»Du könntest mich immer Jack nennen.«
»Nein, könnte ich nicht«, sagte Penny entschieden. »Das warst du früher, aber das bist du nicht. Ich denke nicht, dass dir bewusst ist, wie sehr du dich in der Zeit hier verändert hast. Du hast Studenten und Anhänger. Deine Vorlesungen sind immer voll, du hast einen Platz hier, bei uns. Bei mir. Du hast mir Seiten deines Ichs gezeigt, die du noch nie jemandem gezeigt hast. Du hast mich näher an dich herangelassen, als irgendjemanden sonst.«
»Ja«, sagte Mr. Stich. »Das habe ich.«
Er ging zu ihr hinüber und setzte sich neben sie auf das Bett. Sein Rücken war gerade und ein wenig steif, und er hielt seine Hände zusammengelegt im Schoß. Penny zwang einen ihrer Arme durch seinen, kuschelte sich an ihn und legte ihren Blondkopf auf seine Schulter. Er saß sehr still.
»Du bedeutest mir wirklich etwas«, meinte er. »Auf meine Art.«
»Das ist in Ordnung«, meinte Penny. »Es ist in Ordnung, dass einem jemand etwas bedeutet; es ist in Ordnung, dass man liebt.«
»Ja«, sagte Mr. Stich. »Ich kann lieben. Ich habe geliebt. Aber es endet immer böse.«
Penny hob den Kopf und sah ihn gespielt böse an. »Du bist die negativste Person, die ich kenne! Es muss gar nicht immer schlimm enden. Wir sind die Droods und wir existieren nur, um sicherzustellen, dass die Dinge eben nicht schlimm enden! Das ist unser Job.«
»Mein Job ist ganz anders«, sagte Mr. Stich. »Ich habe … so schreckliche Dinge getan, Penny.«
»Jeder kann sich ändern«, widersprach Penny. »Jeder kann erlöst werden. Daran habe ich immer geglaubt. Der Mr. Stich, den ich kennen- und liebengelernt habe … ist ganz anders als die Geschichten, die ich gehört habe. Ich liebe dich und du kannst mich auch lieben.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach, Penny.«
»Es ist so einfach! Und ein Teil des Verliebtseins ist das Zusammensein. So wie jetzt. Wie lang ist es her, dass du dir gestattet hast, einer Frau so … nahe zu sein?«
»Eine lange Zeit. Ich will dich nicht verletzen, Penny.«
»Das wirst du nicht! Das ist Liebe, zwei Leute, die zusammen sind. Nur … lass dich gehen. Tu, was du willst. Ich will dich. Das ist in Ordnung, wirklich.«
»Ich liebe dich, Penny«, sagte Mr. Stich. »Lass mich dir zeigen, wie sehr ich dich liebe.«
Penny lächelte und drehte sich um, um ihn in die Arme zu nehmen und versteifte sich dann. Sie sah herab auf die lange Klinge, die Mr. Stich ihr in den Bauch gestoßen hatte. Es blutete noch kaum. Er drehte die Klinge um und zog sie weiter, schnitt tiefer und sie schrie auf und griff mit beiden Händen seine Schultern. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war purer Unglaube. Sie versuchte, ihn wegzustoßen, aber sie hatte nicht genug Kraft, also hing sie nur an seiner Schulter, als er die lange Klinge aus ihr herauszog und erneut zustieß. Blut sprudelte aus der ersten Wunde und durchtränkte den Pulli und spritzte auf die Vorderseite von Mr. Stichs Jackett. Sein Gesicht war … auf ruhige Art und Weise traurig. Penny verkrampfte sich und schrie wieder auf. Blut sprühte aus ihrem Mund und verteilte sich über Mr. Stichs Gesicht.
Ich hatte Merlins Spiegel in dem Moment anwachsen lassen, in dem ich das Messer gesehen hatte und war bereits während seiner zweiten Attacke hindurch und auf dem Weg zu Mr. Stich, aber ich wusste, dass es zu spät war. Mr. Stich ließ Penny los und wich zurück, als ich auf das Bett zustürzte. Ich ließ ihn gehen, ich wollte nur Penny helfen. Ich schrie bereits in Gedanken nach Seltsams Hilfe, und er sagte mir auch, dass sie auf dem Weg sei, aber ich wusste, es war umsonst. Ich beugte mich über Penny und versuchte, die Wunden mit den Händen zu schließen. Blut durchtränkte meinen Ärmel bis zum Ellbogen. Sie sah mich zuckend und schaudernd an und versuchte, etwas zu sagen, aber das Einzige, was aus ihrem Mund kam, war noch mehr Blut. Das Bett triefte jetzt schon. Sie starb in meinen Armen, immer noch etwas stammelnd. Ich ließ sie los. Dann stand ich auf und ging ein wenig vom Bett weg. Ich war über und über mit Blut besudelt. Ich sah Mr. Stich an, der immer noch still neben der Tür stand. Er hätte weglaufen können, hätte fliehen können, aber er hatte es nicht getan.
»Ich habe versucht, es ihr zu sagen«, sagte er. »Versucht, sie zu warnen. Das … ist das einzige Vergnügen, dass ich mit einer Frau haben kann, jetzt. Ein Teil von dem, was ich mit meiner Unsterblichkeit erkauft habe … damals, als ich mein Schlachtfest gefeiert habe und ganz London meinen Namen kannte. Das … ist die einzige Liebe, die ich zeigen kann. Alles, was mir geblieben ist. Ich habe so sehr versucht … ihr fernzubleiben. Aber ich bin … was ich bin.«
»Ich hab's dir gesagt«, meinte ich und ich konnte die kalte, die eiskalte Wut in meiner Stimme hören. »Ich habe dir gesagt, was passiert, wenn du dich nicht beherrschst.«
Ich rüstete hoch, ließ eine lange Klinge aus meiner Hand wachsen und schlug ihm mit einem einzigen wilden Streich den Kopf von den Schultern. Er bewegte sich nicht und versuchte nicht einmal, dem Schlag auszuweichen. Meine goldene Klinge fuhr direkt durch seinen Hals. Der Kopf fiel von den Schultern und rollte davon, die Augen blinzelten noch und auch die Lippen schienen noch Worte zu formen. Ich stand vor dem kopflosen Körper, atmete schwer vor Wut und Trauer, die immer noch in mir brannten, und registrierte nur langsam, dass der Rumpf nicht gefallen war. Er stand einfach so da, neben der Tür. Kein Blut sprudelte aus dem Halsstumpf. Und noch während ich dorthin starrte, schritt der Rumpf langsam nach vorn und streckte die Hände aus. Ich wich schnell zurück, aber er war nicht an mir interessiert. Eine Hand langte nach unten und griff den abgetrennten Kopf am Haar. Ich gab irgendeinen Laut von mir, ich habe keine Ahnung was. Der Körper hob den Kopf auf, und setzte ihn wieder auf den Stumpf. Die Wunde heilte in einem Augenblick und hinterließ keine Spur.
Mr. Stich sah mich ausdruckslos an. »Glaubst du, das hätte vor dir noch niemand versucht? Ich wurde schon geköpft, erschossen, vergiftet, durchs Herz hindurch erstochen - ich kann nicht sterben. Das ist es, was ich mit dem Tod der fünf Huren damals 1888 in London erkauft habe. Unsterblichkeit, ob ich sie nun will oder nicht. Ich bin Jack, der Blutige Jack, Jack the Ripper, jetzt und für immer. Und die einzige Liebe, die ich kenne, die einzige Freude, die ich jemals von einer Frau empfangen kann, ist die durch das Messer. Schick mich in die Schlacht, Eddie. Vielleicht finden die Abscheulichen einen Weg, mich zu töten.«
Die Tür sprang auf, als die Sanitäter hereinstürzten - zu spät. Mr. Stich ging fort, als sie sich um die Leiche scharten, und sah nicht einmal zurück.
Es gab nichts, was ich tun konnte, also transportierte ich mich zurück in die Waffenmeisterei. Es war ja nicht so, als hätte ich woanders hingehen können. Molly schrie auf, als sie mich so blutüberströmt sah und eilte auf mich zu. Sie ließ die Hände über mich wandern, um zu sehen, wo ich verletzt war. Onkel Jack begann, nach den Sanitätern der Waffenmeisterei zu rufen, bis Molly ihm klarmachte, dass ich in Ordnung war. Ich konnte nicht sprechen, ich konnte nichts sagen. Ich hielt Molly eng an mich gedrückt und sie gestattete das, auch wenn das Blut jetzt auch sie bedeckte. Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Haar, in ihrer Schulter und sie murmelte sanfte, beruhigende Worte in mein Ohr. Bis ich endlich in der Lage war, sie loszulassen und einen Schritt zurückzugehen.
Molly nahm mich an der Hand und führte mich wie ein Kind zum nächstbesten Stuhl. Ich ließ mich fallen und fühlte mich erschöpft und ausgelaugt. Und endlich, mit einer Stimme, die überhaupt nicht wie meine klang, war ich in der Lage, ihnen zu erzählen, was gerade passiert war. Onkel Jack versorgte mich mit etwas medizinischem Brandy und tätschelte verlegen meine Schulter, während ich trank. Dann trat er beiseite, um den Seneschall zu rufen, um die Details zu erfahren. Molly saß neben mir und hielt meine Hand.
Nach einer Weile kam Onkel Jack mit zwei Labormänteln zurück, die Molly und ich anziehen konnten, damit wir aus den blutigen Klamotten kamen. Molly half mir, mich auszuziehen, denn meine Hände zitterten immer noch. Wir ließen unsere Kleider in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden liegen. Die Laborkittel waren frisch und sauber und rochen nach Desinfektionsmittel.