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„Das Vorhandensein eines Codes hätte der Ratgeber dem König leichter erklären können als das Nichtvorhandensein“, erwiderte der weise Konstrukteur. „Es ist immer leichter, sich zu einer bestimmten Tat zu bekennen, als zu beweisen, daß es eine solche Tat nicht gegeben hat. In diesem Fall wäre das Vorhandensein eines Codes eine simple Sache gewesen, sein Nichtvorhandensein aber führte zu Komplikationen, denn es ist tatsächlich so, daß man jeden Text zu einem anderen, einem Anagramm, rekombinieren kann, und es kann sehr viele derartiger Rekombinationen geben. Um nun all diese Zusammenhänge zu erklären, mußte der Ratgeber auf absolut richtige, jedoch höchst verwickelte Argumente zurückgreifen, die — dessen war ich mir sicher — den beschränkten Horizont des Königs übersteigen würden. Es ist einmal gesagt worden, daß man nur einen festen Punkt benötigt, um die Welt aus den Angeln zu heben, und so mußte auch ich bei meinen Bemühungen, einen Verstand zu überlisten, der perfekt war, einen festen Punkt finden, ich fand ihn in der Dummheit.“

Hiermit beendete die erste Maschine ihre Geschichte, verbeugte sich tief vor König Genius und zog sich bescheiden in einen Winkel der Höhle zurück.

Der König äußerte seine Zufriedenheit über diese lehrreiche Geschichte und fragte Trurclass="underline"

„Sag uns bitte, mein lieber Konstrukteur, erzählt die Maschine nur, was du sie gelehrt hast, oder liegt die Quelle ihres Wissens außerhalb von dir? Erlaube mir auch zu bemerken, daß die Geschichte, die wir gehört haben, so lehrreich und unterhaltsam sie auch ist, dennoch unvollständig zu sein scheint, denn wir haben nichts über das weitere Schicksal der Vielianer und ihres törichten Königs erfahren.“

„Majestät“, sagte Trurl, „die Maschine berichtet nichts als die Wahrheit, denn bevor ich hierher kam, habe ich ihre Informationspumpe an mein Gehirn angeschlossen und sie damit befähigt, aus meinen Erinnerungen zu schöpfen. Das aber tat sie selbständig, folglich weiß ich nicht, welche Auswahl sie aus meinen Erinnerungen getroffen hat, und daher läßt sich auch nicht sagen, daß ich sie absichtlich bestimmte Dinge gelehrt habe, ebensowenig jedoch kann man sagen, daß die Quelle ihres Wissens außerhalb meiner Person liegt. Was die Vielianer angeht, so berichtet uns die Geschichte tatsächlich nichts über ihr weiteres Schicksal; denn man kann zwar alles erzählen, doch nicht alles fügt sich gut zusammen. Wenn das, was hier und jetzt geschieht, nicht die Wirklichkeit, sondern nur eine Fabel übergeordneten Ranges wäre, in der die Geschichte von den Maschinen enthalten ist, dann könnte sich ein Leser sehr wohl fragen, weshalb du und deine Freunde wie Kugeln geformt sind, da ja eure Kugelförmigkeit in der Erzählung keine Funktion zu erfüllen scheint und eher wie eine völlig überflüssige Verzierung wirkt…“

Die Freunde des Königs staunten über den Scharfblick des Konstrukteurs, der König selbst aber sagte mit breitem Lächeln: „Deine Worte entbehren nicht einer gewissen Logik. Was nun unsere äußere Gestalt anbelangt, so will ich dir erzählen, wie es dazu kam. Vor langer, langer Zeit sahen wir, d.h. natürlich unsere Vorfahren, gänzlich anders aus; erstmals konstruiert wurde mein Volk von den sogenannten weichen Bleichlern, und diese feuchten und schwammigen Wesen formten es nach ihrem eigenen Bilde; daher hatten unsere Vorfahren Arme, Beine, einen Kopf und einen Rumpf, der all diese Glieder miteinander verband. Nachdem sie sich aber von ihren Schöpfern befreit hatten, wollten unsere Altvorderen die Spuren ihrer unrühmlichen Herkunft gänzlich tilgen, und deshalb nahm jede Generation gewisse Veränderungen an ihrer Gestalt vor, bis schließlich die Form einer vollkommenen Kugel erreicht war; ob das nun zum Guten oder Schlechten geschah, möchte ich offenlassen, in jedem Falle sind wir Kugeln.“

„Majestät“, sagte Trurl, „vom Standpunkt des Konstrukteurs betrachtet, hat die Kugelförmigkeit ihre guten wie ihre schlechten Seiten; doch unter allen anderen Gesichtspunkten ist es besser, wenn ein denkendes Wesen seine Gestalt nicht verändern kann, weil eine solche Freiheit sehr rasch zur schrecklichen Qual wird. Denn wer so bleiben muß, wie er geschaffen ist, kann sein Schicksal zwar verfluchen, vermag es aber nicht zu ändern; wer aber in der Lage ist, seine eigene Gestalt zu verändern, der kann niemanden auf der Welt für seine körperlichen Mängel verantwortlich machen; ist er mit sich selbst unzufrieden, so trägt er allein die Schuld daran. Ich bin jedoch, mein König, nicht hierher gekommen, um Euch eine Vorlesung über die Allgemeine Theorie der Selbstkonstruktion zu halten, sondern um Euch meine geschichtenerzählenden Maschinen vorzuführen. Seit ihr bereit, wollt ihr die nächste hören?“

