Выбрать главу

„Dunkelheit? Sonst nichts?“

„Dunkelheit und — einen bestimmten Schimmelpilz. Die Anwesenheit dieses Schimmels war auch nötig. Er lieferte irgendwelche organische Katalysatoren. In dem Bericht an die Unterkommission hat Whister das nicht genau angegeben; die Papiere und alles hatte er unten, in seinem Zimmer.“

„Offensichtlich war er darauf nicht gefaßt“ — sagte der Mann.

„Vielleicht war er eben gefaßt darauf“ — brummte Nottinsen undeutlich.

„Denken Sie, daß das Licht ausging? Aber wo kam der Schimmel her?“ — sagte der Mann.

„Nein, nicht doch!“ — Nottinsen machte große Augen. „Das waren nicht sie. Das… sie… sie vermehren sich völlig unexplosiv. Ruhig. Ich nehme an, er hat mit diesem großen unterirdischen Paratron gearbeitet; es handelte sich darum, eine Methode zu finden, um ihre Entwicklung zu stoppen, und dies dann in Bereitschaft zu haben, für den Fall…“

„Eines Krieges?“

„Ja.“

„Und was hat er dort gearbeitet?“

„Das wissen wir nicht. Das hatte etwas mit Antimaterie zu tun. Denn die Whisteria… sie vernichtet die Materie. Synthese von Antiprotonen, Einkapselung in ein Kraftfeld, Teilung — so sieht der Lebenszyklus der Whisteria aus.“

Beide schauten eine Weile schweigend auf die Leute, die unter ihnen arbeiteten.

Nacheinander erloschen die Flammen auf dem Trichtergrund. In der blaugrauen Dämmerung kletterten die Leute herauf, die biegsamen Kabelschläuche nachschleifend, riesig, in Asbestmasken, woran der Regen herunterfloß.

„Gehen wir“ — ließ sich Nottinsen hören. „Ihre Leute sind auf der Landstraße?“

„Ja. Sie können beruhigt sein. Niemand kann durchfahren.“

Es regnete immer feiner, manchmal schien es so, als schlügen sich auf Gesichtern und Kleidern nur Tropfen vom Nebel nieder. Die beiden gingen durchs Feld, sie wichen zerschmetterten, verkrümmten und angebrannten Baumtrümmern aus, die im hohen Gras lagen.

„Bis hierher hat es das getragen“ — der Mann, der neben Nottinsen ging, wandte sich um und blickte zurück. Aber da war nichts zu sehen als der graue, immer schneller nachdunkelnde Nebel.

„Morgen um diese Zeit haben wir es hinter uns“ — sagte Nottinsen.

Sie erreichten schon die Landstraße.

„Und… der Wind kann das nicht weitergetragen haben?“

Nottinsen blickte den Begleiter an und sagte: „Ich denke, nein. Aller Wahrscheinlichkeit nach muß allein der Explosionsdruck alle zu Staub zermahlen haben. Denn das, was hier liegt“ — er schaute auf das Feld — „das sind Überreste der Bäume, die dreihundert Meter vom Gebäude entfernt standen. Von den Mauern, von den Apparaten und sogar von den Fundamenten ist nichts geblieben — kein Krümelchen. Wir haben doch alles durch die Maschengitter gesiebt, Sie waren ja dabei.“

„Ja“ — sagte der Mann im Mantel und sah Nottinsen nicht an.

„Na, eben. Was wir tun, das tun wir nur auf alle Fälle, um schon völlig gewiß zu sein.“

„Eine Waffe sollte das werden, oder?“ — sagte der andere. „Wie hieß sie gleich? Wie haben Sie gesagt?“

„Whisteria Cosmolytica.“ Nottinsen fror immer mehr, vergeblich versuchte er, den durchnäßten, durchweichten Mantelkragen aufzustellen. „Aber im Ministerium hatte sie einen Tarnnamen. Die lieben dort solche Tarnnamen, wissen Sie. 'Dunkelheit und Schimmel'. „

2

Es war kalt im Zimmer. Regentropfen rannen an den Scheiben hinab. Die Decke war auf der einen Seite weggerutscht, der Nagel hatte nachgegeben, so war ein Stück der kotigen Straße jenseits des Gartens zu sehen, und die Luftbläschen, die auf den Pfützen schwammen. Wie spät? Nach dem Grau des Himmels, nach den Schatten in den Zimmerecken und nach dem Druck in der Brust schätzte er die Uhrzeit. Er hustete lang. Er horchte, wie die Gelenke knackten, als er die Hosen anzog. Er brühte sich Tee auf, sobald der Teekessel und der Papiersack aus dem Zettelkram auf dem Schreibtisch hervorgefischt waren. Das Löffelchen lag auf dem Fensterbrett. Die heiße Flüssigkeit war herb und blaß, und er schlürfte sie laut. Als er Zucker suchte, fand er zwischen den Büchern den Rasierpinsel voll eingetrockneter Seife. Der war seit drei Tagen verschollen gewesen. Oder seit vieren? Mit dem Daumen prüfte er den Bart — die Stoppeln stachen noch wie Borsten, waren noch nicht weich.

Das Gebirge aus Zeitungen, Unterwäsche und Büchern neigte sich bedrohlich, endlich rutschte es mit sprödem Rascheln über die hintere Schreibtischkante hinab und verschwand. Ein Staubwölkchen stieg auf, so daß ihn die Nase nur so juckte. Er nieste langsam, mit Pausen, sog sich voll mit der belebenden Kraft des Niesens. Der Schreibtisch — wann hatte er den zum letzten Mal weggerückt? Eine eklige Arbeit. Vielleicht lieber fortgehen? Es goß.

Er schlurfte zum Schreibtisch, packte die Kante dicht bei der Wand, zog.

Es schütterte und staubte.

Er drückte aus aller Kraft, nur war er besorgt, er könnte das Herz spüren. — Wenn es sich rührt, lasse ich das sein — beschloß er. Eigentlich sollte es sich nicht rühren! Alles, was hinter die Schreibtischwand gefallen war, hörte auf, ihn zu kümmern; nun war das nur eine Kraftprobe, eine Probe der Gesundheit. „Ich bin noch ganz schön bei Kräften“ — überlegte er mit Genugtuung, als er beobachtete, wie die dunkle Spalte zwischen Schreibtisch und Wand sich verbreiterte. Etwas, was sich dort verkeilt hatte, rutschte tiefer und rollte dann klirrend auf die Erde.

* Vielleicht das zweite Löffelchen, oder nein, eher der Kamm? — fragte er sich neugierig. Bloß daß der Kamm kein so blechernes Geräusch ergeben hätte. Vielleicht die Zuckerzange?

Die Dunkelheit zwischen dem rissigen Verputz und der schwarzen Schreibtischleiste klaffte schon handbreit. Er wußte aus Erfahrung: nun kam das Schwierigste, denn gleich mußte das Tischbein in einer großen Fußbodenspalte steckenbleiben. Schon passiert. Eingeschnappt. Einige Augenblicke lang kämpfte er mit der toten Last.

* Mit der Axt, mit der Axt an dieses Aas! — dachte er voll süßer Hingabe an den aufsteigenden Zorn, der ihn verjüngte. Er zerrte, obwohl er wußte: das war fruchtlos. Den Schreibtisch mußte man neigen und dann anheben, sobald man ihn ins Schaukeln gebracht hatte; denn an der Wandseite war ein Bein kürzer und pflegte herauszufallen. „Besser, es fällt nicht“ — warnte die Vernunft. „Du wirst wieder von unten alles mit Büchern abstützen müssen, im Schweiße deines Angesichts die Nägel geradehämmern, das Tischbein mit dem Hammer hineinklopfen…“ Aber er haßte diesen hartnäckigen Klotz schon gar zu sehr, den er so viele Jahre lang mit Papieren gefüttert hatte.

„Rindvieh!“ — mit Ächzen brach dieses Wort aus ihm heraus; er konnte die Anstrengungen nicht mehr abstufen; erhitzt, den Geruch von Staub und Schweiß in der Nase, mit straff gespanntem Rücken kämpfte er gegen die leblose Last an, wackelte daran, und wie gewöhnlich in solchen Momenten, hatte er die schöne Empfindung, allein die erweckte Wut müsse das schwarze Trumm hochheben und wegstoßen, ohne die mindeste Anstrengung!

Das Tischbein hüpfte aus der Rille und rammte ihm die Zehen, er erstickte ein Schmerzstöhnen, zur Wut gesellte sich Rachsucht, mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Wand, mit Händen und Knien schob er. Die schwarze Kluft wuchs, schon hätte er sich hineinzwängen können, aber er schob verbissen weiter, ein erster Lichtstrahl suchte die Trümmerstätte heim, die hinter dem Schreibtisch zum Vorschein kam, während dieser wie in Agonie knirschte und dann stillstand.

Er selbst aber ließ sich auf einen Haufen umgeworfener Bände sinken; wann sie im Lauf der Plackerei auf die Erde gepoltert waren, wußte er nicht. Er saß darauf eine Weile, und der Schweiß erkaltete ihm auf der Stirn. Er hatte sich doch auf etwas Bestimmtes besinnen wollen… aha, darauf, daß sich das Herz nicht gerührt hatte. Das war gut.