„Täusch dich nicht!“ erwiderte die Maschine. „Es stimmt, daß ich mit allen Dingen auf n begonnen habe, aber nur, weil ich es so gewöhnt bin. Etwas zu erzeugen ist jedoch eine Sache, etwas zu vernichten hingegen eine völlig andere. Ich bin in der Lage, alles und jedes auf n herzustellen — und wenn ich alles sage, dann meine ich alles — folglich ist es für mich ein Kinderspiel, das Nichts zu erzeugen. In wenigen Augenblicken wird es auf der Welt weder euch noch sonst etwas geben, daher bitte ich dich, Klapauzius, sag mir noch rasch, daß ich tatsächlich universell bin und alle Befehle korrekt ausführe, bevor es zu spät ist.“
„Aber das…“ begann der zu Tode erschrockene Kapauzius, doch in diesem Augenblick bemerkte er, daß tatsächlich bereits Dinge verschwanden, die keinesfalls mit n anfingen. In der Umgebung der Konstrukteure fehlten plötzlich sämtliche Kamikätzchen, Schlingelnattern, Maul— und Klauenbären, Singuine, Reimschnäbler, Andromedare und Farzenschweinchen.
„Halt! Halt! Ich nehme alles zurück! Ich bitte dich, hör sofort auf, Nichts zu schaffen!“ schrie Klapauzius aus voller Kehle, doch bevor die Maschine zum Stillstand kam, waren bereits die Quasiquallen, Megazellen, Eintagshühner und Phobodendrien verschwunden. Die Maschine rührte sich nicht mehr, doch die Welt ringsum bot einen traurigen Anblick. Den Himmel hatte es besonders schlimm erwischt:
Am Firmament waren nur noch einige wenige Sternchen als leuchtende Punkte zu sehen; keine Spur mehr von den stolzen Algoadlern und Fortranfalken, die bis dahin die Zierde des Himmels waren. „Großer Gauß!“ schrie Klapauzius. „Wo sind die sanften Kamikätzchen geblieben? Wo sind meine heißgeliebten Phantolemchen? Und wo die süßen Singuine?!“
„Die gibt es nicht und wird es nie mehr geben“, erwiderte die Maschine gleichgültig. „Ich habe nur deinen Befehl ausgeführt oder besser gesagt, ich war im Begriff ihn auszuführen…“
„Ich habe dir befohlen, Nichts zu schaffen, aber du… du…“
„Klapauzius, entweder bist du wirklich ein Dummkopf oder du tust nur so“, sagte die Maschine. Hätte ich das Nichts sogleich, mit einem einzigen Schlag, geschaffen, so hätte ja alles aufgehört zu existieren, sowohl Trurl als auch der Himmel, das Universum und deine Person — ja sogar ich selbst. Und wer könnte in diesem Fall und vor allem wem könnte er sagen, daß ich deinen Befehl korrekt ausgeführt habe und daß ich eine höchst effiziente Maschine bin? Wenn es aber niemand niemandem erzählen könnte, wie sollte ich dann, zumal es mich ja auch nicht mehr gäbe, den mir gebührenden Ruhm erlangen?“
„In Ordnung, reden wir nicht mehr davon“, sagte Klapauzius.
„Ich will ja auch nichts mehr von dir, nur bitte, liebe Maschine, schaff mir meine Phantolemchen wieder her, denn ohne sie macht mir das Leben keinen Spaß…“
„Aber das kann ich nicht, die fangen doch mit p an“, sagte die Maschine. „Natürlich, wenn du Wert darauf legst, kann ich Niedertracht, Nausea, Nonsens, Nekrophilie, Neuralgie, Neid und Niederlagen wiederherstellen. Aber was die anderen Buchstaben anbelangt, so kann ich dir nicht helfen.“
„Ich will aber meine Phantolemchen!“ brüllte Klapauzius.
„Nichts zu machen, Phatolemchen gibt's nicht mehr“, sagte die Maschine. Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert. All das ist dein Werk, mein beneidenswerter Freund! Ich glaube kaum, daß künftige Generationen dich dafür preisen werden…“
„Vielleicht werden sie es nie erfahren… vielleicht bemerken sie es gar nicht…“, stotterte der bleichgewordene Klapauzius und starrte verstört in die schwarze Leere des Weltraums empor, wobei er tunlichst vermied, seinem Kollegen Trurl in die Augen zu schauen. Er ließ ihn neben der Maschine, die alles auf n konnte, zurück und schlich kleinlaut nach Hause — die Welt aber blieb bis auf den heutigen Tag vom schwarzen Nichts durchlöchert und sieht genau so aus wie damals, als Klapauzius ihre von ihm selbst befohlene Liquidation gestoppt hatte. Und weil alle späteren Versuche, eine Maschine auf einen anderen Buchstaben zu bauen, gescheitert sind, muß man ernstlich befürchten, daß es so wunderbare Wesen wie Kamikätzchen und Phantolemchen nie wieder geben wird — nein, bis ans Ende aller Tage nicht.
Die Wahrheit
Ich sitze hier und schreibe, in einem verschlossenen Zimmer mit einer Tür ohne Klinke, auch das Fenster läßt sich nicht öffnen. Die Scheibe ist aus unzerbrechlichem Glas. Ich habe es ausprobiert. Nicht aus Lust, zu fliehen; auch nicht aus Wut; ich wollte mich nur überzeugen. Ich schreibe an einem Tisch aus Holz, aus Nußholz. Papier habe ich genug. Schreiben ist erlaubt. Nur liest das niemand. Aber ich schreibe doch. Ich will nicht allein sein, und zum Lesen bin ich nicht imstande. Was sie mir zu lesen geben, das ist alles nicht wahr, vor den Augen beginnen mir die Buchstaben zu hüpfen, und ich verliere die Geduld. Was sie enthalten, das kümmert mich überhaupt nicht, seit ich verstanden habe, wie es in Wahrheit ist. Hier sorgen sie sehr für mich. Morgens gibt es ein Bad, warm oder lau, mit feinem Duft. Ich habe entdeckt, worauf der Unterschied zwischen den Wochentagen beruht: dienstags und samstags riecht das Wasser nach Lavendel, an den anderen Tagen nach Nadelwald. Dann folgen das Frühstück und die ärztliche Visite. Einer der jüngeren Ärzte (an seinen Namen erinnere ich mich nicht; nicht daß mit meinem Gedächtnis etwas nicht in Ordnung wäre, aber ich bemühe mich jetzt, mir unwichtige Dinge nicht zu merken), der interessierte sich für meine Geschichte. Ich erzählte sie ihm zweimal, vollständig, und er nahm sie auf Tonband auf. Ich nehme an, er wollte sie wiederholt hören, um beide Erzählungen zu vergleichen und auf diese Weise herauszufinden, was darin unverändert blieb. Ich habe ihm gesagt, was ich denke, und auch, daß die Einzelheiten nicht wesentlich sind.
Ich fragte auch, ob er beabsichtige, meine Geschichte als sogenannten klinischen Fall zu bearbeiten, um die Aufmerksamkeit der Ärztewelt auf sich zu lenken. Er wurde ein wenig verlegen. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, jedenfalls hat er seit damals aufgehört, mir gefällig zu sein.
Aber das alles ist nicht von Bedeutung. Das, was ich teils durch Zufall, teils infolge sonstiger Umstände herausgefunden habe, ist in gewissem (trivialem) Sinne auch nicht von Bedeutung.
Es gibt zwei Arten von Tatsachen. Die einen können nutzbringend werden, solche zum Beispiel, wie die, daß Wasser bei hundert Grad siedet und in Dampf übergeht, der dem Boyle-Mariotteschen und den Gay-Lussacschen Gesetzen unterworfen ist; dank diesem Umstand konnte einst die Dampfmaschine gebaut werden. Andere Tatsachen haben solche Bedeutung nicht, denn sie betreffen alles, und vor ihnen gibt es keine Flucht. Sie kennen weder Ausnahmen noch Anwendungen, und so gesehen ergeben sie nichts. Manchmal können sie für jemanden unangenehme Konsequenzen haben.
Ich müßte lügen, zu behaupten, ich sei mit meiner derzeitigen Lage zufrieden, und die Angaben in meiner Krankengeschichte seien mir völlig gleichgültig. Da ich jedoch weiß, daß meine einzige Krankheit meine Existenz ist und daß ich dieser immer fatal endenden Erkrankung zufolge die Wahrheit herausgefunden habe, bin ich im Besitz einer kleinen Genugtuung, wie jeder, der einer Mehrheit gegenüber im Recht ist. In meinem Falle — der ganzen Welt gegenüber.
Dies kann ich deshalb sagen, weil Maartens und Ganimaldi tot sind. Die Wahrheit, die wir gemeinsam aufdeckten, hat sie getötet. In die Sprache der Mehrheit übersetzt, besagen diese Worte nicht mehr, als daß sich ein Unglücksfall ereignet habe. In der Tat hat sich einer ereignet, aber viel früher, vor etwa vier Milliarden Jahren, als von der Sonne abgerissene Feuerfetzen sich zur Kugel einzuringeln begannen. Das war die Agonie; alles übrige, mitsamt diesen dunklen kanadischen Fichten vor dem Fenster und dem Gezwitscher der Pflegerinnen und meinem Geschreibsel, das ist nur mehr Spuk nach dem Tode. Wessen? Wißt ihr es wirklich nicht?