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„Oh!“ stöhnte der hochbetagte Kryptographologe, „er hat es sogar dem Monarchen erzählt? Das ist doch der Gipfel der Perfidie! Und was muß das für ein teuflischer Code sein, wenn er es wagt, so offen darüber zu sprechen!“

Dann befahl er den Brigaden, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Als nach einer Woche noch immer keine Resultate vorlagen, wurde der berühmteste Experte auf dem Gebiet der Geheimschriften hinzugezogen — Professor Occulticus, Entdecker der unsichtbaren Zeichensprache. Nach dem der Gelehrte den inkriminierten Brief sowie sämtliche Berichte der Spezialisten studiert hatte, erklärte er, man müsse die trial-and-error-Methode anwenden, wozu allerdings Computer von astronomischem Format erforderlich seien.

Nach Operationen von gigantischem Ausmaß stellte sich heraus, daß man den Brief auf dreihundertachtzehn verschiedene Arten lesen konnte.

Die ersten fünf Varianten lauteten: „Der Kakerlak von Melkersdorf ist heil angekommen, aber der Bettpfanne ist eine Sicherung durchgebrannt.“ — „Roll die Tante der Lokomotive zu Kalbsschnitzeln!“ — „Die Verlobung der Butter wird nicht stattfinden, denn die Schlafmütze ist vernagelt.“ — „Wer gehabt hat, ist gewesen, wer gelacht hat, wird gelesen.“ — „Aus Erdbeeren unter der Folter kann man eine ganze Menge herausholen.“

Professor Occulticus hielt die fünfte Variante für den Schlüssel des Codes; nach dreihunderttausend Rechenvorgängen kam er zu dem Ergebnis, man müsse lediglich sämtliche Buchstaben des Briefes addieren, von dieser Summe die Parallaxe der Sonne plus die jährliche Produktion von Regenschirmen subtrahieren, sodann die Kubikwurzel aus der Restsumme ziehen, und schon ergebe sich ein einziges Wort, nämlich „kruzafix“. Im Adreßbuch fand man einen Untertanen namens „Kruzafux“. Occulticus erkannte mit einem Blick, daß die Vertauschung eines einzigen Buchstabens nur zu dem Zweck erfolgt sein konnte, Spuren zu verwischen, und Kruzafux wurde verhaftet. Es genügte ein wenig Überzeugungsarbeit unter Anwendung des sechsten Grades, und der Verbrecher gestand, er sei tatsächlich im Komplott mit Trurl gewesen, der ihm einen vergifteten Nagel und einen Hammer schicken wolle, damit er dem Monarchen den Garaus machen könne. Nachdem der Code— und Feldmarschall die Beweise des Hochverrats schwarz auf weiß in Händen hielt, legte er sie unverzüglich dem König vor; Mandrillion aber besaß noch soviel Vertrauen zu seinem Ratgeber, daß er ihm die Möglichkeit gab, sich zu rechtfertigen.

Der Ratgeber leugnete nicht, daß man den Brief durch Umstellung der Buchstaben in einer ganzen Reihe von Varianten lesen konnte. Wie er sagte, hatte er selbst weitere hunderttausend Varianten entdeckt, das allein beweise jedoch gar nichts, in Wirklichkeit sei der Brief überhaupt nicht verschlüsselt, denn schließlich könne man die Buchstaben eines jeden Textes so rekombinieren, daß sich ein neuer Sinn oder der Schatten eines Sinns ergäbe, das ganze bezeichne man dann als Anagramm. Derartige Probleme seien der Gegenstand der Permutations— und Kombinationstheorie. Trurl, sagte der Ratgeber, wolle ihn kompromittieren und diskreditieren, indem er die Fiktion eines Codes aufrechterhalte, obwohl in Wirklichkeit keiner existiere. Der arme Teufel Kruzafux sei völlig unschuldig; sein Geständnis sei ihm von den professionellen Überzeugern im Hauptquartier der Polizei in den Mund gelegt worden, die ja keine geringe Übung in der sanften Kunst der Überredung und darüber hinaus Verhörmaschinen mit einer Ausgangsleistung von einigen tausend Kiloschlag besäßen. Die Kritik an der Polizei nahm der König sehr übel, und als er dann weitere Erklärungen verlangte, begann der Ratgeber, in immer komplizierteren Wendungen von Anagrammen und Permutationen, Codes, Ziffern, Symbolen, Signalen und der allgemeinen Informationstheorie zu sprechen; schließlich wurden seine Ausführungen derart unverständlich, daß der König in heftigen Zorn geriet und ihn in den tiefsten Kerker werfen ließ. Bald darauf traf eine Postkarte von Trurl mit folgendem Inhalt ein:

