Es waren bestimmt über hundert; alle schwer bewaffnet und sie kamen von allen Seiten auf einmal. Sie hatten keine Chance. Ihre Schwerter und Schlachtäxte glitten harmlos von meiner Rüstung ab und meine Klingen aus seltsamer Materie schnitten leicht durch jeden Schutz, den sie aufbieten konnten. Ich hackte mit unmenschlicher Geschwindigkeit und Stärke um mich herum. Blut spritzte durch die eisige Luft und dampfte in den Momenten, bevor es den Schnee traf. Männer fielen kreischend und sterbend überall um mich herum. Ich trat sie beiseite, um an meine nächsten Opfer zu kommen. Giles trat und wirbelte herum und schlitzte mit einer Geschwindigkeit, die fast an meine herankam. Seine lange Klinge blitzte in der Luft, während er Männer mit beinahe klinischer Präzision niedermähte. Keiner schaffte es, sich ihm zu nähern. Wir kämpften Rücken an Rücken, manchmal auch Seite an Seite und wir waren nicht zu stoppen. Die Toten stapelten sich um uns herum auf dem aufgewühlten Schnee, der sich vor Blut und Innereien bald dunkelrot färbte. Kreischen und erschrockene Schreie erfüllten die Luft; doch das waren ihre, nicht unsere.
Trotz ihrer Überzahl war es kein Kampf. Es war ein Abschlachten.
Eigentlich töte ich auf meinen Missionen nicht. In der Regel muss ich das nicht. Die Rüstung verleiht mir eigentlich alle Macht, die ich brauche. Ich habe mich selbst immer als Agent gesehen, nicht als Killer. Das letzte Mal, dass ich hatte kämpfen und töten müssen, war auf der Nazca-Ebene gewesen. Dort hatte ich nicht gezögert, weil die Drohnen der Abscheulichen nicht mehr menschlich gewesen waren. Sie zu töten war das Gleiche, als träte man auf Insekten. Das hier war anders. Giles und ich waren von einer kleinen Armee umgeben, die uns hatte töten wollen. Ivor hatten sie schon verletzt. Unter solchen Umständen übernimmt einfach das Familientraining. Ich tat, was ich tun musste. Ich stach Menschen nieder und rannte sie über den Haufen und die ganze Zeit tat ich mein Bestes, um nichts zu fühlen. Gar nichts. Ich musste vielleicht töten, aber ich hatte mich noch nie dazu bringen können, das auch zu mögen.
Giles dagegen mochte es. Er grinste die ganze Zeit fröhlich und lachte manchmal sogar laut, wenn ihm ein besonders erfolgreicher oder anmutiger Angriff gelungen war. Giles war ein Krieger und tat, wozu er geboren war. Das war es ja auch, weswegen ich hierher gekommen war.
Die Bewaffneten begannen schließlich, sich zu ihren Strahlenwaffen zurückzuziehen. Aber die gleißenden Blitze prallten harmlos an meiner Rüstung ab und schalteten mit Querschlägern ihre eigenen Leute aus. Keiner von ihnen konnte Giles treffen. Er tanzte und drehte sich im Zentrum der Angreifenden, schlug mit tödlicher Grazie zu, und manchmal fing er sich einen Strahl auf seinen Energieschild ein, den er auf dem Arm montiert hatte. Ich hatte noch nie einen Kämpfer wie ihn gesehen. Und zum Schluss - gaben die letzten Bewaffneten schließlich auf und rannten weg, statt sich uns zu stellen. Sie flohen in ein Dutzend verschiedenen Richtungen über die vereiste Ebene und wir ließen sie davonkommen. Giles senkte ruhig sein Schwert und ich ließ meine Klingen wieder in den silbernen Händen verschwinden. Wir standen nebeneinander und atmeten beide hart vor Anstrengung. Giles schüttelte schwere Blutstropfen von seiner Schwertspitze. Sein Brustharnisch war mit Blut bespritzt, aber es war nicht seins. Auf meiner Rüstung war keines zu sehen, aber das lag nur daran, dass es auf der seltsamen Materie nicht hielt. Giles nickte mich heiter an. Er war schon wieder zu Atem gekommen.
»Also, war das gut für dich? Lach mal, Edwin, der Feind ist tot und wir sind am Leben. Es gibt kein besseres Gefühl in der Welt. Du hast das Zeug zu einem Krieger, Edwin Drood. Ein wenig langsam und vorsichtig, aber effizient genug, um zu bestehen.«
»Wenn du mir dann zum Zeitzug folgen würdest«, sagte ich ein wenig außer Atem. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir hier abhauen.«
»Klingt gut«, sagte Giles. »Ich könnte eine Pause brauchen.«
Wir gingen hinüber zu Ivor, der immer noch von Mollys Schutzschild umgeben war. Die Gleiter flogen immer wieder über ihn hinweg, Energiestrahlen fuhren hinab und um die Lok herum. Keiner von ihnen schien hindurchzukommen. Aber der Schnee um die Lokomotive herum war jetzt verschwunden und war bis auf den Felsen darunter verdampft.
