir und rannte schnell in den hinteren Teil des Herrenhauses, wo sich der alte Hangar befand. Dort bewahrte die Familie die ausrangierten technischen Mirakel auf, die wir heutzutage aus weiser Voraussicht lieber nicht mehr verwenden.
Durch meinen silbernen Torques hindurch stellte ich eine Verbindung mit Seltsam her.
»Hallo, du!«, sagte Seltsam. »Wusstest du, dass der Seneschall dich sucht? Und der Rest deines Inneren Zirkels?«
»Diese Tatsache ist mir nicht entgangen«, sagte ich. »Du musst mir eine Ablenkung verschaffen. Spielst du mit?«
»Ja, klar! Ich könnte etwas Spaß gebrauchen. Deine Familie ist wirklich ganz toll, Eddie, aber die meisten von ihnen sind wirklich sehr ernst.«
»Glaub mir, das wusste ich. Okay, ich brauche dich, um die Nachricht zu übertragen, dass jedes Familienmitglied seinen neuen Torques bekommt. Der Innere Zirkel und ich haben das gerade beschlossen. Bist du immer noch damit einverstanden?«
»Ja, sicher, je mehr, desto lustiger, sage ich immer.«
»Gut, dann verbreite die gute Nachricht mal und sag jedem, dass sie genau jetzt ins Sanktum kommen sollen.« Ich grinste. »Das sollte die Korridore prima blockieren und den Zirkel davon abhalten, sich in das einzumischen, was ich gerade vorhabe.«
»Oje«, sagte Seltsam. »Willst du wieder etwas Verzweifeltes und Gefährliches tun?«