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Bis er endlich aufhörte, sich zu wehren und auf den Boden neben ihm schlug. Das alte Zeichen eines Duellanten, dass er aufgab. Ich ließ los und er atmete wieder. Ich blieb über ihn gebeugt, bereit, sofort wieder loszulegen, falls er nur so tat. Für eine Weile blieben wir so, er auf dem Boden, ich über ihm, wir beide schwer atmend. Ich hätte ihn getötet, wenn er nicht aufgegeben hätte, und er wusste das.

»Hast du so meinen Vater getötet?«, sagte er endlich.

»Das ist typisch für dich, Harry«, sagte ich. »Immer auf die Vergangenheit fixiert. Ein Führer sollte in die Zukunft sehen. Ich hätte dich töten können, aber das wollte ich nicht. Zunächst einmal, weil es wahrscheinlich mehr Probleme gemacht als gelöst hätte und zweitens, weil die Familie erfahrene Frontagenten wie dich braucht. Jetzt mehr denn je. Also vergiss diesen Patriarchen-Scheiß. Werd' wieder ein Teil meines Inneren Zirkels. Gib mir dein Wort, dass du mir folgst, meinen Befehlen gehorchst, um der Familie willen - und das alles ist vorbei.«

»Und wenn ich nein sage?«

»Du kennst die Antwort darauf. Alles oder nichts, Harry. Deal?«

»Deal«, sagte er still. Es klang bitter. »Um der Familie willen.«

Wir beide rüsteten ab. Ich gab ihm meine Hand und half ihm auf.

»Nein!«, sagte Roger plötzlich und trat vor. »Du musst ihm nicht nachgeben, Harry! Du musst keinen Mist von irgendwem annehmen, nicht, solange ich hier bin!«

Ohne Vorwarnung übernahm seine höllische Hälfte und wickelte sich um ihn wie ein weiter Mantel. Er schien in keiner Weise mehr menschlich zu sein. Schatten versammelten sich um ihn, eine lebendige Dunkelheit, die das karmesinrote Licht zu verschlingen schien. Ein starker Geruch von Blut und Schwefel lag in der Luft und der Schwall einer fast unerträglichen Hitze ließ uns alle zurückfahren, selbst Harry. Roger lächelte und sein Mund war voller spitzer Zähne. Seine Augen waren schwarze Löcher in seinem Gesicht. Seine Präsenz im Sanktum war … schwer, wie ein unerträgliches Gewicht, das die Welt niederdrückte. Er sah aus wie das, was er wirklich war: Etwas aus der Hölle. Selbst Harry konnte ihn nicht direkt ansehen. Roger lachte leise; ein böses, hasserfülltes Geräusch, dass nichts von menschlichem Humor enthielt und uns alle zusammenzucken ließ. Roger erhob sich in die Luft und negierte damit die Naturgesetze, als wären sie nicht vorhanden. Er hing in der Luft, mit spöttisch ausgestreckten Armen, als sei er an ein unsichtbares Kreuz genagelt.

»Jesus ist gar nichts gegen mich«, sagte er in einer Stimme, die klang wie ein grunzendes Tier. »Du glaubst, dass du jemand bist, Eddie Drood, aber ich werde dir zeigen, was wahre Macht ist.«

Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, schwebte Molly ihm entgegen. Sie hielt sich mühelos in der Luft vor ihm, ihr Gesicht kalt und entschlossen, als sie sich zwischen mich und die Höllenbrut schob. Ich wollte sie zurückhalten, aber ich hatte keine Stimme. Unnatürliche Energien, die man genauso gut fühlen wie sehen konnte, begannen um die beiden zu tanzen. Sie zündelten und knisterten wie Wassertropfen auf einer heißen Herdplatte. Etwas sammelte sich zwischen ihnen, etwas Schreckliches. Schon ihnen so nahe zu sein, fühlte sich an, als schnitten rasiermesserscharfe Klingen in meine Seele. Sterbliche sollten so etwas nicht sehen, so etwas nicht fühlen. Verbotene Magien und unmenschliche Praktiken …

Roger winkte mit der Hand und ein Loch entstand im Boden des Sanktums. Die hölzernen Bohlen schienen ohne Anlass zu verrotten und das Loch wuchs beständig, wie ein Krebs im Körper der Welt. Gespickte Messingtentakel, schon jetzt glitschig von menschlichem Blut, schossen daraus hervor, schnappten sich Molly und fesselten ihr die Arme an den Körper. Sie schrie auf, als verdürbe die Berührung der Dinger sie und wehrte sich heftig. Blut flog durch die Luft, als die Metalldornen sich in ihr Fleisch bohrten. Und dann verschwanden die Tentakel wieder im Boden und nahmen sie mit, und das Loch verschwand. Der Boden war wieder massiv, unberührt, als wäre nichts passiert. Roger drehte sich langsam um, er hing immer noch frei in der Luft und lächelte mich mit seinem furchtbaren Lächeln an.

»Ich komme aus der Hölle«, sagte er. »Und das trage ich überall mit mir herum. Also bin ich nie fern von zu Hause. Ich habe deine kleine Freundin gerade in die Hölle geschickt, Eddie Drood. Sie auf ewig verdammt zu ewigem Leiden in den Flammenseen und zu den Foltern der Schwefelklüfte, weil ich mich gerade danach fühlte. Wie denkst du darüber, Eddie Drood?«

»Nachdem ich dich getötet habe, werde ich in die Hölle hinabsteigen und sie zurückholen«, sagte ich. »Was auch immer dazu nötig ist, was auch immer das kostet. Aber zuerst werde ich dich mit diesen goldenen Händen zerschmettern und dich schreien lassen, und dann, nach all den schrecklichen Dingen, die ich dir angetan habe, wird es für dich eine Erleichterung sein, wieder zur Hölle zu fahren!«

»Wow«, sagte Molly. »Das ist echt stark, Eddie.«

Wir alle sahen uns verwirrt um und da stand sie, unberührt und unverletzt, genau da, wo das Loch gewesen war. Ich rannte hinüber und nahm sie in die Arme. Wir hielten uns gegenseitig fest und nichts anderes spielte mehr eine Rolle.

»Ich dachte wirklich, ich hätte dich verloren«, sagte ich.

»Glaubst du echt, ich würde irgendwo hingehen und dich einfach hierlassen?«, fragte sie.

Als wir uns endlich voneinander trennten und uns umsahen, starrte Roger uns fassungslos an. Und auf einmal sah seine höllische Präsenz nicht mehr halb so furchteinflößend aus.

»Du kannst nicht hier sein!«, sagte er. »Das geht nicht! Ich habe dich zur Hölle geschickt!«

»Da war ich schon«, sagte Molly.

Sie schnippte trocken mit den Fingern und ein Loch öffnete sich in der Decke über uns. Ein himmlisches Licht brach hindurch wie ein heiliger Scheinwerfer und richtete sich auf Roger. Es spießte ihn auf wie ein Insekt auf die Nadel eines Sammlers. Er schrie grausam auf und warf sich hilflos und in Agonie im Griff des himmlischen Lichtes umher, und wir alle mussten uns abwenden. Das Licht war einfach zu strahlend, zu rein, als dass menschliche Augen hätten hineinsehen können. Sogar im selben Zimmer zu sein, tat weh, als würde es alles wegbrennen wollen, was fehlerhaft war. Molly schnippte wieder mit den Fingern und das Licht verschwand ebenso schnell wieder wie das Loch in der Decke. Roger fiel auf den Boden und lag still. Er atmete schwer. Er sah wieder aus wie ein Mensch. Harry rannte nach vorn, kniete neben Roger und zog ihn in seine Arme. Er wiegte ihn hin und her wie ein verletztes Kind und murmelte beruhigende Worte. Rogers Gesicht war starr vor Panik und Leid und einem unbeschreiblichen Schrecken. Ich sah Molly an.

Sie zuckte mit den Achseln. »Ich bin halt ein bisschen rumgekommen. Du wärst überrascht, wer mir alles einen Gefallen schuldet. Wirklich.«

»Wir reden später darüber«, sagte ich. »Sind alle anderen in Ordnung?«

Ich sah mich um. Sebastian und Freddie hatten sich in einer entfernten Ecke zusammengekauert und hatten anscheinend versucht, sich gegenseitig in die Taschen zu kriechen. Der Seneschall sah blass und erschüttert aus, aber nicht einmal der Anblick von Himmel und Hölle hatte ihn aus der Fassung gebracht. Jacob der Geist war verschwunden. Und Giles Todesjäger grinste breit, als ob er gerade eine richtig gute Show gesehen hätte. Während ich noch darüber nachdachte, flogen die Türen des Sanktums wieder auf, und eine ganze Bande von Droods kam hereingelaufen, angeführt von den Schlägern, die die Tür bewacht hatten. Sie hatten scheinbar Aufwind bekommen und ermutigt von ihrer Verstärkung schienen sie entschlossen, uns allen eine Lektion zu erteilen. Unglücklicherweise machten sie den taktischen Fehler, unbewaffnet hereinzuplatzen. Giles schoss sofort nach vorn und war schon in dem Moment bei ihnen, als sie hereinkamen, und das war für jemanden ohne Drood-Rüstung unfassbar schnell. Er zog gar nicht erst sein Schwert, warf sich einfach nur in die Neuankömmlinge, stoppte sie, wo sie waren und schlug sie alle mit eleganter, beinahe klinischer Präzision nieder. Er schlug mit überraschendem Können um sich und jeder Schlag saß und ließ einen Mann zu Boden gehen. In wenigen Augenblicken war er der Einzige, der noch stand, und war umgeben von stöhnenden und bewusstlosen Leuten. Er atmete nicht einmal schwer.