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„Stellt euch einmal vor“ — sagte ich zu den anderen — „daß sich irgendwo im leeren Weltraum, in der Nähe des absoluten Nullpunkts, Wesen befinden, die uns unähnlich sind, sagen wir, eine Art von Metallorganismen, und die führen nun allerlei Experimente durch. Unter anderem gelingt es ihnen — es ist für den Augenblick nicht wichtig, wie —, jedenfalls gelingt es ihnen, eine lebende Eiweißzelle zu synthetisieren. Eine einzelne Amöbe. Was passiert mit ihr? Versteht sich, kaum geschaffen, zerfällt sie sofort, explodiert, denn im leeren Raum siedet das in ihr enthaltene Wasser und geht augenblicklich in Dampf über, während die Wärme des Eiweißstoffwechsels augenblicklich wegstrahlt. Wenn unsere Experimentatoren ihre Zelle mit einem Apparat wie dem unseren filmen, werden sie sie einen Sekundenbruchteil lang sehen können… Um sie jedoch am Leben zu erhalten, müßten sie ihr die entsprechende Umwelt schaffen…“

„Meinst du wirklich, daß unser Plasma 'eine lebende Amöbe' hervorgebracht hat?“ — fragte Ganimaldi. „Daß das aus Feuer aufgebautes Leben ist?“

„Was ist Leben?“ — antwortete ich, fast wie Pontius Pilatus, der gefragt hat: „Was ist Wahrheit?“ — „Ich behaupte gar nichts. Eines ist jedenfalls sicher: das kosmische Vakuum und der kosmische Frost sind weit günstigere Bedingungen für die Existenz einer Amöbe, als es die irdischen Bedingungen für die Existenz des Plasmas sind. Es gibt nur eine Umwelt, wo es oberhalb einer Million Grad nicht dem Untergang verfallen müßte…“

„Ich verstehe. Ein Stern. Das Innere eines Sterns“ — sagte Ganimaldi. „Willst du dieses Innere im Laboratorium herstellen, rund um eine Röhre mit Plasma? In der Tat, nichts ist einfacher als das… Aber vorher müßten wir allen Wasserstoff der Weltmeere anzünden…“

„Das ist nicht unbedingt notwendig. Versuchen wir, etwas anderes zu tun.“

„Das ließe sich anders machen“ — bemerkte Maartens. „Eine Tritiumladung explodieren und das Plasma in die Explosionsblase bringen…“

„Das ist nicht zu machen, das weißt du selbst. Erstens wird dir niemand gestatten, eine Wasserstoffexplosion durchzuführen, aber selbst wenn dem nicht so wäre, gibt es doch keine Möglichkeit, das Plasma in den Explosionsherd zu bringen. Im übrigen existiert die Blase nur so lang, wie wir von außen frisches Tritium zuführen.“

Nach diesem Gespräch trennten wir uns in eher finsterer Stimmung, denn die Angelegenheit sah hoffnungslos aus. Aber dann begannen wir wieder endlos zu diskutieren, und endlich erfanden wir etwas, was nach einer Chance aussah, zumindest nach einem blassen Schatten davon. Wir brauchten ein Magnetfeld von unheimlicher Stärke und sternmäßige Temperatur. Das sollte der „Nährboden“ des Plasmas werden. Seine „natürliche“ Umwelt. Wir beschlossen, das Experiment in einem Feld von gewöhnlicher Stärke durchzuführen und dann mit einem plötzlichen Sprung seine Leistung auf das Zehnfache zu erhöhen. Aus den Berechnungen ging hervor, daß die Apparatur, unser achthunderttonniges Magnetungeheuer, auseinanderfliegen mußte, oder zumindest mußten die Wicklungen schmelzen; vorher aber sollten wir im Augenblick des Kurzschlusses zwei oder vielleicht sogar drei hunderttausendstel Sekunden lang das erforderliche Feld haben. Im Verhältnis zum Tempo der im Plasma ablaufenden Prozesse war das eine ziemlich lange Zeit. Das ganze Projekt hatte offensichtlich kriminellen Charakter, und natürlich hätte uns niemand erlaubt, es zu realisieren. Aber das kümmerte uns wenig. Uns war es nur um die Aufzeichnung der Phänomene zu tun, die im Moment des Kurzschlusses und der gleich darauf erfolgenden Detonation auftreten sollten.

Sollten wir die Apparatur ruinieren und keinen Meter Film dabei gewinnen, keine einzige Aufnahme, so würde alles, was wir vollbracht hätten, einen Zerstörungsakt bedeuten. Das Gebäude, worin sich das Laboratorium befand, lag zum Glück ein gutes Dutzend Meilen von der Stadt entfernt, inmitten sanfter grasbewachsener Hügel. Auf dem Gipfel eines der Hügel richteten wir uns einen Beobachtungspunkt ein, mit der Filmkamera, den Teleobjektiven und allem elektronischem Plunder; alles stellten wir hinter eine Panzerglas-Platte von hochgradiger Durchsichtigkeit. Wir führten eine Serie von Probeaufnahmen durch und verwendeten dabei immer stärkere Teleobjektive, endlich entschieden wir uns für eines, das achtzigfache Näherung ergab. Es hatte sehr geringe Lichtstärke, aber da das Plasma heller als die Sonne ist, war das unwichtig. Zu jener Zeit arbeiteten wir schon eher wie Verschwörer, und nicht wie Forscher. Wir nützten es aus, daß Ferien waren, und außer uns niemand ins Laboratorium kam; dieser Zustand sollte noch etwa zwei Wochen lang andauern. In dieser Zeit mußten wir das Unsere getan haben. Wir wußten, daß es ohne Lärm und sogar ohne größere Unannehmlichkeiten nicht abgehen konnte, denn wir hatten uns dann irgendwie für die Katastrophe zu verantworten; wir erdachten sogar mehrere Varianten einer ziemlich glaubhaften Rechtfertigung, die den Schein unserer Unschuld herstellen sollte. Wir wußten nicht, ob dieses irre Projekt überhaupt Ergebnisse eintragen sollte; fest stand nur, daß das ganze Laboratorium nach der Explosion aufgehört haben sollte, zu existieren. Zählen konnten wir nur auf die Explosion. Wir nahmen die Fenster samt den Rahmen aus der dem Hügel zugekehrten Wand des Gebäudes; dann mußten noch die Schutzwände aus der Halle des Elektromagneten abmontiert und hinausgetragen werden, sodaß die Plasmaquelle von unserem Stützpunkt aus gut sichtbar war.

Wir machten das am sechsten August um sieben Uhr zwanzig am Morgen, unter wolkenlosem Himmel, in sonnenerfüllter Hitze. In den Hang war dicht unter dem Gipfel des Hügels eine tiefe Rinne eingegraben; von hier aus lenkte Maartens die Vorgänge im Laboratoriumsinneren; dazu dienten ein kleines tragbares Pult und Kabel, die vom Gebäude her den Hügel heraufliefen. Ganimaldi kümmerte sich um die Kamera, und neben ihm schaute ich, den Kopf über die Brustwehr vorgeschoben, durch die Panzerscheibe und durch ein starkes, auf einem Dreifuß aufgestelltes Fernglas auf das dunkle Quadrat des ausgebrochenen Fensters und wartete auf das, was dort drinnen geschehen sollte.

„Minus 21… minus 20… minus 19…“ wiederholte Maartens mit eintöniger Stimme ohne eine Spur von Emotion, er saß dicht hinter mir, über das Gewirr von Kabeln und Schaltern gebeugt. Im Blickfeld hatte ich absolute Schwärze, worin die Quecksilberader des erhitzten Plasmas träge schwang und sich wand. Ich sah weder die sonnigen Dünen noch das Gras voll weißer und gelber Blumen, und nicht einmal den Augusthimmel über der Kuppel des Gebäudes; die Gläser waren tüchtig geschwärzt. Als drinnen das Plasma anzuschwellen begann, erschrak ich — es könnte die Röhre sprengen, noch ehe Maartens durch sprunghafte Kurzschließung das Feld verstärkte. Ich öffnete den Mund, um zu rufen, doch im selben Augenblick sagte Maartens: „Null!!“

Nein. Die Erde schwankte nicht, wir hörten auch keinen Krach, nur die Schwärze, in die ich starrte, diese anscheinend tiefste Nacht, die erblaßte. Das Loch in der Laboratoriumswand füllte orangeroter Nebel aus, es wurde zur quadratischen Sonne, ganz im Zentrum blitzte etwas blendend auf, dann verschlang alles ein Feuerwirbel; das Loch in der Mauer vergrößerte sich, schoß verästelte Linien von Rissen, die Rauch und Flammen sprühten, und mit langgezogenem Donnern, das die ganze Gegend erfüllte, sank die Kuppel zwischen die stürzenden Mauern. Zugleich hörte ich auf, durch die Gläser irgend etwas zu sehen, ich nahm das Fernglas von den Augen und erblickte eine zum Himmel schlagende Rauchsäule. Ganimaldi bewegte heftig die Lippen, er rief etwas, aber das Donnern dauerte noch an, rollte über uns hinweg, und ich hörte nichts, die Ohren waren mir wie mit Watte verstopft. Maartens sprang von den Knien auf und drängte sich zwischen uns, um hinabzuschauen, bisher war er ja mit dem Pult beschäftigt gewesen; das Gepolter verstummte. Da schrien wir — ich glaube, alle.