»Je früher wir hier rauskommen, desto besser«, sagte Giles beiläufig. »Der Kaiser wird Verstärkung hersenden, sobald er davon erfährt, dass ich noch am Leben bin. Er wird eine Armee schicken, wenn es das ist, was mich tötet.«
»Hattest du nicht gesagt, dass du dem Kaiser dienst?«
»Das habe ich. Aber ich bin im Moment bei Hof in Ungnade gefallen. Das ist kompliziert.«
»Irgendwie war mir klar, dass es das ist. Ist vielleicht eine Frau darin verwickelt?«
»Ja, woher weißt du das?«
Ich musste lächeln. »In sowas ist immer eine Frau verwickelt.«
Als wir dicht genug am Zeitzug waren, dass Molly uns sehen konnte, lenkte sie die Gleiter mit projizierten Illusionszaubern ab. Um uns herum erschienen ein Dutzend Ivors und jeder war scheinbar mit einem Schutzschild ausgestattet. Aber die Gleiter verfügten wohl über eine Art Sensoren, denn sie wurden nicht einen Augenblick irregeführt. Sie schossen weiter auf den Schutzschild ein, der den echten Ivor umgab. Auf einmal erschienen ungefähr ein Dutzend gelber Drachen über uns, die sich ganz furchtbar mit dem knatschrosa Himmel bissen. Sie stürzten sich auf die Gleiter, die reflexartig auf sie schossen. Energieblitze flammten über den Illusionen auf und schalteten tatsächlich ein paar der anderen Gleiter aus. Es gab ein paar Explosionen und zerstörte Luftschiffe fielen wie brennende Vögel aus dem Himmel.
Mittlerweile hatten Giles und ich den Zeitzug erreicht und Molly öffnete eine Tür im Schutzschild, gerade so kurz, dass wir hindurchschlüpfen konnten. Ich rüstete ab und hielt inne, bevor ich die Leiter zum Führerhaus hinaufkletterte. Der eine Energiestrahl, der durch den Schutzschild geschlagen war, hatte der Länge nach eine tiefe Furche in Ivors schwarze Stahlflanke gegraben und Massen von Dampf oder so etwas in der Art traten aus dieser offenen Wunde aus. Ich hastete die Leiter ins Führerhaus hoch, Giles dicht hinter mir. Tony eilte von einer Anzeige zur nächsten und studierte besorgt die Anzeigen, während Molly im Schneidersitz auf dem Boden saß und konzentriert am Schutzschild arbeitete.
»Ich grüße euch alle«, sagte Giles fröhlich. »Arbeitet mein Translator? Gut. Erlaubt mir, mich vorzustellen. Ich habe die Ehre, Giles VomAcht Todesjäger zu sein, Oberster Krieger des Kaisers Ethur, zu Euren Diensten.«
»Ganz toll«, sagte Molly ohne aufzusehen. »Und jetzt halt die Klappe, damit ich mich auf das Einzige konzentrieren kann, dass uns davor bewahrt, zu einem Haufen Schrott zerblasen zu werden.«
»Ah«, sagte Giles. »Du bist ESPlerin!«
»Nein, ich bin eine Hexe.«
»Oh, eine von denen …«
Bedenkt man die Art, wie er das sagte und nahm dann den Ausdruck auf Mollys Gesicht, war klar, dass diese Konversation nicht gut ausgehen würde und deshalb wandte ich mich an Tony.
»Wie schlimm ist der Schaden an der Maschine?«
»Schlimm, schlimm genug. Gott allein weiß, was der Strahl für einen Schaden an den Eindämmungen angerichtet hat.«
»Kannst du uns trotzdem wieder hier raus und nach Hause bringen?«
»Ich weiß es nicht! Falls wir es versuchen und die Felder sich ausbeulen, finden sie über die ganze Geschichte verteilt Einzelstücke von uns.«
»Kümmern wir uns nicht um das ›falls‹«, erwiderte ich. »Siehst du die Dinger dahinten am Horizont? Für mich sehen die ganz wie Verstärkung aus. Es sind ganz viele und ich denke wirklich nicht, dass wir noch hier sein sollten, wenn sie ankommen. Wir müssen weg, Tony, sofort.«