„Nun die erste Probe: Wenn du alles zu tun vermagst, wie du dich gebrüstet hast, dann geh noch diese Nacht in meine unterirdische Schatzkammer. Damit du mir aber bezeugen kannst, bis in ihr Herz vorgedrungen zu sein, will ich dir sagen, daß sie vier Stockwerke hat. Ihrer letztes ist weiß wie Schnee und ganz leer; darin steht nur ein brillantenes Ei, es ist hohl und beherbergt eine metallene Kugel. Morgen, genau zu Mittag, sollst du ins Schloß kommen und mir diese vorweisen. Für jetzt magst du fortgehen.“Da verneigte sich Kreazius und ging. Aber der grausame Biskilar hatte ihm einen Hinterhalt bereitet: denn selbst wenn der Konstrukteur glücklich in die Schatzkammer dringen konnte, war es doch wohl unmöglich, heilen Leibes die Metallkugel herauszutragen. Die war nämlich aus purem Radium gedreht. Mit furchtbarer Strahlung sengte sie die Mauern, und tausend Schritt im Umkreis trübte sie jeden Verstand.
Als die Nacht herabsank, trat Kreazius aus seinem Turmgelaß und ging zum Schloß. Abseits der Postenkette, die von Zinne zu Zinne Parolen weitergab, griff er in die Brustfalte seines Gewandes, zog ein kleines Döschen hervor, setzte auf die flache Hand drei milchige Funken und blies darauf. Sie blähten sich zu perlheller Weiße auf, sie hüllten die gewappneten Wächter in Wolken, und solcher Nebel kam auf, daß niemand einen Schritt weit sehen konnte. Da ging Kreazius zwischen den Schildwachen durch und die Treppen hinab. In einem Saal endlich, dessen Decke aus Chalzedon war, die Wände von Chrysoberyll, die Bodenfläche aber aus Smaragden, so daß sie wie ein blauer See inmitten edler Felsen aussah, erblickte Kreazius die Schatzkammertür und davor eine schwarze gliederfüßige Maschine. Über ihrem Rücken aber wölbte sich die Luft, wie eine erhitzte Glasplatte.“Sag mir, welches der Ort ist“, — sprach die Maschine — „der weder Wände noch Mauern noch Gitter hat und den nie jemand verlassen hat und nie jemand verlassen wird?“
„Der Kosmos ist dieser Ort“ — erwiderte der Konstrukteur. Da wankte die Maschine auf ihren acht Beinen und fiel mit solchem Getöse auf die Smaragdplatte hin, als kollerten die Gewichte vieler Uhren über die Kristallfläche, plötzlich von den Ketten abgeschnitten. Er schritt über die Maschine hinweg, packte einen purpurnen Funken aus und trat dicht vor die Schatzkammertür, die aus einem einzigen Titanblock gemacht war. Hier ließ Kreazius das Fünkchen los. In leuchtendem Bogen schlüpfte es ins Schlüsselloch. Bald tauchte daraus ein weißer Sproß hervor. Ihn faßte Kreazius zart, rückte daran und zog aus dem Loch ein Büschel zitternder Halme oder Saiten, das sich aus dem Fünkchen entwickelt hatte. Dies besah er und las die darin gespeicherte Botschaft ab.“Dem Biskalar muß da ein trefflicher Handwerker gedient haben“ — dachte er. „Daß er die Schatzkammer gar mit einem Atomschloß auszurüsten wußte!“
Denn in der Tat führte zur Schatzkammer kein anderer Schlüssel, als einer aus einem Atomwölkchen. Dieser Gasschlüssel mußte in die Offnung geblasen werden, so zwar, daß Atome der seltensten Elemente — als da sind: Hafnium, Technetium, Niobium und Zirkonium — in ganz bestimmter Reihenfolge die Zuhaltungen drehten, damit die riesigen Riegel in ihren Lagern zurückweichen konnten, geschoben von elektrischem Strom. So ging denn der Konstrukteur im Finstern aus dem Vorhaus der Schatzkammer fort und verließ die Stadt. Im Bergland des Planeten begann er bei Sternenlicht die zum Werk benötigten Atome zu sammeln.“Da habe ich sechzig Millionen aus Niobium“ — sagte er sich eine Stunde vor Tagesgrauen. „Und hier — aus Zirkonium eine Milliarde und sieben Stück. Da sind auch hundertsechzehn aus Hafnium. Aber wo nehme ich Technetium her? Davon gibt es auf diesem Planeten nicht ein Atom?“
Er blickte zum Himmel auf, das erste Morgenrot entfachte sich schon und kündigte den Sonnenaufgang an, und auf einmal lächelte der Konstrukteur, denn er begriff: jene Atome gab es auf der Sonne. Der schlaue Biskalar hatte den Schlüssel zu seiner Schatzkammer im Sonnenstern verborgen! Kreazius entnahm dem Döschen, das ihn stets begleitete, ein unsichtbares Fünkchen (das war aus härtester Strahlung gemacht), und er entließ es aus der offenen Hand, der weiß emporsteigenden Sonne entgegen. Zischend verschwand es. Keine fünfzehn Minuten vergingen, und im Himmel erzitterte die Luft. Denn die Technetium-Atome, aus der Sonne gebracht, hatten noch Sonnenhitze in sich. Der Konstrukteur fing sie alle ein, wie sumsige Insekten, schloß sie zu den übrigen ins Döschen und ging zum Königsschloß, denn die Zeit rückte schon heran.Der Nebel lag noch immer da, demnach sahen die Wachen nicht, daß Kreazius in den Tiefbau lief und den Gasschlüssel ins Türschloß hineinblies. Kreazius neigte sich hin und hörte die einzelnen Zuhaltungen schnappen, doch die Tür regte sich gar nicht.
„Du hast dich doch nicht etwa geirrt, mein Fünkchen? Das kann mich den Kopf kosten!“ — sprach er und schlug zornig mit der Faust auf die Tür. Und das letzte aus der Sonne geholte Technetiumatom, das noch nicht ganz erkaltet war und deshalb den Weg verfehlt hatte, drehte nun die störrische Zuhaltung; und die Schatzkammertür, ebenso dick wie breit, öffnete sich leise.Kreazius lief ins Innere und durch ein Gemach, das von Smaragden grün wie der salzige Ozean war, und durch ein zweites, von Saphiren gleichsam himmelentrücktes, und durch ein drittes, brillantenes, das Regenbogenfarben wie Stacheln in die Augen stach, und hielt zuletzt in dem Saal, der so weiß war wie Schnee, und erblickte das diamantene Ei; doch die Wucht der Strahlung trübte das Denken sogleich, deshalb kniete Kreazius auf der Schwelle nieder und duckte sich. Nun erst erahnte er des Königs Hinterlist.
Kreazius schüttete blindlings Funken aus dem Döschen. Die waren grau und schwarz, wie die Nacht. Und sie entfalteten sich zu einer flaumigen Mauer und umgaben ihn, und so ging er zu dem brillantenen Ei. Und er kehrte zurück, wie von zottigem Gewölk umgeben, und trug die Radiumkugel. Er schloß die Tür der Schatzkammer und ging ins Königsschloß, denn die große Stadtuhr begann eben zwölf zu schlagen, und Biskalar lachte sich ins Fäustchen, weil er sich ausmalte, wie er nun den Konstrukteur, den Spötter, an Magneten umherschleifen werde.Da ertönte klingender Schritt, und Helle schoß empor, denn Kreazius trat in den Saal und warf die Radiumkugel auf die Fliesen, so daß sie bis an den Fußschemel des Königsthrons rollte. Auf ihrem Weg aber erstarb der Glanz der Kleinodien, und die Wände erblindeten unter der schweigenden Strahlung. Der König erbebte, sprang beidbeinig auf und versteckte sich hinter dem Thronsitz. Auf allen vieren, unter Bleischilden gedeckt, mußten sich die vierzig stärksten Elektritter langsam der furchtbar lodernden Kugel nähern. Sie stießen sie so lang mit Lanzen, bis sie aus dem Gemach rollte.
Da mußte König Biskalar zugeben, daß die erste Aufgabe erfüllt sei. Und sein Herz brütete Zorn ohnegleichen.“Wir werden sehen, ob du das zweite meistern wirst“ — sprach der König. Er ließ Kreazius sogleich an Bord eines Raumseglers schaffen, der nun dem Mond entgegenstrebte. Dies war ein wüster Himmelskörper, ein kahler Schädel, der wilde Felsen fletschte. Hier warf der Kommandeur des Raumseglers Kreazius auf die Felsen ab und sagte zu ihm:
„Komme von hier fort, wenn du kannst, und erscheine morgen mittag vor dem Angesicht des Königs! Wenn dir dies nicht gelingt, wirst du umkommen!“ Denn sollte auch niemand Kreazius holen kommen, um ihn auf der Folter zu bestrafen, so konnte dieser in einer so schrecklichen Wüste nicht lange durchhalten. Sobald er allein war, begann er den Übles verheißenden Platz zu untersuchen, auf dem er ausgesetzt worden war. Er wollte zu den bewährten Fünkchen greifen, doch fand er sie nicht. Offenbar hatte ihm während seines Schlafes jemand auf königlichen Befehl die Kleidung durchsucht und das rettende Döschen gestohlen.
„Gut steht die Sache nicht“ — sagte sich Kreazius. „Aber ganz schlimm steht sie auch wieder nicht. Denn erst dann hätte ich unweigerlich verspielt, wenn die mir auch den Verstand gestohlen hätten!“ Auf dem Mond gab es einen Ozean. Der war aber ganz zugefroren. Der Konstrukteur spitzte sich einen Flintbrocken zu. Damit hackte er viele Blöcke aus dem Eis und errichtete daraus so etwas, wie einen emporstrebenden Turm. Dann hieb Kreazius aus einem Eisblock eine Linse und sammelte darin die Sonnenstrahlen, so daß sie auf den gefrorenen Meeresspiegel fielen. Und da im Brennpunkt alsbald Wasser erschien, schöpfte Kreazius dieses mit den Händen ab und klatschte es gegen den Eisturm. Im Abfließen gefror das Wasser, verfugte die Eisblöcke und verlieh ihnen eine glatte, glänzende Außenhülle. So hatte der Konstrukteur zuletzt eine Kristallrakete vor sich, die aus weißem Eis errichtet war.“Das Schiff hätten wir!“ — sagte er. „Jetzt brauchen wir nur noch den Antrieb…“ Er suchte den ganzen Mond ab; doch von Uran oder anderen kraftvollen Elementen ließ sich keine Spur darauf finden.