Perfidolin, der Seeleningenieur, beeilte sich zu erklären, daß sich jeder Traum von ganz allein träume, sobald aber jemand den an einer Uhrkette befestigten Stecker in die beiden dazugehörigen Löcher stöpsete, schalte er sich unverzüglich in den im Schrank laufenden Traum ein, und er werde so eins mit dem Traum, daß er ihn als Realität ansehe und ihn beim besten Willen nicht mehr von der Realität unterscheiden könne. Voluptikus griff, neugierig geworden, nach der Uhrkette, schaltete sich ohne lange nachzudenken in den Weißen Schrein ein, direkt in den Traum „Frühstück mit Jungfrauen und Musik“ — und fühlte plötzlich, wie auf seinem Rücken ein stachliger Kamm sproß, wie sich dort riesige Flügel entfalteten, wie sich seine Hände und Füße in Klauen mit furchtbaren Krallen verwandelten und wie sein mit sechs Reihen messerscharfer Zähne bewaffneter Rachen Feuer und Schwefel spie. Der König war höchst erstaunt und wollte sich räuspern, doch ein brüllender Donner entfuhr seiner Kehle und ließ die Erde erzittern. Das verblüffte ihn noch mehr, seine Pupillen weiteten sich, und in der Dunkelheit, erleuchtet durch seinen feurigen Atem, sah er, wie man ihm Jungfrauen in riesigen Schüsseln servierte, vier in einer jeden, garniert mit grünem Salat und so verführerisch duftend, daß ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Schon war der Tisch gedeckt, auch Salz und Pfeffer standen bereit, er fuhr mit der Zunge über seine Reißzähne, setzte sich bequem zurecht und stopfte eine Jungfrau nach der anderen ins Maul, als wären es Erdnüsse; dabei schmatzte und grunzte er vor Vergnügen, die letzte Jungfrau war so saftig und lecker, daß er mit der Zunge schnalzte, sich übers schuppige Bäuchlein strich und gerade nach einer weiteren Portion verlangen wollte, als alles vor seinen Augen zu flimmern begann, und er aufwachte. Er rieb sich die Augen — er stand am gleichen Platz wie zuvor, im kleinen Saal, der an seine Privatgemächer angrenzte.
„Wie waren die Jungfrauen?“ fragte Perfidolin.
„Nicht schlecht. Aber wo war die Musik?“
„Das Glockenspiel klemmte“, erklärte der Seeleningenieur. „Wünschen Königliche Hoheit vielleicht einen anderen leckeren Traum?“
Natürlich wollte der König, doch diesmal aus einem anderen Schrank. Er ging daher zum Schwarzen Schrein und schaltete sich in den Traum mit dem Titel „Vom Ritter Flinkian und der schönen Trotteleide, Tochter des Hetärikus“ ein.
Er blinzelte — und sah, daß hier gerade das elektroromantische Zeitalter herrschte, er selbst stand in stählerne Rüstung gekleidet in einem Birkenhain, einen frischgetöteten Drachen zu seinen Füßen; das Laub raschelte, eine leichte Brise wehte, und nicht weit von ihm murmelte ein Bächlein. Er schaute ins Wasser, sah sein Spiegelbild und begriff, daß er niemand anders als Flinkian war, ein Ritter unter Hochspannung und ohne Furcht und Tadel. Die ganze Geschichte seiner ritterlichen Laufbahn war an seiner narbenübersäten Rüstung abzulesen, und er erinnerte sich an jede Einzelheit. Das Visier an seinem Helm hatte ihm Morbidor im Todeskampf mit bloßer Faust verbogen, bevor er Flinkians Behendigkeit zum Opfer fiel; die gebrochenen Scharniere an der rechten Beinschiene — sie waren das Werk des seligen Voltasar Schlagetot; und die Nieten am linken Achselstück hatte ihm Ohmagnus der Schädelspalter zertrümmert, bevor er seinen Geist aufgab; das Gitter an der Brünne hatte Monsterix Brunstantin eingedrückt, ehe er für immer niedergestreckt wurde; auch Beinharnische, Armkacheln und Muscheln, vorderer und hinterer Plattenschurz, Haubert, Unterarmröhren, Kniekacheln und Eisenschuhe trugen Spuren härtester Kämpfe. Er betrachtete seinen Schild, der die Narben zahlloser Hiebe trug, dessen Innenseite jedoch in jungfräulichem und rostfreiem Glanz erstrahlte, denn noch nie hatte er beim Zweikampf dem Gegner den Rücken zugewandt. Dennoch war ihm sein Ruhm, um die Wahrheit zu sagen, vollkommen gleichgültig. Doch da erinnert er sich an die schöne Trotteleide, springt auf seinen Kyberrappen und beginnt, den ganzen Traum nach ihr abzusuchen.
Er erreicht die Burg ihres Vaters, des Fürsten Hetärikus; die Bohlen der Zugbrücke erdröhnen unter Roß und Reiter, und der Fürst selbst kommt ihm mit offenen Armen entgegen, um ihn zu begrüßen und über die Schwelle zu geleiten.
Den Ritter zieht es mit Macht zur schönen Trotteleide, doch es ziemt sich nicht, sogleich nach ihr zu fragen; indessen erzählt ihm der alte Fürst, daß ein fremder Ritter im Schlosse zu Gast sei, ein gewisser Vinidur vom edlen Geschlecht der Polymerowinger, ein Fechtmeister und Elastiker, der von nichts anderem träume, als sich mit Flinkian selbst im Zweikampf zu messen. Und schon erscheint Vinidur, federnd und elastisch, und spricht folgende Worte:
„Wisse denn, Ritter, daß ich die stromlinienförmige Trotteleide begehre, Trotteleide mit den hydraulischen Schenkeln, deren Busen selbst ein Diamant nicht zu ritzen vermag, und deren Blick magnetisiert. Dir ist sie versprochen, allein ich fordere dich zum tödlichen Kampf, auf daß sich zeigen möge, wer von uns ihr Herz und ihre Hand gewinnt!“
Und er wirft den schneeweißen Fehdehandschuh, aus Nylon.
„Sogleich nach dem Turnier wollen wir Hochzeit halten!“ fügt der alte Fürst hinzu.
„Wohlan, ich bin bereit!“ sagt Flinkian, doch Voluptikus in ihm denkt bei sich: Tut nichts, ich kann sie auch nach der Hochzeit nehmen und erst dann aufwachen. Diesen Vinidur jedoch hat der Teufel hierher geschickt!
„Noch heute, mein Ritter“, sagte Hetärikus, „wirst du mit Vinidur, dem Polymerowinger, in die Schranken treten, zum Zweikampf beim Fackelschein! Einstweilen aber magst du in deine Kemenate gehen und ruhen!“
Jetzt ist Voluptikus alias Flinkian doch ein wenig beunruhigt, doch was soll er tun? Er begibt sich in sein Gemach, doch nach einer Weile hört er ein leises Klopfen an seiner Tür, eine alte Kyberhexe schleicht auf Zehenspitzen herein, blinzelt ihm aus runzligen Äuglein zu und sagt:
„Fürchte nichts, viel edler Ritter, du sollst die Minne der schönen Trotteleide gewinnen, und wahrlich ehe Mitternacht vorbei, wird sie dein Haupt in ihrem silbernen Schoße wiegen. Von dir allein träumet sie, am Tag wie in der Nacht! Doch mögest du nicht vergessen, bedräng ihn muthesreich und gib der Kräfte alle, Vinidur soll dir kein Leid zufügen, dir ist der Sieg allein!“
„Das sagt sich leicht daher, mein Kyberhexchen!“ antwortete der Ritter. „Und wenn es doch ganz anders kommt? Was, wenn ich strauchle oder nicht zur rechten Zeit parieren kann? Nein, nein, es bleibt ein großes Risiko! Doch vielleicht kennst du einen Zauber von unfehlbarer Wirkung?“
„Hi, hi!“ kichert die Kyberhexe. „Was führt Ihr da für Reden, viel edler und stählerner Herre!? Des Zaubers gibt es nicht, doch könnt Ihr seiner wohlgemuth entraten, denn wahrlich, ich sage Euch, der Sieg wird Euer sein!“
„Ein Zauber wäre in jedem Falle sicherer“, antwortete der Ritter, „besonders in einem Traum… doch höre, Alte, hat dich vielleicht Perfidolin geschickt, um meinen Mut zu stärken?“
„Ich weiß von keinem Perfidolin“, antwortete sie, „auch nicht, von welchem Traum Ihr sprecht. Nein, dies ist Wirklichkeit, mein Herr von Stahl, wie du verspüren mögest, wenn Trotteleide dir Huld erweist und minniglich dich in die Arme schließt.“
„Seltsam“, murmelt Voluptikus und nimmt nicht wahr, daß die Kyberhexe das Gemach so still und heimlich verlassen hat, wie sie gekommen ist. „Ist dies nun ein Traum oder nicht? Ich hatte den Eindruck, es war einer. Hm… in jedem Falle sollte ich doppelt auf der Hut sein!“ Doch jetzt erschallen die Trompeten, man hört das Klirren von Rüstungen, auf der Galerie drängt sich die Menge und erwartet begierig die Kontrahenten. Flinkian tritt in die Schranken, mit weichen Knien, er fühlt das Auge der schönen Trotteleide huldvoll auf sich ruhen, doch jetzt ist nicht die Zeit für süße Blicke! Vinidur tritt in den Ring, vom Fackelscheine hell erleuchtet, und ihre Schwerter treffen mächtig aufeinander. Jetzt ist Voluptikus im Ernst erschrocken und tut sein Bestes, um endlich aufzuwachen; er versucht es und versucht es, allein es geht nicht — die Rüstung ist zu schwer, der Traum gibt ihn nicht frei, und der Feind bedrängt ihn fürchterlich! Immer schneller und heftiger hageln die Schläge auf ihn ein, die Kraft verläßt ihn, sein Arm sinkt herab, doch da schreit der Gegner voll Entsetzen auf, die Klinge seines Schwertes ist zerbrochen; Flinkian will ihm den Garaus machen, aber Vinidur flieht aus dem Ring, und seine Knappen reichen ihm ein neues Schwert. In diesem Augenblick sieht Flinkian die alte Kyberhexe nahen, sie drängt sich durch die Menge und flüstert ihm ins Ohr: