Jetzt konnte sich Trurl wieder in der Öffentlichkeit sehen lassen und freier atmen. Es hatte zwar in letzter Zeit am fernen südlichen Horizont einige Explosionen von Supernovae gegeben, wie sie selbst die ältesten Roboter noch nicht erlebt hatten, und es gingen Gerüchte um, all dies stehe in einem Zusammenhang mit Lyrik. Nach unbestätigten Gerüchten hatte besagter Herrscher, getrieben von einer Laune, seinen Astroingenieuren befohlen, den Elektrobarden an eine Konstellation weißer Riesensterne anzuschließen, wodurch jede Strophe seiner Gedichte in gigantische Protuberanzen sämtlicher Sonnen verwandelt wurde; auf diese Weise war der größte Dichter des Universums in der Lage, seine unsterblichen Werke durch feurige Pulsationen in sämtliche Weiten des unendlichen Weltraums zugleich auszustrahlen. Mit einem Wort, er war zum lyrischen Motor einer Assoziation explodierender Riesensterne geworden. Selbst wenn an diesen Dingen ein Körnchen Wahrheit gewesen sein sollte, so geschahen sie doch in allzu großer Ferne, um Trurl den Schlaf zu rauben, der bei allem, was ihm jemals heilig gewesen war, schwor, niemals wieder ein kybernetisches Modell der Muse zu konstruieren.
Wie die Welt noch einmal davonkam
Eines Tages baute Trurl eine Maschine, die alles produzieren konnte, was mit dem Buchstaben n begann. Als sie fertig war, testete er sie, indem er ihr befahl, Nähgarn, Nadelstreifen und Négligés herzustellen, was sie auch tat; sodann ließ er sie das ganze auf Nangkingseide nähen und an eine nasse Nargileh, gefüllt mit Novocain, Nelken und Nieswurz nageln. Sie erledigte den Auftrag bis aufs i-Tüpfelchen. Da er noch nicht völlig von ihren Fähigkeiten überzeugt war, mußte sie der Reihe nach Nimbusse, Nasenlöcher, Neutronen, Nudeln, Nabelschnüre, Nymphen und Natrium herstellen. Letzteres konnte sie nicht, und Trurl, darüber sichtlich irritiert, forderte eine Erklärung.
„Ich weiß nicht, was das ist“, rechtfertigte sich die Maschine. „Wie? Aber das ist doch simples Soda. Du weißt schon, das Metall, das Element…“
„Wenn es Soda heißt, dann fängt es mit s an, ich aber arbeite nur auf n.“
„Aber lateinisch heißt es Natrium.“
„Hör zu, alter Freund“, sagte die Maschine, „wenn ich alles auf n in jeder beliebigen Sprache herstellen könnte, dann wäre ich eine Universalmaschine für das ganze Alphabet, denn ganz sicher beginnt jeder Gegenstand, den du bei mir bestellt, in der einen oder anderen Fremdsprache mit n. So einfach ist das nicht. Ich kann nicht mehr tun, als mein Programm enthält, und das stammt von dir. Also kein Soda.“
„Nun gut“, gab sich Trurl zufrieden und befahl ihr als nächstes, Nacht und Nebel zu erzeugen, was sie augenblicklich tat — beide waren vielleicht etwas zu feucht geraten, jedoch vollkommen nächtlich und neblig. Nach diesem letzten Test bat er seinen Freund Klapauzius zu sich, weihte ihn in die Geheimnisse der Maschine ein und lobte deren außerordentliche Fähigkeiten so über den grünen Klee, daß sich Klapauzius insgeheim ärgerte und darum bat, dieses Wunderwerk selbst einmal testen zu dürfen.
„Bitte sehr“, sagte Trurl. „Aber es muß mit n anfangen.“
„Auf n?“ sagte Klapauzius. „In Ordnung. Sie soll Naturwissenschaften produzieren.“
Die Maschine summte und brummte, und kurze Zeit später schon wimmelte es nur so in Trurls Vorgarten von Naturwissenschaftlern. Die einen lagen sich in den Haaren, die anderen schrieben an dickleibigen Wälzern, andere wiederum griffen danach und rissen sie in Fetzen; in der Ferne loderten Scheiterhaufen auf, in denen die Märtyrer der Naturwissenschaft umkamen; hin und wieder gab es Explosionen, begleitet von seltsam pilzförmigen Rauchsäulen; alle redeten auf einmal, doch keiner hörte zu, es wurden jede Menge Memoranden, Petitionen und Resolutionen verfaßt; etwas abseits von der lärmenden Menge saßen ein paar Greise und bekritzelten fieberhaft Papierfetzen.
„Na, ist das vielleicht nichts?!“ rief Trurl voller Stolz. „Die Naturwissenschaft wie sie leibt und lebt. Das mußt du zugeben!“
Aber Klapauzius war nicht zufrieden.
„Was? Dieser wilde Haufen soll die Naturwissenschaft sein? Das ist doch nicht dein Ernst?!“
„Na gut, dann sag etwas anderes, die Maschine macht es dir sofort!“ gab Trurl unwirsch zurück. Für einen Moment wußte Klapauzius nicht, was er sagen sollte. Doch nach kurzem Nachdenken erklärte er, er werde der Maschine zwei weitere Aufgaben stellen, und falls sie die zu seiner Zufriedenheit lösen sollte, würde er gern zugeben, daß sie so vollkommen sei, wie Trurl gesagt hatte. Trurl war einverstanden und Klapauzius befahl ihr, Negativa herzustellen.
„Negativa?“ schrie Trurl. „Was zum Teufel meinst du damit?“
„Aber das ist doch sonnenklar! Sie sind die negative Kehrseite aller Dinge, ihr negatives Spiegelbild“, gab Klapauzius seelenruhig zurück. „Tu nur nicht so, als hättest du nie von Negativa gehört! Und nun, Maschine, an die Arbeit!“
Die Maschine indes hatte längst angefangen. Zuerst produzierte sie Antiprotonen, dann Antielektronen, Antineutrinos und Antineutronen, und sie arbeitete unermüdlich weiter, bis sich aus all der angehäuften Antimaterie eine Antiwelt zu formen begann, die als bizarre, gespenstische Wolke am Himmel glühte.
„Hm“ — murrte Klapauzius. „Das sollen Negativa sein? Na ja, lassen wir das mal gelten, schon um des lieben Friedens willen… Aber hier ist der dritte Befehclass="underline" Maschine, schaffe Nichts!“
Die Maschine erstarrte und rührte sich nicht. Klapauzius rieb sich triumphierend die Hände, aber Trurl sagte: „Was willst du eigentlich? Hast du etwas anderes erwartet? Du hast ihr befohlen, nichts zu schaffen, also schafft sie nichts.“
„Das stimmt nicht. Ich habe ihr befohlen, Nichts zu schaffen, und das ist etwas anderes.“
„Was soll das? Nichts ist nichts, da gibt es keinen Unterschied.“
„Wo denkst du hin? Sie sollte Nichts machen, statt dessen hat sie nichts gemacht, also habe ich gewonnen. Denn Nichts, mein neunmalkluger Kollege, ist nicht dein Feld-Wald-und-Wiesen-Nichts, das Resultat von Trägheit und Inaktivität, sondern es ist das dynamische und aggressive Nichts, sozusagen die vollkommene, einzigartige, allgegenwärtige Nichtexistenz in ihrer höchsten Vollendung!!“
„Du bringst die Maschine völlig durcheinander!“ schrie Trurl.
Doch plötzlich meldete sich diese mit metallischer Stimme selbst zu Wort:
„Ich verstehe wirklich nicht, wie ihr euch in einem solchen Augenblick streiten könnt! Natürlich weiß ich, was Nichts, Nichtsein oder Nichtexistenz ist, weil all diese Wörter mit n anfangen wie Null, Negation und Nullifikation. Schaut euch die Welt lieber ein letztes Mal an, bald wird es sie nicht mehr geben…“
Der Zorn der Konstrukteure war mit einem Schlage verraucht und lähmendes Entsetzen trat an seine Stelle, denn jetzt begann die Maschine tatsächlich Nichts zu erzeugen, und zwar auf folgende Weise: Sie schaffte der Reihe nach die unterschiedlichsten Dinge aus der Welt, die augenblicklich aufhörten zu existieren, so als habe es sie nie gegeben. Für immer beseitigt waren bereits die Nacktigallen, Naseweischen, Nautiliaden, Nettressen, Nonnenblumen, Nonstopfüßler und Nuckelspechte. Zeitweise hatte es den Anschein, als vermehre und addiere sie, statt zu reduzieren und zu subtrahieren, denn sie beseitigte der Reihe nach: Niedertracht, Nonkonformismus, Nonsens, Nausea, Nekrophilie und Nepotismus. Nach einiger Zeit jedoch wurde die Welt um Trurl und Klapauzius zusehens leerer und ärmer.
„Um Himmels willen!“ stöhnte Trurl. „Wo soll das hinführen?“
„Mach dir keine Sorgen!“ sagte Klapauzius. „Du siehst doch, sie produziert ja nicht das Universelle Nichts, sondern nur die Nichtexistenz aller Dinge, die mit n beginnen, daher wird nichts weiter passieren, eben weil deine Maschine absolut nichts taugt!“