Lieber Ratgeber! Vergiß die himmelblauen Schrauben nicht, sie könnten noch von Nutzen sein. Dein Trurl

Der Ratgeber wurde unverzüglich gefoltert, gestand jedoch nichts, sondern wiederholte beharrlich, all das seien nur finstere Intrigen von Trurl; als man ihn nach den himmelblauen Schrauben fragte, schwor er, solche weder zu besitzen, noch von ihnen zu wissen. Folglich mußte man ihn im Interesse einer gründlichen Untersuchung auseinandernehmen. Der König gab die Erlaubnis, und die Schmiede machten sich an die Arbeit. Die Panzerung des Ratgebers barst unter ihren Hämmern, und bald darauf wurden dem König zwei winzige, öltriefende Schräubchen vorgelegt, deren Farbe unbestreitbar himmelblau war. Und obwohl der Ratgeber im Laufe der sorgfältigen Nachforschungen völlig zerstört worden war, hatte der König angesichts dieser Beweisstücke keine Gewissensbisse mehr.

Eine Woche später erschien Trurl selbst vor den Toren des Palasts und bat um eine Audienz beim König. Mandrillion wollte ihn eigentlich auf der Stelle enthaupten lassen, doch verblüfft durch ein solches Maß an Unverfrorenheit befahl er, den Konstrukteur vor sein Angesicht zu bringen.

„Mein lieber König!“ sagte Trurl, kaum daß er den Thronsaal, in dem sich die Höflinge drängten, betreten hatte. „Ich habe dir einen Perfekten Ratgeber gebaut, und du hast ihn dazu benutzt, mich um meinen verdienten Lohn zu prellen, wobei du nicht zu Unrecht annahmst, das geistige Potential, das ich dir überließ, werde ein perfekter Schutz Schild gegen alle Angriffe sein und jeden Versuch, mich zu rächen, zum Scheitern verurteilen. Doch dadurch, daß ich dir einen intelligenten Ratgeber gab, erhöhte ich ja nicht deine eigene Intelligenz, und genau hier lag der Ansatzpunkt für meine Aktion; denn nur wer selbst ein wenig Verstand besitzt, ist in der Lage, vernünftige Ratschläge zu befolgen. Auf subtile, scharfsinnige oder raffinierte Weise konnte ich den Ratgeber nicht vernichten. Also mußte ich unvorstellbar primitive und plumpe, ja geradezu dumme Mittel einsetzen. Die Briefe waren nicht chiffriert; der Ratgeber war dir bis zum Schluß treu; von den himmelblauen Schräubchen, die sein Ende bedeuteten, wußte er nichts. Sie waren in einen Eimer mit Farbe gefallen, als ich den Ratgeber zusammenbaute; zufällig erinnerte ich mich später an dieses Detail und machte es mir zunutze. So konnten Dummheit und Mißtrauen Weisheit und Loyalität vernichten, und du selbst warst das Instrument deiner Niederlage. Und jetzt gib mir die hundert Sack Gold, die du mir schuldest sowie weitere hundert für die Zeit, die ich damit verschwenden mußte, mir mein Honorar zu erkämpfen. Tust du das nicht, so wirst du mit deinem ganzen Hof zugrundegehen, denn du hast den Ratgeber nicht mehr an deiner Seite, der dich vor mir schützen könnte!“

Der König brüllte vor Wut und gab den Wachen ein Zeichen, die sich auf Trurl stürzten, um dem unverschämten Eindringling auf der Stelle den Garaus zu machen. Aber ihre fauchenden Hellebarden durchschnitten die Gestalt des Konstrukteurs, als sei sie aus Luft, und sie wichen voller Entsetzen zurück. Trurl lachte und sagte:

„Ihr könnt auf mich einhauen, soviel ihr wollt, denn ich bin nur ein Trugbild, hervorgebracht durch ferngesteuerte Spiegel, in Wirklichkeit schwebe ich hoch über eurem Planeten in einem Raumschiff, und solange ich mein Gold nicht habe, werde ich todbringende Raketen auf den Palast abfeuern.“

Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da gab es einen Knall, und eine furchtbare Explosion erschütterte den ganzen Palast; die Höflinge flohen in Panik, und der König, vor Scham und Wut einer Ohnmacht nahe, mußte Trurl auf Heller und Pfennig bezahlen.

Als Klapauzius nach Trurls Rückkehr von dieser Wendung der Dinge erfahren hatte, fragte er seinen Freund und Gefährten, weshalb er eine derart primitive, seinen eigenen Worten nach dumme Methode angewendet habe, wo er doch die Möglichkeit hatte, einen Brief zu schreiben, der tatsäch lich einen Code enthielt.