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„Alte Leute heile ich! Ich kuriere, renoviere, mach die Alten rasch gesund, helfe selbst bei Knochenschwund, ich schmiere Gelenke, nehme Geschenke, wer halbgelähmt und rostgeplagt, der hat mich nie umsonst gefragt, Sklerotiker und Tattergreise verjünge ich auf meine Weise, auch gegen Gicht und Zipperlein setz ich meinen Zauber ein!“

Die alte Kyberhexe hörte sich die Klagen des Königs geduldig an, verbeugte sich bis zum Boden und sagte:

„Herr und Gebieter! Fern hinter dem blauen Horizont, am Fuße des Kahlen Berges, entspringt eine kleine Quelle, und aus der Quelle fließt ein Brünnlein, ein Brünnlein aus Öl, welches Rizinus genannt wird; daraus wird eine Essenz bereitet, welche höchste Schraubenpotenz verleiht und mächtig verjüngt — ein Eßlöffel davon löscht siebenundvierzig Jahre! Doch mußt du fein achtgeben, daß du nicht zuviel von der Essenz nimmst, denn eine Überdosis macht dich so jung, daß du im Nu im Mutterleib verschwindest! Und jetzt, mein Herr und Gebieter, laß mich dir diese erprobte und bewährte Medizin bereiten!“

„Wunderbar!“ rief der König. „Man soll Königin Adoradora auf alles vorbereiten, mag sie nur wissen, was sie erwartet, hi, hi!“

Und er versuchte mit zitternden Händen, seine losen Schrauben festzuziehen, wobei er fortgesetzt brabbelte und an mehreren Stellen zugleich krampfhaft zusammenzuckte, denn er war schrecklich senil geworden, wenngleich dies seiner Leidenschaft für alles Böse keinerlei Abbruch getan hatte.

Inzwischen ritten Ritter an den fernen blauen Horizont, an die Quelle, wo Rizinus sprudelte, und später wallten die Dämpfe und kräuselte sich der Rauch über dem Kessel der alten Kyberhexe, in dem ein Gebräu brodelte und zischte. Nach getaner Arbeit eilte sie vor den Thron, fiel auf die Knie und reichte dem König einen Becher, der glitzerte und schimmerte wie Quecksilber, sie selbst aber sagte mit lauter Stimme: „König Paralysius, hier ist die verjüngende Essenz, sie bringt deinen Schrauben Potenz! Belebend und stärkend, genau das richtige für kühne Abenteuer und Liebesspiele auf Leben und Tod! Hast du diesen Becher geleert, so gibt es für dich in der gesamten Galaxis nicht genug Städte zu plündern und Jungfrauen zu entehren! Nun trink, und wohl bekomms!“

Der König nahm den Becher, verschüttete jedoch einige Tropfen auf seinen Fußschemel, der augenblicklich senkrecht in die Höhe fuhr, schnaubte und sich auf Degeneral Eklampton stürzte, wild entschlossen, ihn zu entehren und zu schänden. Im Handumdrehen hatte er ihm die Hälfte seiner neunundneunzig Orden abgerissen.

„Trink, Königliche Majestät, trink!“ ermunterte die Kyberhexe. „Du siehst ja selbst, wie wunderbar es wirkt!“

„Trink du zuerst!“ sagte der König mit kaum hörbarem Flüstern, denn er alterte wirklich in atemberaubendem Tempo. Die Kyberhexe wurde bleich, wich zurück und wollte nicht trinken, doch auf ein Nicken des Königs packten sie drei Soldaten und flößten ihr mit Hilfe eines Trichters einige Tropfen des glitzernden Gebräus ein. Ein Blitz, ein Donner, und Rauch überall. Die Höflinge schauten, der König schaute — weit und breit keine Spur von der Kyberhexe, nur ein pechschwarzes Loch gähnte im Fußboden, und durch dieses konnte man ein weiteres Loch entdecken, ein Loch im Traum selbst, in dem in aller Deutlichkeit ein Fuß sichtbar wurde — elegant beschuht, wenngleich der Strumpf versengt und die Silberspange ganz schwarz geworden war, als sei sie von Säure zerfressen. Natürlich gehörte der Fuß samt Strumpf und Schuh niemand anderem als Perfidolin, dem Hofthaumaturgen und Apotheotiker der Krone. Denn so stark war das Gift, das die Kyberhexe als Liebesessenz für mehr Schraubenpotenz bezeichnet hatte, daß es nicht nur sie selbst und den Fußboden durchbohrt hatte, sondern glatt bis zur Wirklichkeit durchgedrungen war, wo es Perfidolins Schienbein erreichte und dort einen häßlichen Brandfleck hinterließ. Der König war zu Tode erschrocken und versuchte aufzuwachen, aber zum Glück für Perfidolin gelang es Degeneral Torturjus noch, dem König (ausgerechnet mit seinem Zepter) einen mächtigen Schlag gegen die Stirn zu versetzen; dank dessen vermochte Voluptikus, als er wieder zu sich kam, sich an nichts, aber auch gar nichts zu erinnern, was ihm im Traum widerfahren war. Und dennoch hatte er die Pläne des listigen Seeleningenieurs zum dritten Mal vereitelt, indem er aus dem tödlichen Traum entkommen war, diesmal wegen seines grenzenlosen Mißtrauens, das er allen entgegenbrachte.

„Irgendetwas habe ich geträumt, aber was, das weiß ich nicht mehr“, sagte der König, als er wieder vor dem Träumenden Schrank stand. „Doch weshalb, Perfidolin, hüpfst du eigentlich auf einem Fuß umher und hältst dir den anderen?“

„Es… es ist nichts, Majestät, mein Rhombotismus macht mir zu schaffen… es gibt wohl einen Wetterumschwung“, stöhnte der listige Thaumaturg und Apotheotiker der Krone und fuhr dann fort, den König zu beschwatzen, er möge es doch mit einem neuen Traum versuchen. Voluptikus dachte eine Weile nach, las sich das „Inhaltsverzeichnis der Träume“ durch und wählte schließlich „Prinzessin Blödianas Hochzeitsnacht“. Und schon träumte er, wie er am Kaminfeuer saß und in einem alten Folianten mit prächtigen Kupferbeschlägen las, der mit wohlgesetzten Worten und karmesinroten Buchstaben auf vergilbtem Pergament von Prinzessin Blödiana erzählte, die vor fünfhundert Jahren im Lande Dandelia herrschte; von ihrem Eiswald, Schneckenturm, ihrem Vogelhaus mit Wiehern und ihrem Schatz mit den hundert Augen, von allem aber von ihrer außergewöhnlichen Schönheit und Tugend. Und Voluptikus sehnte sich nach ihrer Schönheit mit großem Sehnen, und ein unbändiges Verlangen loderte in ihm auf und entzündete seine Seele, daß seine Augäpfel glänzten wie Leuchtfeuer, und er machte sich auf, um Blödiana in der Tiefe und in sämtlichen Ecken des Traums zu suchen, doch sie war nirgends zu finden; er fragte überall herum, doch nur die allerältesten Roboter hatten jemals von der Prinzessin gehört. Müde von der langen Wanderung kam Voluptikus schließlich ins Zentrum der königlichen Wüste, wo selbst die Dünen vergoldet waren. Dort erblickte er eine armselige Hütte und als er sich ihr näherte, sah er einen würdigen Alten in schneeweißem Gewand, der sich bei seinem Anblick erhob und folgende Worte sprach:

„Du suchst Blödiana, Unglücklicher! Dabei weißt du sehr wohl, daß sie schon seit fünfhundert Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilt und wie vergeblich und fruchtlos deine Leidenschaft somit ist. Es gibt nur eins, was ich für dich tun kann, du sollst sie sehen, zwar nicht in Fleisch und Blut, doch als wohlgestaltetes, informationales Faksimile, als Modell, welches nicht physikalisch, sondern stochastisch, nicht plastisch, sondern ergodisch und doch erotisch ist… ich habe es in meiner freien Zeit aus allerlei Wüstenabfällen zusammengebastelt!“

„Ach, zeig sie mir! Zeig sie mir doch!“ schrie Voluptikus. Der Alte nickte, las aus dem Folianten die Koordinaten der Prinzessin ab, programmierte Blödiana und das gesamte Mittelalter auf Lochkarten, schaltete den Strom ein, öffnete den Deckel der Black Box und sagte:

„Nun schau sie an und schweig fein still!“

Bebend vor Verlangen neigte sich der König über die Box und erblickte tatsächlich das Mittelalter, nichtlinear und binär codiert, und mitten darin lag das Land Dandelia, mit seinem Eiswald, dem königlichen Palast, dem Schneckenturm, dem Vogelhaus mit Wiehern und dem Schatz mit den hundert Augen; und da war Blödiana selbst zu sehen, wie sie einen stochastischen Spaziergang durch ihren simulierten Lustgarten machte; und ihre Stromkreise erglühten abwechselnd in tiefem Rot und strahlendem Gold, als die modellierte Prinzessin modellierte Gänseblümchen pflückte und dazu ein modelliertes Liedchen summte. Voluptikus, der sich nicht länger bezähmen konnte, sprang auf die Black Box und versuchte, von holdem Wahnsinn gepackt, in die computerisierte Welt hineinzuklettern. Doch der würdige Alte schaltete rasch den Strom ab, brachte den König mit sanfter Gewalt auf den Boden der Tatsachen zurück und sagte: