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»Wie du das verstehen sollst!« schrie der Vater ärgerlich. »Fürst Wassilij will dich zur Schwiegertochter haben und hat für seinen Zögling um deine Hand angehalten. So sollst du das verstehen. Und da fragst du noch: ›Wie soll ich das verstehen?!‹ Ich bin’s, der dich jetzt fragt.«

»Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, mon père«, stammelte die Prinzessin flüsternd.

»Ich? Ich? Was habe ich damit zu tun? Mich lasse man gefälligst beiseite! Ich heirate doch nicht. Aber Sie – es wäre wünschenswert, das zu erfahren.«

Die Prinzessin merkte, daß ihr Vater der Sache nicht wohlwollend gegenüberstand, gleichzeitig kam ihr aber auch der Gedanke, daß sich jetzt oder nie ihr Schicksal entscheiden werde. Sie senkte die Augen, um seinen Blicken nicht zu begegnen, unter deren Einfluß ihr jedes Nachdenken unmöglich war und sie eben nur gewohnheitsgemäß gehorchen konnte, und sagte dann: »Ich habe nur das eine Verlangen: Ihren Willen zu erfüllen. Wenn es aber nötig ist, meine eigenen Wünsche zu äußern …«

Sie sprach nicht zu Ende. Der Fürst unterbrach sie.

»Das ist ja ausgezeichnet«, rief er. »Er nimmt dich samt der Mitgift und erwischt bei der Gelegenheit gleich noch die Bourienne dazu. Die wird dann seine Frau und du …«

Der Fürst hielt inne. Er sah wohl den Eindruck, den diese Worte auf seine Tochter machten. Sie ließ den Kopf hängen und fing beinahe an zu weinen.

»Na, na, ich mache ja nur Spaß«, sagte er. »Denke nur an das eine, Prinzessin: ich halte an dem Grundsatz fest, daß ein Mädchen das volle Recht besitzt, selbst seine Wahl zu treffen. Ich gebe dir volle Freiheit. Aber vergiß nicht: Von deiner Entscheidung hängt das Glück deines Lebens ab. Von mir ist dabei gar nicht die Rede.«

»Aber ich weiß nicht … mon père …«

»Da ist nichts weiter zu sagen. Er heiratet auf Befehl, entweder dich oder jede beliebige andere; du aber hast freie Wahl … Gehe auf dein Zimmer, denke darüber nach, komme in einer Stunde wieder zu mir und erkläre dann in seiner Gegenwart: Ja oder nein. Ich weiß, du wirst beten. Na, meinetwegen, bete. Aber es wäre besser, gründlich darüber nachzudenken. Nun geh! Ja oder nein, ja oder nein, ja oder nein!« rief er ihr noch nach, während sie wie umnebelt schon taumelnden Schrittes das Zimmer verlassen hatte.

Ihr Schicksal hatte sich entschieden, hatte sich glücklich entschieden. Aber die Anspielung, die ihr Vater auf Mademoiselle Bourienne gemacht hatte, war entsetzlich. Wenn man auch annehmen konnte, daß es nicht wahr war, entsetzlich blieb es doch, und sie mußte immer wieder daran denken. Ohne etwas zu hören und zu sehen, ging sie, den Blick vor sich hin gerichtet, geradewegs durch den Wintergarten, als plötzlich das bekannte Flüstern Mademoiselle Bouriennes sie aus ihren Träumen weckte. Sie hob die Augen auf und sah zwei Schritte von sich entfernt Anatol stehen, der die Französin in den Armen hielt und ihr etwas zuflüsterte. Mit einem wütenden Ausdruck auf seinem schönen Gesicht blickte sich Anatol nach der Prinzessin um und ließ im ersten Augenblick Mademoiselle Bourienne nicht einmal los, die die Prinzessin noch gar nicht gesehen hatte.

Wer ist da? Was wollen Sie? Hüten Sie sich! schien Anatols Gesicht zu sagen. Prinzessin Marja sah beide schweigend an. Sie konnte das nicht begreifen. Endlich kreischte Mademoiselle Bourienne auf und lief davon. Anatol verbeugte sich mit einem verschmitzten Lächeln vor Prinzessin Marja, als fordere er sie auf, über diesen sonderbaren Zufall mitzulachen, zuckte dann mit den Achseln und wandte sich der Tür zu, die nach seinen Gemächern führte.

Eine Stunde später erschien Tichon, um Prinzessin Marja zu ihrem Vater zu rufen. Er fügte hinzu, daß Fürst Wassilij Sergejewitsch bereits dort sei. Als Tichon ins Zimmer trat, saß Prinzessin Marja gerade auf dem Sofa und hielt die weinende Mademoiselle Bourienne in ihren Armen. Sanft strich sie ihr über den Kopf. Die schönen Augen der Prinzessin leuchteten ganz wie früher in ruhigem Glanz und blickten mitleidsvoll und mit zärtlicher Liebe in das hübsche Gesichtchen der Bourienne.

»Non, princesse, je suis perdue pour toujours dans votre cœur«, schluchzte Mademoiselle Bourienne.

»Pourquoi? Je vous aime plus que jamais«, erwiderte Prinzessin Marja, »und ich werde alles, was in meiner Macht steht, versuchen, um Ihnen zu Ihrem Glück zu verhelfen.«

»Mais vous me méprisez, vous si pure. Sie werden niemals eine solche Verirrung der Leidenschaft verstehen können. Ah, ce n’est que ma pauvre mère …«

»Je comprends tout«, entgegnete Prinzessin Marja und lächelte schwermütig. »Beruhigen Sie sich, meine Liebe. Ich gehe jetzt zu meinem Vater«, fügte sie hinzu und ging hinaus.

Als Prinzessin Marja ins Zimmer ihres Vaters eintrat, saß Fürst Wassilij, die Beine hoch übereinander geschlagen, mit der Tabaksdose in der Hand und einem gerührten Lächeln auf den Lippen da und machte ein Gesicht, als könne er kaum seiner Gefühle Herr werden, bedaure aber und verspotte sich gleichzeitig wegen dieser Rührseligkeit. Hastig nahm er schnell noch eine Prise.

»Ah, ma bonne, ma bonne«, sagte er, sprang auf und ergriff ihre beiden Hände. Dann fügte er seufzend hinzu: »Das Schicksal meines Sohnes liegt in Ihren Händen. Entscheiden Sie, ma bonne, ma chère, ma douce Marie, die ich immer wie eine eigne Tochter geliebt habe.«

Er trat zurück. Eine wirkliche Träne schimmerte in seinen Augen.

»Frr … frr …« fauchte Fürst Nikolaj Andrejewitsch. »Im Namen seines Zöglings … seines Sohnes hat der Fürst um deine Hand angehalten. Willst du die Frau des Fürsten Anatol Kuragin werden? Antworte mit Ja oder Nein!« schrie der Fürst seine Tochter an. »Und dann werde ich mir noch das Recht vorbehalten, auch meine Meinung zu sagen. Ja, meine Meinung, nur meine eigne Meinung«, fügte Fürst Nikolaj Andrejewitsch, zum Fürsten Wassilij gewandt, hinzu, als Antwort auf dessen bittende Miene. »Ja oder nein?«

»Es ist mein Wunsch, mon père, Sie niemals zu verlassen und mein Leben niemals von dem Ihrigen zu trennen. Ich möchte mich nicht verheiraten«, sagte sie in entschiedenem Ton und sah Fürst Wassilij und ihren Vater mit ihren schönen Augen an.

»Unsinn, dummes Zeug! Unsinn, Unsinn, Unsinn!« schrie Fürst Nikolaj Andrejewitsch und zog die Brauen finster zusammen. Dann nahm er seine Tochter bei der Hand, zog sie zu sich heran, küßte sie aber nicht, sondern berührte nur mit seiner Stirn die ihrige und drückte ihr so fest die Hand, die er in der seinen behielt, daß sie die Stirn runzelte und aufschrie.

Fürst Wassilij erhob sich.

»Ma chère, ich sage Ihnen: Dies ist ein Augenblick, den ich niemals vergessen werde, niemals. Mais, ma bonne, wollen Sie uns nicht einen kleinen Hoffnungsschimmer lassen, daß wir doch noch einmal dieses so gute, so edelmütige Herz rühren werden? Dites que peut-être … L’avenir est si grand. Dites: peut-être.«

»Fürst, was ich Ihnen soeben gesagt habe, ist alles, was mein Herz fühlt. Ich danke Ihnen für die Ehre, aber ich werde niemals die Frau Ihres Sohnes werden.«

»Nun, die Sache ist also erledigt, mein Lieber. Habe mich sehr gefreut, dich zu sehen, sehr gefreut, dich zu sehen. Geh auf dein Zimmer, Prinzessin«, sagte der alte Fürst. »Sehr, sehr gefreut habe ich mich, dich zu sehen«, wiederholte er und umarmte den Fürsten Wassilij.

Meine Bestimmung ist eine andere, dachte Prinzessin Marja bei sich. Meine Bestimmung ist, mich an dem Glück anderer zu freuen in Nächstenliebe und Selbstaufopferung. Und was es mich auch kosten sollte, ich werde das Glück der armen Amélie begründen. Sie liebt ihn so leidenschaftlich. Und ihre Reue ist so tief. Ich werde alles tun, um ihre Ehe mit ihm zustande zu bringen. Wenn er nicht reich ist, werde ich ihr die Mittel geben, ich werde den Vater bitten, werde Andrej bitten. Das wäre ein so großes Glück für mich, wenn sie seine Frau würde. Sie ist so unglücklich, so heimatlos, so einsam, so hilflos! Großer Gott, wie leidenschaftlich muß sie ihn lieben, wenn sie sich so vergessen kann! Vielleicht hätte ich es ebenso gemacht, dachte Prinzessin Marja.