Der König war einverstanden, und nachdem bauchige Amphoren mit schäumendem Ionenmet die Runde gemacht hatten, lehnten sich die Zuhörer zurück und machten es sich bequem. Die zweite Maschine näherte sich, verbeugte sich tief vor dem König und sagte:

„Erhabener König! Hier ist die vielfach in sich verschachtelte Geschichte von Trurl dem Konstrukteur und seinen wunderbar nichtlinearen Abenteuern!

Einmal geschah es, daß König Daumenschraub der Dritte, Herrscher von Tyrannien, den Großen Konstrukteur Trurl zu sich rufen ließ, weil er von ihm erfahren wollte, wie man es zur Vollkommenheit bringen könne, und welche technischen Änderungen an Geist und Körper dazu erforderlich seien. Trurl antwortete ihm auf folgende Weise:“

„Einmal landete ich zufällig auf dem Planeten Legaria; ich stieg, wie es meiner Gewohnheit entspricht, in einem Gasthof ab und war fest entschlossen, mein Zimmer solange nicht zu verlassen, bis ich Geschichte, Sitten und Bräuche der Legarianer im Interplanetarischen Baedeker gründlich studiert hatte. Es war Winter, draußen heulte ein eisiger Wind, und ich wähnte mich allein in dem düsteren Gebäude, bis ich plötzlich ein Klopfen am Tor hörte. Als ich hinausspähte, erblickte ich vier in spitze Kapuzen gehüllte Gestalten, die schwere, schwarze Koffer aus einer gepanzerten Karosse luden; danach verschwanden sie im Inneren des Gasthofs. Am nächsten Tag um die Mittagszeit erklangen höchst merkwürdige Geräusche aus dem Zimmer nebenan — Pfeifen und Zischen, Hämmern, Feilen, das Splittern von Glas, und durch all diesen Lärm dröhnte ein mächtiger Baß, der pausenlos schrie:

„Schneller, Söhne der Rache! Schneller! Gießt die Elemente durch das Sieb! Aber gleichmäßig, gleichmäßig, sage ich! Jetzt in den Trichter damit! Und walzen! So ist es gut, und nun gebt mir diesen Blechschinder, Rostfott, Westentaschenmanipulator und Datenpfuscher, diesen schäbigen Rest von einem Möchtegern-Intellektroniker, der sich feige im Grabe versteckthält! Der Tod selbst soll ihn nicht vor unserer gerechten Rache bewahren! Reicht ihn mir rüber, mit seinem ekelhaften Hirn und seinen spindeldürren Beinen! Und jetzt modelliert seine Nase, aber macht sie schön dick und fleischig, damit wir bei der Exekution etwas zu packen haben! Und laßt die Blasebälge zischen, Jungs! In den Schraubstock mit ihm! Und jetzt die unverschämte Visage zusammennieten! Jawohl, gebt's ihm! Und noch einmal! Sehr gut! Genau so! Nicht so lahm mit dem Hammer! Eins, zwei — eins, zwei! Und zieht mir die Nervenstränge gut an — er darf nicht gleich in Ohnmacht fallen, wie der von gestern! Er soll unsere Rache bis zum letzten auskosten! Eins, zwei — eins, zwei! Nicht nachlassen!“

Das Brüllen und Donnern des mächtigen Basses wurde nur vom Fauchen der Blasebälge und dem dumpfen Klang der Hammerschläge beantwortet. Danach war plötzlich ein heftiges Niesen zu hören, und ein gewaltiges Triumphgeheul brach aus vier Kehlen hervor; jenseits der Wand wurde etwas hin— und hergeschleift und ich hörte, wie dort die Tür geöffnet wurde. Als ich durch den Türspalt spähte, sah ich, wie die vermummten Fremdlinge in den Flur hinausschlichen; ich zählte sie und wollte meinen Augen nicht trauen, denn es waren plötzlich fünf. Sie gingen die Treppe hinunter, schlossen sich im Keller ein und verweilten dort sehr lange, erst gegen Abend kehrten sie — jetzt wieder zu viert — still und schweigsam in ihr Zimmer zurück, so als kämen sie von einer Beerdigung. Ich setzte mich wieder an meinen Baedeker, doch die mysteriöse Geschichte war mir unter die Haut gegangen, und so beschloß ich, nicht zu ruhen, bis ich sie entratselt hätte. Am nächsten Tag, etwa um die gleiche Zeit gegen Mittag, legten die Hämmer wieder los, die Blasebälge fauchten, und der markerschütternde Baß schrie mit sich uberschlagender Stimme: